ÖKOLOGIE Gärtner in der Wüste
Über die Feenkreise im Süden Afrikas rätseln Forscher seit 40 Jahren. Einig sind sie eigentlich nur in einem: Sehr wahrscheinlich waren es keine Außerirdischen.
Am Rande der Wüste Namib prangen kreisrunde kahle Flecken im verdorrten Gras. Um sie herum wuchert ein Kranz aus Büscheln. Aus der Luft sieht es aus, als hätten sich Motten an einem Pulli aus Gras satt gefressen: Zu Abertausenden bedecken die Feenkreise die Landschaft Südwestafrikas. In einem schmalen Streifen ziehen sie sich von Angola über Namibia bis in den Norden Südafrikas über 2000 Kilometer hin.
Jetzt glaubt ein Hamburger Ökologe herausgefunden zu haben, was das Grasland löchert. Sechs Jahre lang hat er Daten zusammengetragen. In der Zeitschrift "Science"verkündet er seinen Befund: Verantwortlich für die Kreise ist Psammotermes allocerus, die Sandtermite.
Norbert Jürgens erzählt, wie er schon vor vielen Jahren stutzte, als er auf seinen Afrikareisen diese eigenartigen Krater im Gras sah; wie er an langen Winterabenden die fleckige Landschaft auf Google Earth überflog; wie er dann 2007 erstmals vor Ort Feenkreise studierte.
Schon in den Siebzigern hatten sich Wissenschaftler an einer Lösung versucht. Doch nichts konnte das Phänomen erklären: Im Boden fand sich kein radioaktiv strahlendes Gestein und kein aggressiver Pilz. Auch der Saft der Besenwolfsmilch vergiftet den Untergrund nicht.
Jürgens hat ins Erdreich gegraben. Er stellte fest, dass sich der Sand innerhalb der Kreise feucht anfühlt, außerhalb ist er trocken. Und er verfolgte den Lebenszyklus der Feenkreise: In den ersten zwei Jahren sind sie noch unregelmäßig geformt und kaum einen Meter groß, im dritten Jahr runden sie sich. Innerhalb von Jahrzehnten wachsen sie dann auf eine Größe von bis zu zwölf Meter Durchmesser an.
In fast allen Flecken konnte Jürgens Sandtermiten nachweisen. Psammotermes allocerus baut faustdicke Nester in den Untergrund, die über Gänge verbunden sind. Bis zu 4000 Exemplare leben in einem Nest, und Jürgens vermutet, dass sie die Wurzeln der Gräser anknabbern.
Anfangs sah er die Insekten als Schädlinge, die den Grasbewuchs zerstören. Doch inzwischen hat Jürgens seine Meinung geändert: "Die Termiten schaffen Oasen in der Wüste."
Denn die Feenkreise gleichen natürlichen Zisternen: Da in den Flecken keine Pflanzen wachsen, kann das Wasser ungehindert im Sand versickern. Mehr als 53 Millimeter Wasser speichern die oberen hundert Zentimeter - kein Wunder, dass am Rand die Gräser sprießen. "Luxusgürtel" nennt Jürgens das.
Hier können Springböcke und Strauße grasen. Geckos und Erdferkel verstecken sich. Kot und Fährten verraten die Besuche von Schakalen und Löffelhunden. Und manchmal wächst inmitten eines der Kreise sogar ein Kameldornbaum.
Nachts buddeln sich die Arbeitertermiten nach oben. Dort würden sie von Ameisen geschnappt und zappelnd fortgetragen, erzählt Jürgens.
Er sieht in den Termiten Mechaniker der Natur, die mit dammbauenden Bibern zu vergleichen seien. Nur dank dieser winzigen Gärtner ergrüne die Wüste.
Zwar folgt jedem Regenguss eine Blüte. Doch würden die Feenkreise das Wasser nicht speichern, bliebe einige Wochen später nur Heu. Für Jürgens, der Nachhaltigkeit in Afrika erforscht, lehren die Termiten den Menschen eine Lektion: "wie man mit knappen Ressourcen wirtschaftet".
Bisher sei den Forschern das nützliche Tun der Sandtermite verborgen geblieben, weil sie sehr heimlich lebe, sagt Jürgens. Sie schwimme geradezu im Sand, ihre winzigen Gänge seien daher nur schwer zu entdecken.
Walter Tschinkel bezweifelt Jürgens' Annahmen. Der Biologe von der Florida State University hat im vergangenen Sommer selbst eine Studie zu den Feenkreisen in "Plos One" veröffentlicht - und zieht ganz andere Schlüsse. Tschinkel ist so erbost, dass er eine zweiseitige Schmähschrift gegen Jürgens' Studie verfasst hat. Warum, so fragt er darin zum Beispiel, seien die Flecken kreisrund?
Tschinkel glaubt, sein Kollege verwechsle Kausalität und Korrelation. Dass sich die Termiten im Boden der Flecken wohl fühlten, beweise noch lange nicht, dass sie sie auch verursachten.
Der Forscher aus Florida glaubt, dass sich die Vegetationsmuster bilden, weil sich Pflanzen unter sehr trockenen Bedingungen selbst so organisieren. Wieder eine andere These verfolgen Forscher an der University of Pretoria. Sie haben ein Gas gemessen, das womöglich aus dem Boden strömt und die Gräser abtötet. Die Feenkreise bleiben daher laut Tschinkel ein Rätsel - wenn auch eines mit einer schönen Legende.
Unter der Wüste, so erzählen die Himbaleute, lebe ein Drache, und manchmal, wenn das Untier Luft ausstoße, stiegen Feuerblasen nach oben. Zurück blieben Brandflecken: die Feenkreise.