Christen, Muslime, Juden Drei Weltreligionen, ein Gott

Auf welchem Fundament stehen Judentum, Islam und Christentum? Die drei Weltreligionen eint mehr als sie trennt. Was genau das ist? Hier der Überblick.
Orthodoxe Juden am Strand von Tel Aviv

Orthodoxe Juden am Strand von Tel Aviv

Foto: Abir Sultan/ dpa
Muslimische Gläubige vor dem Felsendom in Jerusalem

Muslimische Gläubige vor dem Felsendom in Jerusalem

Foto: AMMAR AWAD/ REUTERS

Der Islam - ein Gott, sein Prophet, sein Gesetz

Mit rund 1,6 Milliarden Gläubigen ist der Islam heute nach dem Christentum die zweitgrößte und am stärksten expandierende Weltreligion. Auf dem Gebiet des heutigen Deutschland gibt es muslimische Spuren schon seit dem 17. Jahrhundert. Die ersten muslimischen Vereine wurden in den Zwanzigerjahren in Berlin gegründet. In der Bundesrepublik stieg die Zahl der Muslime dann spürbar an - durch Arbeitsmigranten aus der Türkei, dem damaligen Jugoslawien und Nordafrika, zuletzt durch syrische und afghanische Flüchtlinge.

Heute leben rund fünf Millionen Muslime im Land, damit ist der Islam auch hier die Religion mit den meisten Anhängern nach dem Christentum. Die Mehrheit sind Sunniten, gefolgt von Aleviten und Schiiten. Die meisten sind ausländische Staatsbürger.

Foto: DER SPIEGEL

Allen muslimischen Konfessionen gemeinsam ist der Glaube an einen einzigen Gott und an den Propheten Mohammed als göttlichen Gesandten. Der Religionsstifter lebte im 6. und 7. Jahrhundert auf der Arabischen Halbinsel.

Das Bekenntnis zu ihm und dem einen Gott ist die erste der fünf Grundpflichten des Islam.

Dazu kommen das fünfmal täglich zu verrichtende Ritualgebet, das Fasten im Monat Ramadan, das Pflichtalmosen und die Wallfahrt nach Mekka. Der Genuss von Alkohol und Schweinefleisch ist ebenso verboten wie Glücksspiel und Unzucht.

Da das erste islamische Gemeinwesen, dem Mohammed vorstand, Glaubensgemeinschaft und Staat zugleich war, enthält die Heilige Schrift des Islam, der Koran, auch politische Anweisungen und Regelungen des Familien-, Erb- und Strafrechts. Diese enge Verbindung von Staat und Religion wirkt in Teilen der islamischen Welt bis heute fort; verschiedene fundamentalistische Bewegungen streben danach, die Einheit von Politik und Religion auf Grundlage des islamischen Rechts ("Scharia") durchzusetzen.

In Deutschland bejaht die Mehrheit der Muslime jedoch das Grundgesetz sowie das hier übliche partnerschaftliche Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften. Dennoch begegnen viele Deutsche dem Islam mit großem Unbehagen. Nur rund ein Fünftel findet, der Islam gehöre inzwischen zu Deutschland wie das Christentum. Immerhin gab bei einer Umfrage 2013 mehr als jeder Dritte an, mit einem Muslim bekannt oder befreundet zu sein.

Und auch beim Thema islamischer Religionsunterricht gibt es nach langem Hin und Her Fortschritte: 2012 hat Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland islamischen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach eingeführt.

Grabeskirche in Jerusalem

Grabeskirche in Jerusalem

Foto: AMMAR AWAD/ REUTERS

Das Christentum - in der Nachfolge des Gottessohns

Vor 2000 Jahren zog Jesus Christus als jüdischer Wanderprediger durch Galiläa. Nach seiner Hinrichtung um das Jahr 30 in Jerusalem verbreitete sich das Christentum im Römischen Reich. Kaiser Theodosius erklärte den neuen Glauben im Jahr 380 zur Staatsreligion. Eroberer und Missionare trugen das Christentum in alle Welt. Seine wesentlichen Inhalte sind: Monotheismus, das Bekenntnis zu Jesus Christus, moralische Normen wie etwa Barmherzigkeit und Nächstenliebe sowie die Hoffnung auf Erlösung. Wichtigste Besonderheit ist die strenge Orientierung an Christus als "Heilsvermittler".

Während des Mittelalters kam es zum Schisma zwischen lateinischer und orthodoxer Richtung. Im 16. Jahrhundert spaltete sich die lateinische Richtung durch die Reformation in die evangelische und die katholische Kirche auf. Heute zählen rund zwei Milliarden Menschen zur Christenheit, neben Katholiken, Protestanten und Orthodoxen auch kleinere Kirchen.

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Die römisch-katholische Kirche sieht sich in der Nachfolge der Apostel. Sie versteht sich als die "eine heilige katholische Kirche" unter Leitung des Papstes, Nachfolger des Apostels Petrus und Stellvertreter Christi auf Erden. Sie bekennt sich zum dreifaltigen Gott: zum Schöpfer der Welt, zu seinem Sohn Jesus Christus und zum Heiligen Geist. Außerdem verehrt sie Maria sowie unzählige Heilige.

