Fußball „DIE ROLLE DES GENIALEN“
Basler, 26, hat mit seinen Toren Werder Bremen an die Spitze der Bundesliga geschossen. Der Mittelfeldspieler wurde bisher zehnmal in die Nationalelf berufen.
SPIEGEL: Herr Basler, wann haben Sie das letzte Mal eine Woche regelmäßig mit Ihren Kollegen trainiert?
Basler: Vor sechs, sieben Monaten. Meine Leiste ist eigentlich operationsreif. Deshalb habe ich trainingsfrei. Aber Sie können mir glauben: Gesund sein und trainieren wäre mir lieber.
SPIEGEL: Ihr Trainer Otto Rehhagel hat Ihnen damit eine Sonderposition innerhalb der Mannschaft zugebilligt. Was macht Sie unverzichtbar?
Basler: Fußball ist wie Theater, es gibt bestimmte Rollen. Ich bin eben zuständig für den genialen Paß, für die Vorbereitung und fürs Toreschießen.
SPIEGEL: Nebenbei genießen Sie Ihre Rolle als aufsässiger Genius, der übertrieben selbstbewußt auftritt?
Basler: Ich genieße den Erfolg, aber schauspielern tue ich nicht. Man muß mich so nehmen, wie ich bin, der Trainer weiß das und läßt mich in Ruhe.
SPIEGEL: Otto Rehhagel war bisher als unerbittlicher, distanzierter Fußballtrainer bekannt, nach dessen Pfeife die Spieler zu tanzen haben. Wundert es Sie nicht selbst, wenn ausgerechnet so eine Autorität Ihnen Narrenfreiheit gewährt?
Basler: Ich habe ihn nicht als strengen Trainer kennengelernt. Er weiß, was auf dem Platz meiner Stärke guttut. Für den Erfolg ist er immer schon Spielern entgegengekommen.
SPIEGEL: Bei der letzten Tagung der Bundesligatrainer spottete Rehhagel: "Ich wünsche allen Kollegen, mit dem Mario Basler mal eine Woche zu trainieren." Sie hatten nie Krach mit ihm?
Basler: Er wußte ja, wen er geholt hat. Daß ich vielleicht ein bißchen schwierig bin, war ihm bekannt. Aber ändern wollte er mich nur einmal, als er mir beim Torjubel die Säge verbieten wollte. Da habe ich mir diese Geste eben für zwei Spiele abgewöhnt, weil ich ohnehin keine Tore geschossen habe.
SPIEGEL: Werder-Manager Willi Lemke sagt, Rehhagel sei viel lockerer geworden, seit sein Wechsel nach München feststeht. Ist Ihr Freibrief Ausdruck dieser neuen Lässigkeit?
Basler: Was heißt Freibrief? Rehhagel ist lustiger geworden, seit sein Wechsel feststeht, aber ich war doch nicht der erste, der mal trainingsfrei bekam.
SPIEGEL: Wie hat er Ihre Trainingsbefreiung vor der Mannschaft begründet?
Basler: Das war problemlos. Er hat nur kurz gesagt: "Meine Herren, Herrn Baslers Leistung stimmt, und um ihn zu schonen, braucht er kein volles Trainingsprogramm mitzumachen."
SPIEGEL: Rehhagel hat Sie offenbar unter Artenschutz gestellt. Wenn der Trainer Bremen verlassen hat, wer schützt Sie dann?
Basler: Der neue Trainer Aad de Mos wird sich sicher auf die Mannschaft einstellen müssen. Er kann hier nicht herkommen und alles umschmeißen, was Rehhagel gemacht hat. Wenn er Erfolg hat, ist Otto natürlich schnell vergessen.
SPIEGEL: Würden Sie akzeptieren, wenn der neue Coach die Elf nach Laktatwerten aufstellt, Ihnen Ihre Zigaretten verbietet und asketisches Leben vorschreibt?
Basler: Ich rauche, soviel ich will. Solange meine Leistung stimmt, gibt es dagegen nichts zu sagen.
SPIEGEL: Die Arroganz des Tüchtigen erlauben Sie sich auch außerhalb des Spielfeldes.
Basler: Ich mache nur das, wozu ich Lust habe. Wenn ich Lust habe, vor die Fernsehkamera zu gehen, dann gehe ich dahin. Habe ich keine Lust, gehe ich nicht hin.
SPIEGEL: Empfinden Sie keine Verpflichtung gegenüber Publikum und Medien?
Basler: Ich werde für das Fußballspielen bezahlt, da erfülle ich meine Verpflichtung.
SPIEGEL: Gibt es denn jemanden, von dem Sie Kritik annehmen?
Basler: Ich bin selbstkritisch genug, mir braucht keiner zu sagen, wenn ich schlecht gespielt habe. Ansonsten darf mich meine Frau kritisieren und mein Freund, der mich berät.
SPIEGEL: Hochveranlagte Spieler gelten gemeinhin als schwierig. Sehen Sie sich schon in der Nachfolge eines Wolfgang Overath oder Günter Netzer?
