ITALIEN „Von der Unschuld überzeugt“
SPIEGEL: Italiens höchster Gerichtshof hat den Freispruch von Amanda Knox und ihrem Ex-Freund Raffaele Sollecito aufgehoben. Sind Sie überrascht?
Bongiorno: Weil der Prozess in Perugia vor zwei Jahren so gut für uns lief, dachten wir, jetzt wäre Schluss. Wir werden hoffentlich bald erfahren, warum genau die Richter der Berufung von Kerchers Eltern stattgegeben haben. Ich weiß bisher nur: Der Kampf geht weiter.
SPIEGEL: Wie hat Ihr Mandant den Richterspruch aufgenommen?
Bongiorno: Raffaele hat davon an seinem 29. Geburtstag erfahren. In den vier Jahren im Gefängnis hat er sein Informatikstudium fortgesetzt und war gerade dabei, sich ein Leben aufzubauen. Natürlich ist er jetzt verbittert.
SPIEGEL: Müssen beide wieder in Haft?
Bongiorno: Das bezweifle ich. Ich bin von Raffaeles Unschuld überzeugt und will, dass wir den Prozess so schnell wie möglich hinter uns bringen.
SPIEGEL: Das könnte schwierig werden, Italiens Gerichte gelten als langsam.
Bongiorno: Unser Justizsystem ist kompliziert und voller Widersprüche. Amanda und Raffaele wurden in erster Instanz aufgrund von DNA-Spuren zu 26 und 25 Jahren Haft verurteilt, zwei Jahre später aber wegen derselben Spuren freigesprochen. Jetzt kommt es wieder zum Prozess, in Florenz, mit neuen Richtern, das kann Jahre dauern. Doch wenn es um Menschenleben geht, bevorzuge ich drei Instanzen. Besser mehrere Urteile als ein falsches.