Der gesprengte Behälter
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Das Wort Heimat gehört zu einem atmosphärisch geladenen Kernwortschatz, der das unübersetzbare Nationaleigentum der deutschen Sprache ausmacht. Dennoch dürfte man das, was es bezeichnet, nicht als Merkmal eines deutschen Sonderwegs zum In-der-Welt-Sein verstehen. Alle Hochkultursprachen sind imstande, das Konzept "Heimat" mit ihren spezifischen Mitteln auszudrücken, auch wenn die Klangfarben dieser Ausdrücke von Land zu Land und von Sprache zu Sprache verschieden sind.
Der Grund für diese gemeinsame Fähigkeit läßt sich in analogen kulturgeschichtlichen Erfahrungen finden: Mit ihren jeweiligen Konzepten von "Land", "Dorf" und "Mutterwelt" bezeichnen die Völker, die aus der neolithischen Revolution als Ackerbauern hervorgegangen waren, die positive Seite ihrer Seßhaftigkeit. In den diversen Ausdrücken für den befreundeten Raum artikulieren die seßhaften Völker ihre Symbiose mit den felder- und gräbertragenden Böden. Sie manifestieren ihren agrarischen Patriotismus in ihren Worten für den Heim-Vorteil des eigenen Raumes. Darum gehört auch das deutsche Wort "Heimat" zu einem Zeichen-Reservoir, dessen Hauptgeltungszeit offenkundig vorüber ist: zum Leitvokabular des agrarischen Weltalters, mitsamt seiner Politik und Metaphysik.
Wer Heimat sagt, erhebt Anspruch darauf, wie eine Pflanze zweiter Ordnung unter den Gewächsen des heimischen Bodens gedeihen zu dürfen. Der heimatlich definierte Mensch möchte ein Tier sein, das sich das Pflanzenprivileg, Wurzeln schlagen zu können, zu eigen gemacht hätte.
Es liegt auf der Hand, daß dieses Tier mit Wurzeln eine imaginäre Hybridform darstellt und daß es unter veränderten historischen Bedingungen den Preis für seine biologische Unmöglichkeit wird entrichten müssen. Den Beginn dieser einschneidenden Veränderung markieren die großen Doktrinen des asiatischen und europäischen Altertums, in denen der Akzent der menschlichen Existenz von Bodenständigkeit auf Entwurzelung und von Volkssitte auf Weltethik umgesetzt wurde. Alles Wurzeln und Wohnen steht seither unter einem spirituellen Vorbehalt, weil die höhere Ethik künftig gegen Ethnozentrismus, Rassismus und Racinismus (französisch "racine": Wurzel) spricht. In dieser Hinsicht harmonisieren der Buddhismus, der die Askese des Hausverlassens lehrt, der Stoizismus, der die Seele global exilfähig machen möchte, und das Christentum, das eine Ethik der Pilgerschaft vorschlägt.
Daß diese hohen Lehren, wenn sie vor Bodenständigen vorgetragen werden, unter ihrem Niveau bleiben, versteht sich aus der Situation von selbst. Das Schicksal der heimatlich definierten Menschenart erfüllt sich jedoch erst in der modernen Welt, die durch die anti-agrarische Revolution zur Verstädterung und Mobilmachung der Lebensformen führt. Mit dem Ende der seßhaften Zivilisationen beginnt für das Konzept Heimat ein Weltalter der permanenten Krise.
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Wir wollen diese großräumigen historischen Beobachtungen in die Frage übersetzen, wie gegenwärtige Menschen in den mobilisierten Ländern der Moderne ihr Bewußtsein von den Bedingungen des Wohnens an die gewandelten Verhältnisse angepaßt haben. Tatsächlich hat die moderne Welt eine neue Politik des Raumes hervorgebracht und eine eigentümliche Dynamik des Wohnens geschaffen. In unserer Epoche stellen sich alle Fragen der sozialen und personalen Identität unter dem Gesichtspunkt, wie in geschichtlich bewegten, risikoreichen Großwelten überhaupt so etwas wie lebbare Formen des Wohnens oder des Bei-sich- und-den-Seinen-Seins eingerichtet werden können. Im philosophischen Sinne bedeutet "Wohnen" an einem "räumlichen Immunsystem" teilhaben; mit den Worten von Hermann Schmitz: "Kultur der Gefühle im umfriedeten Raum".
