Fischer erhielt in Visa-Affäre schon frühzeitig Warnungen von Innenminister Schily
In der Affäre über die Erschleichung von Visa an den deutschen Botschaften in Osteuropa haben Außenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Grüne) schon viel früher Warnungen erreicht als bisher bekannt. Wie das Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL berichtet, hat Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) schon zwei Tage nach Vorstellung des sogenannten Volmer-Erlasses im März 2000 einen Brandbrief an seinen Kabinettskollegen geschickt. "Der Erlass steht in Widerspruch zu der für alle Schengen-Staaten verbindlichen Gemeinsamen Konsularischen Instruktion, wonach der Visumantragsteller die Auslandsvertretung davon überzeugen muss, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verfügt und die Rückreise in das Herkunftsland gewährleistet ist", schrieb Schily. In dem Erlass, der die Unterschrift Fischers trägt und von Außenamtsstaatsminister Ludger Volmer angestoßen wurde, werden die deutschen Botschaften angewiesen, bei der Visa-Vergabe "im Zweifel für die Reisefreiheit" zu entscheiden. Er halte es für "vollkommen unangemessen", dass das Auswärtige Amt einen solch einschneidenden Erlass ohne Abstimmung mit dem Innenministerium auf den Weg bringt, klagte Schily und warnte eindringlich vor einer Zunahme der illegalen Einreise: "Die in dem Erlass niedergelegten Grundsätze für eine pauschal erleichterte Prüfung berücksichtigen ... nicht die Beschlusslage der Schengen-Staaten, der zufolge die Intensität der Prüfung primär vom Risiko illegaler Zuwanderung abhängt." Das Auswärtige Amt versuchte wenig später, die Sorgen des Innenministeriums zu zerstreuen, die Botschaften könnten den Erlass als Aufforderung zu einer laxeren Visa- Vergabe interpretieren: "Das von Ihnen vermutete Risiko, die deutschen Auslandsvertretungen könnten den Erlass hier möglicherweise missverstehen, sehe ich nicht", schrieb der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Gunter Pleuger, am 17. April 2000 an seinen Kollegen Claus Henning Schapper aus dem Innenministerium. Tatsächlich ist die Zahl der bewilligten Visa-Anträge nach Inkrafttreten des Volmer-Erlasses an der deutschen Botschaft in Kiew drastisch in die Höhe geschnellt.