01.04.1999
DingeSTÜHLE DER MACHT (2)
Bis 89 saß hier einer der Mächtigsten: Erich Mielke. Vor dessen Akten hatte selbst Honecker Respekt. Doch Mielkes Stuhl war ganz anders als der Minister. Normannenstraße Nr. 22, Haus 1, 1. Obergeschoß. Kein Tyrannenthron, klobig und feist, auch kein Leder-Ungetüm aus Lack und Chrom im Stil des Dr. No.
Sanft geschwungen die Formen, hell und lieblich das Holz. Esche? Birne? Staatsgeheimnis. "Erkenntnisse liegen nicht vor", teilt die Gauck-Behörde mit, die sonst fast alles weiß, was die DDR geheim hielt.
Der Minister für Staatssicherheit hatte es gern idyllisch. Kornblumenblau sein Sessel, kornblumenblau auch die Stühle um den Konferenztisch. Nur auf den ersten Blick sind sie dem Ministerstuhl ebenbürtig. Der Zollstock ergibt: 10 Zentimeter mehr Rückenlehne für den Chef. 181 Schmucknägel halten den Bezug noch heute fest gespannt, keine Kuhle zeugt mehr vom Ministerhintern.
Und bequem ist er. Die Armlehnen sanft nach oben strebend, die Rückenlehne leicht zurückgeneigt, ließ der Stuhl seinen Herren unweigerlich aufwärts blicken. Der Tischler hatte den sozialistischen Optimismus gleich miteingebaut. 32 Jahre saß der Genosse Minister hier. Sein nächster Sitzplatz war die Anklagebank.
SPIEGEL SPECIAL 4/1999
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