Die aktuelle Globalisierungsnervosität spiegelt die Tatsache wider, daß mit dem Nationalstaat das bisher größtmögliche politische Wohnverhältnis - gleichsam das Wohn- und Konferenzzimmer der demokratischen Völker (oder Volks-Einbildungen) - zur Disposition gestellt ist und daß es eben in diesem Nationalwohnzimmer hier und dort schon ziemlich unangenehm zieht. Es war, wie man im Rückblick deutlicher erkennt, die Kulturleistung des modernen Nationalstaats gewesen, für die Mehrheit seiner Bewohner eine Art von Häuslichkeit, jene zugleich imaginäre und reale Immunstruktur, bereitzustellen, die als Konvergenz von Ort und Selbst oder als regionale Identität, im günstigen Sinn des Wortes, erlebt werden konnte. Diese Leistung wurde am eindrucksvollsten dort erbracht, wo die wohlfahrtsstaatliche Zähmung des Machtstaates am besten gelungen war. Durch die Globalisierung wird dieser politisch-kulturelle Häuslichkeitseffekt angetastet - mit dem Ergebnis, daß zahllose Bürger moderner Nationalstaaten sich auch zu Hause nicht mehr bei sich selbst und auch bei sich selbst sich nicht mehr zu Hause fühlen.
Die immunologische Konstruktion von politisch-ethnischer Identität ist offenkundig in Bewegung geraten. Es zeigt sich immer deutlicher, daß die Verbindung von Ort und Selbst nicht unter allen Umständen so stabil ist, wie es in den politischen Folkloren des Territorialismus - von den archaischen und antiken Ackerbaukulturen bis zum modernen Nationalstaat - gefordert und vorgespiegelt worden war. Wird die Verflechtung von Orten und Selbsten gelockert oder aufgelöst, so können zwei extreme Positionen hervortreten, an denen sich die Struktur des sozialen Feldes in gleichsam experimenteller Deutlichkeit ablesen läßt: die eines Selbst ohne Ort und die eines Orts ohne Selbst.
Es liegt auf der Hand, daß alle real existierenden Gesellschaften ihren Modus vivendi bisher immer in der irgendwo Mitte zwischen den beiden Polen - idealtypisch wohl im größtmöglichen Abstand zu den Extremen - suchen mußten, und man versteht leicht, daß auch in Zukunft jede reale politische Gemeinschaft eine Antwort auf den Doppel-Imperativ der Selbst-und-Ort-Bestimmung wird geben müssen.
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Dem ersten Extrem: dem der Loslösung des Selbst vom Ort, nähert sich am meisten wohl das Diaspora-Judentum der vergangenen zweitausend Jahre an, von dem nicht zu Unrecht hat gesagt werden können, es sei ein Volk ohne "Grund" gewesen. Heinrich Heine hat diesen Sachverhalt auf die Pointe gebracht, die Juden seien nicht in einem Land, sondern in einem Buch zu Hause - in jener Thora, die von ihnen wie ein "portatives Vaterland" mitgeführt wurde. Diese so elegante wie tiefsinnige Bemerkung rückt einen zu selten bemerkten allgemeingültigen Umstand ins Licht: "Nomadisierende" oder "deterritorialisierte" Gruppen konstruieren ihre symbolische Immunität und ihre ethnische Kohärenz nicht, oder nur in Nebenaspekten, von einem tragenden Boden her; vielmehr fungieren ihre Kommunikationen untereinander unmittelbar als ein "autogenes Gefäß"*, in dem sich die Teilnehmer selbst enthalten und in dem sie "in Form" bleiben, während sich die Gruppe durch äußere Landschaften bewegt.