Basler: Sportlich glaube ich nicht, daß Overath und Netzer im heutigen Fußball noch konkurrenzfähig wären. Ansonsten ist es für mich eine Ehre, mit diesen Größen in einem Atemzug genannt zu werden.
SPIEGEL: Mit Leuten Ihres Schlages, etwa Wolfram Wuttke oder Stefan Effenberg, sprang der deutsche Fußball eher gnadenlos um. Auch Sie sind schon mit Bundestrainer Berti Vogts aneinandergeraten . . .
Basler: . . . trotzdem ist es nur eine Frage der Zeit, wann ich eine führende Rolle in der Nationalmannschaft spiele.
SPIEGEL: Das hat Effenberg auch immer gesagt, nun ist er draußen.
Basler: Wir werden zwar oft miteinander verglichen, sind aber wohl doch sehr verschieden. Ich bringe meine Leistung, also kann ich mir mein Selbstbewußtsein erlauben.
SPIEGEL: Ihre Lobby in der Nationalmannschaft ist dennoch nicht sehr groß, nachdem Sie bei der Weltmeisterschaft in den USA Mitspieler wie Thomas Häßler kritisierten.
Basler: Ich glaube, ich habe mir eine Position erkämpft, in der ich mir das erlauben darf. Ich bin an einem Stammplatz dran und gehöre zum engen Kreis der ersten Elf.
SPIEGEL: In den USA hatten Sie diese Position noch nicht. Vielleicht hätten Sie versuchen sollen, über Leistung in die Nationalmannschaft zu kommen?
Basler: Ich habe das lange genug mitgemacht, daß ich auf der Tribüne saß und Spieler auf dem Feld rumliefen, die mit Sicherheit nicht das draufhatten, was ich draufhabe. Ich hatte damals einen guten Lauf, bei mir hat alles vorne und hinten geklappt, und trotzdem wurde ich nicht berücksichtigt. Das habe ich angesprochen und auch, daß ich mal eine Chance über mehrere Spiele bekommen wollte. Denn dann wird es schwer, mich wieder aus der Mannschaft rauszukriegen. Genauso ist es eingetroffen.
SPIEGEL: Hatten Sie jemals Selbstzweifel, etwa nachdem man Sie als 20jährigen vom 1. FC Kaiserslautern abgeschoben hatte?
Basler: Nie. Ich weiß, was ich kann - und ich habe immer gewußt, daß ich irgendwann mal in der Nationalelf spielen werde.
SPIEGEL: Selbst als Bernd Stange, Ihr Trainer bei Hertha BSC Berlin, Ihnen nachsagte, bis zum Hals seien Sie Weltklasse, darüber Kreisklasse?
Basler: Stange war nicht der erste Trainer, der mich verkannt hat. Was ich in den vergangenen zwei Jahren erreicht habe, soll mir erst einmal einer nachmachen.
SPIEGEL: Vielleicht sind Sie doch noch zu Ihrer verspäteten Karriere gekommen, weil nicht Ihre Umwelt, sondern Sie sich verändert haben?
Basler: Nee. Ich würde heute alles so wieder machen ohne Wenn und Aber. Anscheinend hat die Umwelt inzwischen erkannt, daß ich Fußball spielen kann. Dazu kam das Glück, daß mich Rehhagel nach Bremen geholt hat.
SPIEGEL: Werder Bremen hat sich Ihre Künste in einem Vertrag bis ins Jahr 2000 gesichert. Wollen Sie wirklich so lange hierbleiben?
Basler: Sonst hätte ich es doch nicht gemacht. Natürlich, wenn ein Verein eine Ablöse von vielleicht 15, 20 Millionen Mark bietet, dann muß man neu überlegen. Dann profitiert der Verein davon, dann profitiere ich davon - und wenn ich mich sportlich verbessern kann, muß man das nutzen.
SPIEGEL: Angeblich haben Sie den Verein mit einem Angebot von Juventus Turin unter Druck gesetzt. Manager Lemke behauptet, es habe nie eine Offerte gegeben.
Basler: Ich weiß, daß ein konkretes Angebot da war. Der Verein wollte mich nicht vor 1996 gehen lassen. Damit hat er mir die Chance genommen, ins Ausland zu wechseln. Nun muß er eben einen finanziellen Ausgleich schaffen. Das ist in Form dieses langfristigen Vertrages geschehen.
SPIEGEL: Steht im Vertrag auch die Erlaubnis für Bierkonsum und Zocken drin? Ihr Lebenswandel soll nicht dem eines vorbildlichen Profisportlers entsprechen.
Basler: Das steht natürlich nicht drin. Die ganze Sache ist ohnehin halb so wild. Ist der Abend schön, können es schon mal sechs, sieben Bier sein, ist er mies, trink' ich eben nur zwei. Und meine Zockerphase ist lange vorbei. Ich spiele allenfalls mal einen Skat mit dem Manager und dem Ko-Trainer.
SPIEGEL: Und, gewinnen Sie?
Basler: Natürlich, ich gewinne jedes Spiel, das ich anfange. Y