Das erste Jahr im Offset-Druck

Der erste SPIEGEL im Offset-Druck: Ausgabe 3/2015 "Anschlag auf die Freiheit"
Foto: Silke KassubaVor gut einem Jahr hat der SPIEGEL seinen Erscheinungstag um zwei Tage vorgezogen, seither heißt es "Samstag ist SPIEGEL-Tag". Um bei vorgezogenem Produktionstag und verkürzter Auslieferungszeit ein pünktliches Erscheinen des SPIEGEL überhaupt gewährleisten zu können, begab sich die Herstellung deshalb auf ungewohntes Terrain: Nach 68 Jahren Tiefdruckverfahren stellten sie die Produktion des SPIEGEL auf den günstigeren und signifikant schnelleren Offset-Druck um.
Die große Herausforderung war, dass es am Markt etwas Vergleichbares noch nicht gab, und der SPIEGEL damit Neuland betreten hat. Viele Beobachter waren auch sehr skeptisch, ob diese Umstellung überhaupt funktionieren kann. Dennoch hielt man an dem Vorhaben fest.
Seither arbeiten die Druckereien Mohn Media in Gütersloh und Stark in Pforzheim für den SPIEGEL. Beide Dienstleister haben für den Auftrag im Bereich Weiterverarbeitung technisch massiv aufrüsten müssen. Mit Feuereifer arbeiten sie daran, die Herausforderung "SPIEGEL" zu bestehen. "Beide Druckereien mussten sich vorab vertraglich dazu verpflichten, sich in Bezug auf den SPIEGEL nicht als Konkurrenten zu betrachten, sondern vielmehr partnerschaftlich zusammenzuarbeiten", berichtet Herstellungsleiterin Silke Kassuba. Nur so könnten sie den Qualitätsansprüchen des SPIEGEL gerecht werden.
Kein leichtes Unterfangen, denn zu Beginn mochte keiner der Drucker Fertigungstipps und -tricks des eigenen Unternehmens preisgeben. "Dieser Wissenstransfer ist aber notwendig, um für mögliche Probleme, die bei einer so komplexen Produktion immer auftreten können, schnell Lösungen zu finden. Jede Druckerei arbeitet anders, hier können sie voneinander lernen", ergänzt Mark Asher. Er und seine Kollegen Andreas Allzeit und Jan Reeger besprechen sich eng mit den Druckereien, überlegen zusammen, wie sich die Produktion noch verbessern ließe, und kontrollieren jede Woche akribisch die Druckqualität der einzelnen Heftseiten und die Weiterverarbeitung während des Produktionsprozesses.
"Wir sehen auch immer wieder, wie wichtig unsere Präsenz vor Ort ist, denn die Druckereien geben sich viel früher mit dem Ergebnis zufrieden als wir", sagt Reeger. Gemeinsam implementieren sie gerade einen eigenen Druckstandard für den SPIEGEL im Offset. "Beide Standorte drucken bereits innerhalb eines hohen industriellen Standards, dennoch waren die Ergebnisse am Anfang nicht gleich. Das liegt an den unterschiedlichen Unternehmen und Maschinen, aber auch an unterschiedlichen Papierqualitäten", erklärt Asher. "Jetzt arbeiten wir daran, hier so zu optimieren, dass beide Hefte im Resultat weitgehend identisch sind und auch der Leser nicht mehr unterscheiden kann, an welchem Standort sie produziert wurden."
Nach wie vor ist die Logistik das Nadelöhr. Denn da für die Auslieferung der Hefte nur noch der Freitag zur Verfügung steht, ist kein zeitlicher Puffer mehr vorhanden. Beide Druckstandorte haben hier schon ihre Erfahrungen gesammelt. "Auch konnten sie schon mehrfach unter Beweis stellen, dass das Back-up-Szenario, wenn zum Beispiel eine Maschine ausfällt, innerhalb einer Viertelstunde greift", sagt Kassuba. Mohn Media hat da schon andere Herausforderungen zu stemmen gehabt. "Im Frühjahr hatte ein Blitz in die Druckerei eingeschlagen, weshalb die Maschinen mehrere Stunden stillstehen mussten", berichtet Reeger. Auch einen Brand habe es bei Mohn gegeben, das Gebäude wurde vorübergehend geräumt. "Da haben wir kaum eine Möglichkeit, die verlorengegangene Zeit wieder einzuholen", so Reeger weiter. Hier mussten in enger Abstimmung mit der Druckerei Lkw-Touren umgestellt werden. Zusätzlich stellte auch die Druckerei ihren eigenen Fuhrpark zur Verfügung, um das pünktliche Erscheinen der Ausgabe zu gewährleisten.
Den Erfolg des Offsetverfahrens können solche gelegentlichen Widrigkeiten nicht schmälern. "Vielmehr hat uns das neue Druckverfahren wirklich ganz neue Möglichkeiten eröffnet", sagt Kassuba. So hätte man im Tiefdruck keine regional unterschiedlichen Titelvarianten anbieten können. "Die über Monate vorbereitete Migration vom Tiefdruck ins Offset-Verfahren hat sich gelohnt und ist ein voller Erfolg", resümiert Kassuba.