In autogenen Gefäßen oder starken Gemeinschaften wird der Vorrang der Innenbeziehungen vor der Territorialität unmittelbar erlebt. Ein landloses Volk kann nicht dem Trugschluß erliegen, der sich durch die gesamte Weltgeschichte den seßhaften Völkern aufgezwungen hat: das Land selbst als den Volksbehälter zu verstehen und den eigenen Boden als das Prinzip ihres Lebenssinns oder ihrer Identität aufzufassen.
Diese "territorial fallacy" (der Trugschluß vom Territorium auf den Besitzer) gehört zu den bis heute wirksamsten und problematischsten Erbstücken des seßhaften Weltalters, weil an ihr der Grundreflex aller scheinbar legitimen politischen Gewaltanwendung, die sogenannte "Landesverteidigung" sich festmacht. Sie beruht auf der obsessiven Gleichsetzung von Ort und Selbst - dem ursprünglichen Denkfehler der territorialisierten Vernunft. Dieser schicksalsmächtige Fehler wird zunehmend bloßgestellt, seit eine historisch beispiellose Woge transnationaler Mobilität dafür sorgt, daß Völker und Territorien allerorts ihre Liaison miteinander relativieren. Für die avancierte Moderne ist der Trend zum multilokalen Selbst charakteristisch - ebenso wie der zum polyethnischen oder "denationalen" Ort. Wenn die Modernen also von Heimat sprechen, so meinen sie ihren Ausgangspunkt für Bewegungen im offenen Erdraum und nicht mehr die unentrinnbare regionale Klausur von einst.
Auf diesen auch theoretisch interessanten Sachverhalt hat jüngst der indo-amerikanische Kulturanthropologe Arjun Appadurai mit seiner Konzeptschöpfung des "ethnoscape" aufmerksam gemacht. Unter diesem Begriff lassen sich Sachverhalte wie die fortschreitende "Enträumlichung" (Deterritorialisation) von ethnischen Bezügen, die Herausbildung von "imaginären Gemeinschaften" außerhalb der Nationen und die imaginäre Teilhabe unzähliger Individuen an den Bildern von Lebensformen anderer Nationalkulturen in den Blick nehmen**. Auf diese Weise wird beschreibbar, wie das moderne Wohnen Entwurzelungen und Bodenberührungen miteinander verbindet. Was das Judentum während seiner Exilsperiode anbelangt, so hatte seine Provokation darin bestanden, daß es den Völkern der westlichen Hemisphäre fortwährend das scheinbare Paradoxon und wirkliche Skandalon eines faktisch existierenden Selbst ohne Ort vor Augen hielt.
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Am anderen Pol tritt den Zeitgenossen das Phänomen Ort ohne Selbst unter immer augenfälligeren Formen ins Bild. Die von Menschen unbewohnten Erdregionen sind hierfür zunächst exemplarisch: die weißen Wüsten (Polarwelt), die grauen (Hochgebirge), die grünen (Urwälder), die gelben (Sand) und die blauen Wüsten (Ozeane). Aber die äußeren Wüsten bleiben im gegebenen Kontext von geringerem Interesse als jene quasi-sozialen Orte, an denen zwar Menschen zusammenkommen, ohne jedoch ihre Identität an die Lokalität binden zu wollen oder zu können. Das gilt für alle Transit-Räume im engeren und weiteren Sinn des Wortes; seien es Örtlichkeiten, die für den Verkehr bestimmt sind wie Bahnhöfe, Häfen und Flughäfen, Straßen, Plätze und Einkaufszentren; seien es Anlagen, die für limitierte Aufenthalte entworfen sind wie Feriendörfer oder Tourismusstädte, Werksgelände oder Nachtasyle.
Solche Orte mögen wohl ihre eigenen Atmosphären haben - doch existieren sie nicht in Abhängigkeit von einer regulären Bewohnerschaft oder einem kollektiven Selbst, das in ihnen verwurzelt wäre. Es ist ihnen eigentümlich, ihre Besucher und Passanten nicht zu halten. Sie sind die abwechselnd überlaufenen und ausgestorbenen Niemandsorte, die Transit-Wüsten, die in den entkernten Zentren und an den hybriden Peripherien der zeitgenössischen Gesellschaften wuchern.
