Forsa-Chef Güllner sieht im Erfolg der Grünen eine Gefahr für die Demokratie

SPIEGEL: In Ihrem neuen Buch warnen Sie vor dem Einfluss der Grünen auf die Politik: Die "grüne Diktatur" gefährde "den zweiten Versuch, die Demokratie in Deutschland dauerhaft zu etablieren". Geht es nicht eine Nummer kleiner?

Güllner: Vielleicht. Aber diese Sorge ist tatsächlich die Quintessenz meiner Beobachtungen. Seit Gründung der Bundesrepublik habe ich verfolgt, wie mühsam die Deutschen zu Demokraten geworden sind. Deswegen bin ich extrem sensibel, wenn ich die Demokratie gefährdet sehe.

SPIEGEL: Sie beschreiben die Grünen fast, als wären sie die neuen Nazis. Die Partei habe anfangs "gegen einen pragmatischen Politikstil und gegen die sich den Notwendigkeiten der Moderne öffnende Gesellschaft" gekämpft.

Güllner: Ich will die Grünen um Gottes willen nicht mit den Nazis vergleichen. Doch rein soziologisch betrachtet, entstammte der ursprüngliche Nukleus dieser Bewegung in der Weimarer Zeit und später der Grünen-Bewegung dem gleichen antimodernen Segment der Gesellschaft, einem radikalisierten Teil der deutschen Mittelschicht.

SPIEGEL: Sie behaupten, dass die Grünen die Wähler von den Urnen vergraulen und diese schrumpfende Wahlbeteiligung die Demokratie unterminiert. Wie kommen Sie darauf?

Güllner: Bei kommunalen Wahlen gibt es schon einen eindeutigen Zusammenhang: Je höher der Stimmenanteil der Grünen, umso niedriger die Wahlbeteiligung. Auch im internationalen Vergleich ist auffällig: Nirgendwo in den westlichen Staaten sank die Wahlbeteiligung in den vergangenen 30 Jahren so stark wie in Deutschland. Gleichzeitig wurden die Grünen hier besonders stark.

SPIEGEL: Worin liegen die Ursachen dieser Entwicklung?

Güllner: Die Grünen leiten aus ihren Prozenten einen angeblichen Auftrag zum Umkrempeln der Politik ab, der massenweise Wähler der unteren sozialen Schichten verprellt. In Baden-Württemberg hat Winfried Kretschmann voriges Jahr knapp 16 Prozent aller Wahlberechtigten hinter sich versammelt, leitet aber daraus ein Mandat für einen radikalen Politikwechsel ab. Kein Wunder, wenn sich da viele nicht mehr vertreten fühlen.

SPIEGEL: Grüne Positionen sind heute aber vielfach Mehrheitspositionen, das räumen Sie selbst ein.

Güllner: Die Grünen haben sich immer als die Gutmenschen präsentiert, die für Umweltschutz, Frieden und Frauenrechte sind. Wer kann schon dagegen sein? Da haben sich die anderen Parteien angepasst. Die Grünen erhielten zudem massive Unterstützung von Wissenschaftlern und einem großen Teil der deutschen Massenmedien. Diese wissenschaftlich-mediale Unterstützung lässt die Grünen größer wirken, als sie sind.

SPIEGEL: Werfen Sie das den Grünen vor?

Güllner: Diese Kritik gilt eher den Volksparteien. Die sind zu grün geworden, sehr zum Verdruss ihrer eigenen Stammwähler. Für die Grünen gilt: Sie vertreten nur eine Minderheit von sieben bis acht Prozent der Gesamtbevölkerung und sollten nicht so tun, als wären sie auch nur im Ansatz eine Volkspartei. Ihr Einfluss ist so gesehen unangemessen groß.

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