Ein Hauch von Jugendschutz
Die Programmierer der texanischen Firma Apogee lieben es brutal. In ihrer neuesten Spiele-Software darf mit herausgerissenen Herzen geworfen oder ein Gegner aufgepumpt werden, bis er zerplatzt. Die digitalen Prügelorgien sind Bestseller, und in gekürzter Fassung können sie sogar kostenlos kopiert werden.
Gewalt geht gut auf dem Markt der Computerspiele. Der New Yorker Hersteller "Acclaim" beispielsweise verkaufte weltweit über sechs Millionen Exemplare der Bildschirm-Schlägerei "Mortal Kombat", bei der dem Gegner der Kopf samt Rückgrat abgerissen werden darf. Einen "Riesenbedarf" konstatiert Acclaim-Sprecherin Allyne Mills hocherfreut.
Brutale Ballerspiele wie "Doom", das auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften landete, stehen wochenlang auf den Hitlisten einschlägiger Spielezeitschriften. Trotz Vertriebsverbots können auch Jugendliche die Sado-Games bekommen: über Mailboxen, wenn nötig aus dem Ausland.
Mit Prüfsiegeln, wie sie in der Filmindustrie von der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) vergeben werden, versuchen nun deutsche Anbieter, einen Hauch von Jugendschutz zu suggerieren. Per Vertrag verpflichteten sich die Mitglieder des Verbands der Unterhaltungssoftware Deutschland (VUD), neue CD-Spiele einem Berliner Gutachtergremium vorzulegen. Träger des 23köpfigen Gremiums - darunter ein Schulrat, ein ehemaliger Stadtjugendpfarrer, Kita-Erzieher, Lehrer und Journalisten - ist der Berliner Förderverein für Jugend- und Sozialarbeit. Dessen Geschäftsführer Klaus Spieler nennt das Gremium "ein Zweckbündnis von Jugendschützern und Industrie".
Rund 600 Programme wurden bisher geprüft und mit dem Siegel der "Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle" (USK) versehen. Zwei Drittel verstießen mehr oder weniger gegen Jugendschutzbestimmungen. Sieben Prozent, so USK-Organisator Thomas Dlugaiczyk, wurden als "nicht geeignet unter 18 Jahren" eingestuft. Zumindest in den Regalen von Karstadt, Allkauf oder Kaufhof sind solche Spiele auch nicht mehr zu finden.
Trotzdem haben die gelb-weißen Vierecke der USK nicht mehr Relevanz als der grüne Punkt, der meist direkt daneben klebt: Die Alterseinstufung ist rechtlich unverbindlich, und sie orientiert Eltern allenfalls darüber, ob ein Spiel für ihr Kind unbedenklich ist. Ob sich ein komplexes Spiel wie "Aufschwung Ost" (keine Altersbeschränkung) dagegen für Achtjährige eignet, ist der Plakette nicht zu entnehmen.
Für zusätzliche Verwirrung bei deutschen Kunden sorgt die in Großbritannien beheimatete USK-Konkurrenz "Elspa". Elspa-Empfehlung im Fall des Science-fiction-Abenteuers "Cyberia": geeignet ab 3 Jahren - die USK gibt die Weltraum-Software ab 12 frei, obwohl die Spieler auf filmähnlich animierte Menschen schießen müssen, was laut USK-Richtlinien eigentlich erst ab 16 zulässig ist. Gewalt werde "im Ausland eben wesentlich weniger streng bewertet als bei uns", sagt Dlugaiczyk.
Elektronische Blutorgien der US-Softwarefirmen Apogee oder id-Software entziehen sich der Bewertung der Berliner Prüfer völlig. Solche als Shareware vertriebene Schnupperversionen von Horrorspielen können "schon aus Kapazitätsgründen nicht begutachtet" (USK-Mitarbeiterin Christine Schulz) werden. Auch Diskettenversionen von Spielen werden nicht geprüft: Die USK-Siegel kleben nur auf CDs, weil die als "Bildträger" im Sinne des Jugendschutzgesetzes angesehen werden können.
PCs allerdings sind - anders als die Heimcomputer vor zehn Jahren - nicht mehr allein eine Domäne Jugendlicher, meint Thilo Geisler, Computerspezialist der Berliner Senatsjugendverwaltung. Wenn also Eltern zusammen mit ihren Kindern Unterhaltungssoftware auswählen, sei Jugendschutz quasi automatisch gewährleistet. Populäre Spiele wie "SimTower", bei dem ein elektronischer Wolkenkratzer zu bauen ist, "Oldtimer" oder "Theme Park", die die Frühzeit der Autoindustrie oder einen Vergnügungspark simulieren, und friedliche Abenteuer wie "Erben der Erde" zeigen, daß es auch ohne Gewalt geht.
Ulrich Horb
In der Reihe "Computerspiele auf dem Prüfstand" hat die Bundeszentrale für politische Bildung (Referat Neue Medien, Postfach 2325, 53013 Bonn) eine Loseblattsammlung mit ausführlichen Beschreibungen verschiedener Computerspiele herausgegeben; Verfasser sind die Kölner Medienpädagogen Wolfgang Fehr und Jürgen Fritz.