An solchen Gesellschaften erkennt man nun ohne weiteren analytischen Aufwand, daß ihre bisherige Normalität - das Leben in massiven regionalen oder nationalen Containerverhältnissen (mitsamt ihren spezifischen ethnozentrischen Phantasmen und Narzißmen) - durch die globalisierenden Tendenzen auf dezisive Weise angetastet wird. Die unvordenkliche Lizenz zur Verwechslung von Land und Selbst läßt sich nicht unbegrenzt verlängern. Denn auf der einen Seite lockern moderne Gesellschaften ihre Ortsbindungen, indem große Populationen sich eine geschichtlich beispiellose Mobilität aneignen; auf der anderen vermehren sich dramatisch die Zahl der Transit-Orte, zu denen für die Menschen, die sie frequentieren, kein wohnendes Verhältnis möglich ist.
Somit nähern sich die globalisierenden und mobilisierenden Gesellschaften gleichzeitig sowohl dem "nomadischen" Pol an, einem Selbst ohne Ort, als auch dem Wüstenpol, einem Ort ohne Selbst - mit einem schrumpfenden Mittelgrund auf gewachsenen Regionalkulturen und ortstreuen Zufriedenheiten.
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Die Formkrise der modernen Massengesellschaften, die aktuell zumeist als Krise der Nationalstaatlichkeit diskutiert wird, geht also von der fortgeschrittenen Erosion der ethnisch-regionalen Container-Funktionen aus. Was bislang unter "Volk" oder "Gesellschaft" verstanden und mitverstanden wurde, war tatsächlich meistens nichts anderes als der Inhalt eines starkwandigen, territorialen, symbolgestützten, meistens einsprachigen Behälters - mithin ein Kollektiv, das in einer gewissen nationalen Geschlossenheit seine Selbstgewißheit fand und das in seinen (für Fremde kaum je ganz verständlichen) eigenen Redundanzen schwang. Solche historischen Gemeinschaften, die sich am Schnittpunkt von Selbst und Ort aufhielten, die sogenannten Völker, waren wegen ihrer Selbst-Container-Eigenschaften meist auf ein hohes Gefälle zwischen Innen und Außen angelegt (ein Sachverhalt, der sich in vorpolitischen Kulturen als naiver Ethnozentrismus, auf der politischen Stufe in der substantiellen Differenz des Innen- und des Außenpolitischen abzubilden pflegte). Aber eben diese Differenz und dieses Gefälle werden durch Globalisierungseffekte heute zunehmend eingeebnet, und die Immunsituation der National-Container wird von den Nutznießern der früheren Verhältnisse in steigendem Maß als problematisch erlebt. Zwar wünscht sich kaum jemand, der die Vorzüge moderner Freizügigkeit kennengelernt hat, im Ernst die militanten Klausuren der älteren Nationalstaatlichkeit zurück, geschweige denn die totalitären Selbsthypnosen, die für tribale Lebensformen oft charakteristisch waren; doch sind zahlreichen Zeitgenossen Sinn und Risiko des Trends hin zu einer Welt der dünnwandigen und durchmischten Gesellschaften weder verständlich noch willkommen.
Globalisierung, sagt Roland Robertson richtig, ist ein von Protest begleiteter Vorgang (a basically contested process)*. Aber der Protest gegen die Globalisierung ist auch die Globalisierung selbst - er gehört zur unvermeidlichen, unentbehrlichen Immunreaktion der lokalen Organismen gegen die Infektionen durch das höhere Weltformat.
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Die psychopolitische Herausforderung des Globalen Zeitalters besteht darin, die Schwächung der traditionellen ethnischen Container-Immunitäten nicht nur als Formverlust und Dekadenz (das heißt als ambivalente oder zynische Beihilfe zur Selbstzerstörung) zu verarbeiten. Was für die Postmodernen wirklich auf dem Spiel steht, sind erfolgreiche Designs von lebbaren Immunverhältnissen: Und eben diese können und werden sich gerade in den Gesellschaften der durchlässigen Wände auf vielfältige Weise neu herausbilden - wenn auch, wie seit jeher, nicht bei allen und für jeden.
