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Schiitenführer Sistani besteht auf allgemeinen Wahlen
Schiitenführer Sajjid Ali al-Sistani legt sich demonstrativ mit den USA an. Der Großajatollah fordert in einem SPIEGEL-Interview die Uno ultimativ auf, gegenüber Washington auf einen raschen Wechsel der Macht an eine frei gewählte irakische Regierung zu bestehen. Er verlangt zudem auf die Einführung der "Scharia", des islamischen Rechtssystems.
Hamburg - "Die Uno hat die USA ermächtigt, den Irak bis zum 30. Juni
2004 als Besatzungsmacht zu verwalten", sagte Sistani, religiöser Führer der Schiiten und einer der einflussreichsten Prediger
des Irak, in dem Interview des SPIEGEL, der am Samstag erscheint. Jetzt sei sie auch verpflichtet, den "Übergang
vom Besatzungsregime zur irakischen Souveränität genauestens zu überwachen".
Für den Fall, dass Wahlen "durch die Verzögerungstaktik der Besatzer" nicht mehr
rechtzeitig vor der Souveränitätsrückgabe durchgeführt werden können, stellte der
angesehene Imam aus der schiitischen Pilgerstadt Nadschaf seine Bedingungen
für einen Aufschub: So müssten die Wahlvorbereitungen "in einem kurzen Zeitraum
zu Ende geführt werden - und zwar auf Beschluss des Uno-Sicherheitsrates".
Eine
Resolution des Sicherheitsrats soll auch "Garantien enthalten, dass es keine weitere
Verzögerung der Wahlen gibt". Sistani, 73, der sich bisher nur selten in Interviews geäußert hat, bestand gegenüber
dem SPIEGEL auch auf der Einführung des islamischen Rechtssystems ("Scharia")
als Grundlage einer künftigen Verfassung.
Der populäre Kleriker, der unter dem Regime des gestürzten Despoten Saddam Hussein
mehrere Jahre unter Hausarrest stand, erhofft sich für die schiitische Bevölkerungsmehrheit
entscheidenden Einfluss auf die politische Zukunft seines Landes.
"Die Rechte religiöser Minderheiten", so Sistani in einem deutlichen Bekenntnis zu
einer pluralistischen Staatsverfassung, würden aber "dennoch geschützt".
Trotz dieser Versicherungen sind solche Vorstellungen eine direkte Herausforderung
Washingtons. Der US-Zivilverwalter in Bagdad, Paul Bremer, hatte erst vorige Woche
bekräftigt, er würde keine Verfassung unterschreiben, mit der an Euphrat und
Tigris ein Gottesstaat entstünde: Die Weltmacht befürchtet, dass - statt der angestrebten
Demokratie nach westlichem Vorbild - neben Iran auch im Irak ein Amerika-
feindliches Schiiten-Regime entstehen könnte.
Angesichts der amerikanischen Haltung warnte Sistani Washington vor weiterem
Taktieren. "Es darf nicht lange dauern", sagte der Prediger und drohte, nur wenig
verklausuliert, mit einer irakischen Intifada: "Das Volk weiß, wie es sich zu verhalten
hat." Sollte Amerika nicht auf seine Vorstellungen eingehen, will er die Iraker zur Intifada
aufrufen. Entsprechende Plakate sind bereits gedruckt und liegen im ganzen Land
zur Verteilung bereit.
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