Schaden! Ersatz?
Wer zum Arzt geht, hat Rechte: Der staatlich examinierte Profi muss aufklären über Risiken und Behandlungsalternativen, und er haftet, wenn ihm ein Fehler unterläuft. Doch was gilt bei alternativen Therapien in der Obhut von Heilern, die gar keine Ärzte sind?
Im Prinzip nichts anderes: "Die Rechte und Pflichten eines Patienten sind unabhängig von der Therapiewahl", sagt der Münchner Rechtsanwalt Rudolf Ratzel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein.
Doch das gilt nur, wenn der Heiler überhaupt als solcher zugelassen ist. Neben Ärzten mit gültiger Approbation dürfen nämlich im Prinzip nur Heilpraktiker und Hebammen hierzulande Menschen medizinisch behandeln. Trotzdem bieten immer wieder auch Unbefugte ihre Dienste an - so besitzen in Deutschland tätige Chiropraktiker oft nur ein US-amerikanisches Diplom. Weil das hierzulande nicht ausreicht, sind solche Behandlungsverträge von vornherein unwirksam, der Patient müsste also nichts bezahlen.
Anders liegt der Fall, wenn der "Heiler" von vornherein ausdrücklich klarmacht, dass er nicht medizinisch, sondern "spirituell wirkt" und auf "etwas von einer Heilbehandlung Verschiedenes" zielt, wie das Bundesverfassungsgericht Anfang 2004 entschied: Weiß der Klient, dass der Besuch beim Heiler "eine ärztliche Behandlung nicht ersetzt", dann ist er zahlungspflichtig.
In der Wahl ihrer Therapiemethoden sind sowohl Ärzte als auch Heilpraktiker relativ frei - diese müssen nur prinzipiell "geeignet" sein: "Es kommt darauf an, dass man die Grunderkrankung kennt und dass die Therapie zumindest nach einer vertretbaren Auffassung helfen kann", erklärt Medizinrechtler Ratzel. Dabei zählen nicht die Maßstäbe der Wissenschaft, sondern eher Konventionen: Homöopathie, anthroposophische Methoden und selbst Bachblütentherapie sind danach zulässig, das "Auspendeln" von Krebs ist es dagegen nicht.
Keinesfalls jedoch darf der Alternativmediziner oder Heilpraktiker "beim Patienten eine ungerechtfertigte Erwartungshaltung wecken oder gar seine Methode als das ,Nonplusultra' darstellen", warnt Anwalt Ratzel. Der Patient könnte in einem solchen Fall die Bezahlung verweigern - oder sogar Schadensersatz verlangen, falls sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, obwohl ihm die Schulmedizin rechtzeitig hätte helfen können.
Es kommt allerdings auf den Einzelfall an. Das Landgericht München gab 2009 einem Arzt recht, der eine Lebererkrankung homöopathisch behandelt hatte. Die Behandlung schlug nicht an, die Patientin erlitt eine Leberzirrhose und benötigte eine Lebertransplantation. Trotzdem, so die Richter, hatte der Homöopath nichts falsch gemacht: Die von der Patientin gewünschte homöopathische Therapie sei zunächst verantwortbar gewesen, mit der dramatischen Verschlechterung hätte der Arzt nicht rechnen müssen.
Am Ende sollte ein Patient immer im Kopf behalten: Behandlungsverträge sind sogenannte Dienstverträge - der Arzt oder Heilpraktiker schuldet dem Kranken also keinen "Erfolg", sondern nur, dass er ihn behandelt, nach den Regeln seiner Kunst.