In diesem sozialsystemischen Kontext enthüllt der epochale Trend hin zu individualistischen Lebensformen seinen revolutionären immunologischen Sinn: Es sind heute in den avancierten Gesellschaften, vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte hominider und humaner Lebensformen, die Individuen, die als Träger von Immuneigenschaften sich von ihren (bis dahin vorrangig schützenden) Gesellschaftskörpern loslösen und massenhaft ihr Glück und Unglück abkoppeln wollen vom In-Form-Sein der politischen Kommune; diese Tendenz verkörpert sich wohl am klarsten in der Pilotnation der westlichen Welt, den USA, wo das individualistische Konzept, "persuit of happiness", seit 1776 nominell den Gesellschaftsvertrag fundiert; die zentrifugalen Wirkungen dieser Orientierung am Glück des einzelnen wurden bislang durch kommunitarische und zivilgesellschaftliche Energien kompensiert, so daß die traditionelle immunologische Priorität der Gruppe vor ihren Mitgliedern sich auch in dem synthetischen Volk der US-Amerikaner zu verkörpern schien.
Inzwischen aber haben sich die Vorzeichen umgekehrt: In keinem Land der Erde, in keiner Population, keiner Kultur, wird so viel biologische, psychotechnische und religioide Selbstsorge auf der Ebene der einzelnen betrieben bei gleichzeitig wachsender Abstinenz von politischen Engagements. Die letzten Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten sahen zum ersten Mal eine Beteiligung von unter 50 Prozent, und bei den jüngsten Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Senat (November 1998) blieben grob gerechnet zwei von drei Stimmbürgern den Wahllokalen fern (wobei Experten die Wahlbeteiligungsquote von knapp 38 Prozent noch für ein relativ gutes Ergebnis hielten).
Das verrät eine Situation, in der die Mehrheit der einzelnen sich von den Schicksalen ihrer politischen Kommune desolidarisieren zu können glaubt - und zwar unter dem Eindruck der gutbegründeten Vorstellung, daß der einzelne sein immunologisches Optimum von jetzt an nicht mehr (oder nur noch in Ausnahmefällen) in seinem nationalen Kollektiv, vielleicht noch partiell in den Solidarsystemen seiner "Minderheit" oder seiner community, am klarsten jedoch in privaten Versicherungsarrangements findet, seien diese religioider, diätetischer, gymnastischer, assekuranztechnischer Natur.
Das Axiom der individualistischen Immun-Ordnung greift in den Massen selbstzentrierter einzelner wie eine neue vitale Evidenz um sich: daß letzlich niemand für sie tun wird, was sie nicht für sich selber leisten. Die neuen Immunitätstechniken empfehlen sich als Existential-Strategien für Gesellschaften aus Einzelnen, bei denen der Lange Marsch in die Flexibilisierung, die Schwächung der "Objektbeziehungen" und die generelle Lizensierung von untreuen oder reversiblen Verhältnissen zwischen Menschen und Orten sein logisches Ende erreicht hat.
In einer solchen Welt wird die alte Emigrantenweisheit: ubi bene ibi patria, für alle verbindlich. Denn die Heimat als Ort des guten Lebens läßt sich immer weniger einfach dort vorfinden, wo man durch den Zufall der Geburt schon ist. Sie muß, wo immer man sei, durch Lebenskünste und kluge Allianzen fortwährend neu erfunden werden.
Peter Sloterdijk
Peter Sloterdijk, 52, lehrt als Professor für Philosophie an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung und der Wiener Akademie der bildenden Künste. Mit seinem Bestseller "Kritik der zynischen Vernunft" (1983) hatte sich Sloterdijk als der an- und aufregendste Gesellschaftsphilosoph der Bundesrepublik etabliert. Im vergangenen Jahr erschien der erste Band seines dreibändigen Opus magnum "Sphären".