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Job & Karriere

Mein Leben als TV-Ermittler "Die Angst vor dem Serientod ist groß"

Gefährliche Verfolgungsjagden, lange Drehtage, immer weniger Geld: Ein Krimi-Schauspieler erzählt, wie es am Set wirklich abläuft - und warum er seiner Tochter einen anderen Job wünscht.
Filmteam am Set

Filmteam am Set

Foto: Stefan Sauer/ dpa

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist in vielen Berufen jede Menge Platz. In der Serie "Das anonyme Job-Protokoll"erzählen Menschen ganz subjektiv, was ihren Job prägt - ob Tierärztin, Staatsanwalt oder Betreuer im Jobcenter.

Viele denken, Fernsehen sei im Gegensatz zum Theater ganz entspannt: Man dreht halt, bis die Szene sitzt. Wir drehen Szenen tatsächlich mehrfach - aber nur, damit die Cutter sie hinterher aus möglichst vielen verschiedenen Perspektiven zusammenschneiden können. Die einzelnen Durchgänge müssen sofort passen. Wenn ich ständig den Text vergessen würde, wäre ich die längste Zeit Hauptdarsteller gewesen.

Ich spiele den Kommissar in einer bekannten deutschen Fernsehkrimiserie. Die Produktionsfirma kalkuliert mit 7,5 Drehtagen pro 45 Sendeminuten. An dieser Zahl sieht man schon, wie durchgetaktet das Geschäft ist. Ein Drehtag beginnt damit, dass ich mir zu Hause den Text anschaue. Jeder hat seine eigene Methode. Ich lerne visuell: Mir hilft es, den Text abzuschreiben, so prägt er sich gut ein. Um 9.30 Uhr ist Drehbeginn, oft bin ich eine Stunde früher da, weil ich noch in die Garderobe und Maske muss. Wir drehen unchronologisch: Erst den Schluss und dann den Anfang, in der Regel springen wir zwischen mehreren Episoden hin und her. Ich muss also gut im Stoff sein. Um 19.30 Uhr fällt die letzte Klappe, danach lerne ich den Text für den folgenden Tag.

In letzter Zeit habe ich das Gefühl, in der Produktion wird gespart, wo es nur geht. Wenn ein Schauspieler im Umkreis von 200 Kilometern des Drehorts wohnt, lässt man ihn lieber um sechs Uhr in der Früh in den Zug steigen, statt eine Hotelübernachtung bezahlen zu müssen.

Ich glaube, die vielen nicht fiktionalen Sendungen im TV haben die Serienproduktion unter Druck gesetzt. Man denke nur an die Quizsendungen und Castingshows: Die kosten wenig und bringen viel Quote. Also verlangt man auch von uns, immer billiger zu produzieren. Und irgendwo müssen die Sender das Geld für die extrem teuren Sportübertragungsrechte ja hernehmen.

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Leider geht das bei uns auf Kosten der Sicherheit. Wie unsere Verfolgungsjagden gedreht werden, ist manchmal richtig gruselig. Wir arbeiten ja meist in Innenstädten, wo sich auch andere Menschen und Fahrzeuge bewegen. Es fehlt allerdings an Personal, um alle Seitenstraßen und Hauseingänge im Auge zu behalten, aus denen jemand in die Szene laufen könnte. Da müssen drei Leute fünf Einfallmöglichkeiten abdecken. Die Kollegen haben wiederum zu wenige Walkie-Talkies, um mich im Wagen verständigen zu können, falls plötzlich ein Radfahrer irgendwo um die Ecke schießt und wir den Dreh stoppen müssen. Das heißt also: Der eine Aufpasser müsste dem anderen winken, damit der dann schnell "Achtung, Abbruch!" in sein Walkie-Talkie rufen kann.

Gleichzeitig sind wir Schauspieler dazu verpflichtet, uns an die Straßenverkehrsordnung zu halten. Natürlich dreht man keine vernünftige Actionszene auf Basis der Straßenverkehrsordnung. Der Regisseur sagt: "Tritt aufs Gas." Aber wenn etwas schiefgeht, tragen wir Darsteller die Verantwortung. Einmal ist ein anderer Schauspieler beinahe überfahren worden, weil wir in der Spielszene unterschätzt haben, wie lang der Bremsweg unseres Autos bei regennasser Fahrbahn ist. Was haben wir uns erschrocken! Aber Zeit, um kurz durchzuatmen, gab es nicht. Es ging direkt weiter. Die Uhr tickt.

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Das anonyme Jobprotokoll: So sieht der Alltag wirklich aus

Früher bekamen wir jedes Mal Geld, wenn eine Folge nach der Erstausstrahlung noch einmal gezeigt wurde. Aber der Sender hat peu à peu die Wiederholungshonorare gestrichen. De facto ist das eine Gagenkürzung. Bei mir haben die Wiederholungshonorare damals um die 30 Prozent des Gehalts ausgemacht. Das Thema war ein großer Aufreger, auch bei Kollegen aus anderen Serien. Am Ende haben wir die Verträge trotzdem unterschrieben. Die Angst war zu groß, dass der Sender eine aufmüpfige Besetzung einfach den Serientod sterben lässt, um ein Exempel zu statuieren.

Ich will mich nicht beschweren. Eine Hauptrolle in einer Primetime-Serie mit mehr als hundert Drehtagen bringt immer noch genug Geld zum Leben. Aber das Gros kommt gerade so über die Runden. Ein wirklich guter Kollege hat im vergangenen Jahr 17.000 Euro verdient - brutto. Wenn junge Schauspieler heute zu einem Casting eingeladen werden, müssen sie die Anreise aus eigener Tasche zahlen - für eine Rolle, die sie am Ende vielleicht nicht bekommen. Das ist doch nicht fair.

Wenn ich mit jungen Kollegen spreche, rate ich ihnen dringend, sich Gedanken über einen Zweitjob zu machen. Meine Tochter ist im Teenageralter und liebäugelt ebenfalls mit einer Schauspielkarriere. Ausreden will ich ihr das nicht. Aber als Vater ein bisschen auf die Bremse zu treten, das kann bei diesem Job nicht schaden.

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