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Job & Karriere

Ein Landwirt erzählt "Es gibt nicht viele Deutsche, die bei zwölf Grad im Regen Kohl schneiden"

Arbeiten am Wochenende und bei jedem Wetter: Ein Landwirt berichtet, warum er seinen Job trotzdem gern macht - und 1600 Euro netto für ihn viel Geld sind.
Von Katharina Meyer zu Eppendorf

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist in vielen Berufen jede Menge Platz. In der Serie "Das anonyme Job-Protokoll" erzählen Menschen ganz subjektiv, was ihren Job prägt - ob Tierärztin, Staatsanwalt oder Betreuer im Jobcenter.

"Ich habe mich recht spät entschieden, dass ich Bauer werden möchte. Da war ich 14.

Die meisten meiner Kollegen wussten schon mit 8 oder 9 Jahren, dass sie ihr Leben als Landwirt verbringen wollen. Aber das ist auch irgendwie naheliegend, wenn die Eltern Bauern sind und die Kindheit daraus besteht, mit Papa auf dem Trecker über die Felder zu heizen. Ich war da lieber mit meinen Freunden im Schwimmbad. Trotzdem erinnere ich mich gut daran, wie meine Schwester und ich uns einmal darum stritten, wer als Erstes aufs Gaspedal treten durfte. Unser Vater wäre damals fast aus dem Fahrerhäuschen gefallen.

Ich bin jetzt 26 Jahre alt. Wenn meine Eltern sich zur Ruhe setzen, werde ich den Hof übernehmen. Konkret heißt das: 180 Hektar Land in Nordhessen, eine Geflügelmast und eine Biogasanlage. Bis es so weit ist, arbeite ich als Angestellter im Betrieb mit und lerne so Schritt für Schritt, was in Zukunft auf mich zukommt.

1600 netto plus Kost und Logis

Dafür erhalte ich momentan etwa 1600 Euro netto im Monat. Für jemanden, der wie ich erst eine Ausbildung und dann ein Studium der Agrarwissenschaft abgeschlossen hat, klingt das nicht nach viel. Andererseits muss ich kein Geld für Miete, Essen oder ein Auto ausgeben - dann ist mein Gehalt mehr als ausreichend.

Manche finden es vielleicht komisch, dass ich nach meiner Ausbildung wieder nach Hause gezogen bin und täglich mit meinen Eltern zusammenarbeite. Bei Landwirten ist das aber ziemlich normal - und wir kommen zum Glück gut miteinander aus.

Saisonkräfte als Erntehelfer

Auf dem Hof sind wir zu viert: meine Eltern, ein Auszubildender und ich. In der Erntezeit kommen Saisonkräfte dazu, die meisten stammen aus Polen oder Rumänien. Es gibt leider nicht viele deutsche Arbeiter, die bei zwölf Grad im Regen Kohl schneiden möchten.

Einmal haben wir zusammen mit dem Arbeitsamt versucht, das zu ändern. Wir stellten Leute aus der Umgebung an. Doch nach drei Stunden hatten die keine Lust mehr und legten die Arbeit nieder.

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Das anonyme Jobprotokoll: So sieht der Alltag wirklich aus

Ich selbst stehe nur selten auf dem Feld. Mein Tag beginnt und endet mit einem Rundgang durch die Putenställe. Dazwischen spreche ich mit Futterlieferanten und Handwerkern, diskutiere mit Kollegen über Fotovoltaik-Technik oder plane, was und wie viel wir im nächsten Jahr anbauen können.

Wochenende? Fehlanzeige

Ein klassisches Wochenende gibt es bei uns nicht, den Tieren ist es egal, ob ich sonntags gern mal lange schlafen möchte. Auf dem Acker bauen wir Weizen, Mais, Raps, Ackerbohnen, Hafer und Zuckerrüben an. Außerdem ziehen wir auf einem Teil der Fläche Kohl, der zu den sogenannten Sonderkulturen gehört. Die sind besonders arbeitsintensiv, können dafür aber auch einen höheren Preis erzielen.

Ich betrachte mich zu gleichen Teilen als Unternehmer und Naturschützer - obwohl wir »konventionelle Landwirtschaft« betreiben. Das heißt, dass wir auf unserem Acker nur zugelassene Saatgutsorten, Pflanzenschutz- und Düngemittel benutzen.

Konventionelle Landwirte vs. Biobauern

Mittlerweile probieren wir aber auch biologische Landwirtschaft aus. Noch können wir davon zwar nicht leben, der Biomarkt ist mit einem Anteil von sieben Prozent am Gesamtverbrauch sehr klein. Aber ich bin optimistisch, dass sich das bald ändert. Ich finde, dass dieser Wechsel auf lange Sicht nötig ist.

Denn nur weil Bauern mit und in der Natur arbeiten, heißt das leider nicht, dass sie sie immer schützen. Felder, die mit Insektiziden behandelt werden, vertreiben viele Insekten, die wichtig für das ökologische Gleichgewicht sind. Hier könnten Landwirte zum Beispiel Blühstreifen mit Blumen anlegen, damit die Tiere ihren Lebensraum nicht verlieren.

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Ausgabe 5/2018

Gesucht: Freunde
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Wir tragen große Verantwortung für unsere Umwelt. Ich engagiere mich deswegen auch in meinem Ort dafür, zwischen konventionellen und biologischen Landwirten zu vermitteln. Das ist zuweilen schwierig, weil manche konventionelle Bauern das Gefühl haben, sie würden an den Pranger gestellt.

Risikofaktor Wetter - und Gesetze

Gleichzeitig gibt es immer neue Regeln und Gesetze, die in die Arbeitswelt der Bauern eingreifen. Ein Beispiel: Wer Land an einem Bachlauf bewirtschaftet, muss seit diesem Jahr einen vier Meter breiten Rand lassen, der das Gewässer vor Verunreinigung durch Düngemittel oder Pestizide schützen soll. Das ist sinnvoll, kostet den Bauern aber auch ertragbringende Landfläche. Manche fühlen sich deshalb enteignet. Bei uns macht das zwei Prozent der gesamten Ackerfläche aus, nicht gerade wenig.

Dieser Konflikt zwischen Umweltschutz und wirtschaftlichem Nutzen ist manchmal schwer zu lösen. Denn durch das Wetter haben Landwirte ohnehin mit vielen Unsicherheiten zu kämpfen. Durch die Dürre in diesem Sommer haben wir fast 30 Prozent unseres Ertrags eingebüßt. Das war schon hart.

Trotzdem liebe ich meinen Beruf - und ich freue mich schon darauf, eines Tages mit meinen Kindern auf dem Trecker über die Felder zu heizen."

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