Nebenjobs für Studenten "Studentische Hilfskräfte verdienen zu wenig"

SPIEGEL: Rund 400.000 studentische Hilfskräfte arbeiten an deutschen Hochschulen, die Jobs sind begehrt. Wo liegt das Problem?
Andreas Keller: Es wird zu wenig bezahlt, deutlich zu wenig. Vor allem da es sich in der Regel um eine Tätigkeit handelt, die wissenschaftliche Erfahrung oder sogar einen Bachelorabschluss voraussetzt.
SPIEGEL: Wie viel verdienen Studenten?
Keller: Das ist sehr unterschiedlich. Mittlerweile müssen sie wenigstens den Mindestlohn erhalten, 9,19 Euro brutto pro Stunde. Die Länder haben jedoch eine Obergrenze festgelegt, an die sich die Hochschulen halten müssen: Hilfskräfte ohne Studienabschluss, also vor allem Bachelor-Studierende, sollen in Westdeutschland höchstens 10,27 Euro pro Stunde erhalten, im Osten 9,87 Euro.
SPIEGEL: Wozu eine Höchstgrenze?
Keller: Die Länder wollen die Kosten senken und verpflichten die Hochschulen daher zu dieser Grenze, damit die nicht auf die Idee kommen, doch mehr zu bezahlen. Das führt letztlich zu einer Ausbeutung der Hilfskräfte.
SPIEGEL: Wo ist die Situation am schlimmsten?
Keller: Fachhochschulen zahlen in der Regel weniger als Universitäten. Außerdem sind die Gehälter im Osten Deutschlands und in Bayern im Vergleich besonders gering. Dabei steht Bayern finanziell gut da! Um die Bandbreite klar zu machen: An der Uni Bamberg bekommen studentische Beschäftigte nur 9 Euro die Stunde, in Berlin bald fast 13 Euro.
SPIEGEL: Warum bezahlt gerade Berlin so viel?
Keller: Dort sind die Hilfskräfte schon Ende der Achtziger auf die Straße gegangen und haben sich gewehrt, sodass die Gewerkschaften in Berlin 1986 einen Tarifvertrag durchsetzen konnten. Die dort festgelegten Löhne konnten wir nach einem mehrwöchigen Streik im vergangenen Jahr weiter erhöhen. So etwas gibt es bisher leider in keinem anderen Bundesland.

Ausgabe 1/2019
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SPIEGEL: Was können Studierende tun, um ihre Lage zu verbessern?
Keller: Die Gewerkschaften haben es bisher nicht geschafft, gegenüber den Ländern genug Druck aufzubauen. Es ist nicht leicht, studentische Hilfskräfte für Protest zu begeistern. Es herrscht hohe Fluktuation, oft sind Studierende nur wenige Monate beschäftigt. Außerdem möchten viele nicht riskieren, ihren Job zu verlieren.
SPIEGEL: Oder ist die Not vielleicht doch nicht so groß? Wer kellnert, verdient meist noch weniger.
Keller: Natürlich gibt es Jobs, die schlechter bezahlt sind, aber auch solche, in denen Studierende deutlich mehr verdienen. Viele arbeiten auch an der Uni, weil sie hoffen, später eine Doktorandenstelle zu bekommen. Zwei Drittel der Studierenden arbeiten nebenbei, viele sind auf das Geld angewiesen. Bafög ist mittlerweile eine Randerscheinung. Nach unseren Berechnungen bekommen nur noch knapp 13 Prozent der Studierenden diese Förderung, im Schnitt gut 400 Euro.
SPIEGEL: Warum so wenige?
Keller: Die Bafög-Sätze und die Freibeträge der Eltern werden im Vergleich zur Inflation und zu den gestiegenen Lebenshaltungskosten viel zu langsam erhöht. Eigentlich brauchten viel mehr Studierende Bafög.