Nach katholischer Lehre hat Gott den Menschen sieben Sakramente geschenkt: Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte, Krankensalbung, Priesterweihe und Ehe. Die Sakramente zur Eingliederung in die katholische Gemeinde sind Taufe, Firmung und der Empfang der Eucharistie. Römisch-katholische Gottesdienste sind für alle Menschen zugänglich, die Kommunion ist jedoch Katholiken vorbehalten.

Das derzeitige Oberhaupt der katholischen Kirche ist Jorge Mario Bergoglio, seit dem 13. März 2013 als Franziskus der erste jesuitische und der erste lateinamerikanische Papst der Geschichte. Wie seine Vorgänger residiert er im Vatikan, einem völkerrechtlich eigenständigen Zwergstaat in Rom.

Nur knapp ein Viertel der 1,25 Milliarden Katholiken weltweit lebt in Europa, und zwar vorwiegend in Mittel- und Südeuropa. Während die Kirche in Europa mit Priestermangel zu kämpfen hat, die Zahl der Gläubigen zurückgeht und die Missbrauchsskandale ihre Spuren hinterlassen, wächst die Kirche in Asien. Sogar in China leben etwa 12 Millionen Katholiken. Dagegen verliert die katholische Kirche in Lateinamerika viele Mitglieder an evangelikale Freikirchen.

In Deutschland gehören rund 23,8 Millionen Menschen der katholischen Kirche an. Ihre regionale Verteilung ist sehr unterschiedlich: Während sich in Nord- und Ostdeutschland nur eine Minderheit zum katholischen Glauben bekennt, liegt der Anteil in Süd- und Westdeutschland deutlich höher.

Viele Gläubige kritisieren die rigide Sexualmoral der katholischen Kirche, den Zölibat sowie den Ausschluss der Frauen vom Priesteramt. Im Jahr 2010 traten 181.200 Menschen aus, viele wohl aus Protest gegen die Missbrauchsfälle sowie den problematischen Umgang der Kirche damit.

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Evangelisch sind weltweit über 400 Millionen Menschen, ob als Lutheraner, Reformierte, Baptisten oder Methodisten, Pfingstkirchler nicht eingerechnet. Die evangelischen Gemeinschaften gehen auf Martin Luther, Johannes Calvin und andere Reformatoren zurück. Luther wollte die Kirche auf den seiner Ansicht nach wahren Glauben zurückführen, was ihm den Bann des Papstes einbrachte. Doch die Reformideen waren nicht mehr aufzuhalten.

Rund 23 Millionen Menschen gehören zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Protestanten stehen der Papstkirche distanziert gegenüber, sie verehren weder Maria noch Heilige und kennen keinen Zölibat. Zu ihren Überzeugungen gehört, dass allein der Glaube den Menschen vor Gott rechtfertigt, nicht gute Werke, und dass allein Jesus Christus Autorität über die Gläubigen besitzt, nicht die Kirche.

Im evangelischen Gottesdienst sind Predigt und Abendmahlsfeier von zentraler Bedeutung. Als Sakramente zählen Taufe und Abendmahl, während etwa Konfirmation und Ehe als Segnungen gelten.

Anders als bei den Katholiken dürfen Pfarrer heiraten und Frauen Pfarrerinnen werden. Ungefähr ein Drittel der im Dienst der EKD stehenden Theologen ist weiblich. Etwa 900.000 Menschen besuchen in Deutschland an Sonn- und Feiertagen einen evangelischen Gottesdienst, knapp zehn Millionen Gläubige nehmen jährlich an Abendmahlfeiern teil.

In der evangelischen Tradition gibt es unterschiedliche Verständnisse des Abendmahls, die reformierte Tradition betrachtet es als rein symbolisches Gedächtnismahl, während in der lutherischen Tradition der Gedanke der Gegenwart Jesu "in, mit und unter" den Elementen Brot und Wein betont wird. Es ist außerdem möglich, die Beichte abzulegen und Absolution zu empfangen, auch wenn die Protestanten die Beichte nicht als Sakrament ansehen. Weil die Protestanten kein gemeinsames Oberhaupt haben, hängen sie vielen unterschiedlichen Richtungen an, die zum Teil sektenartige Züge haben wie etwa charismatische Freikirchen.

Für beide Kirchen gilt: Grundgesetzlich sind Staat und Kirche in Deutschland getrennt, de facto aber eng verbunden. So zieht der Staat für die Kirchen die Kirchensteuer ein, Religion ist an den Schulen ein eingeführtes Unterrichtsfach, bestimmte Lehrstühle an Bayerns Universitäten durften bislang nur mit dem Einverständnis der katholischen Kirche besetzt werden. Bischofsgehälter werden aus der Staatskasse finanziert; Rund eine halbe Milliarde Euro zahlen die Bundesländer für kircheninterne Personalkosten und Sachleistungen.

Außerdem gilt für beide Konfessionen: Christliche Traditionen verschwinden aus dem Alltag. Laut einer Emnid-Umfrage sprach im Nachkriegsdeutschland noch jeder Dritte ein Tischgebet, 2013 waren es nur noch sechs Prozent der Deutschen; gerade mal fünf Prozent lesen häufig in der Bibel. Laut Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung beten 25 Prozent der West- und 66 Prozent der Ostdeutschen nie. Dennoch bleiben viele deutsche Christen in der Kirche und zahlen zuverlässig ihre Kirchensteuer - was beide Kirchen nicht davon abhält, die jährliche Austrittsrate als beunruhigend hoch zu empfinden.

Jüdische Gläubige an der Klagemauer in Jerusalem

Jüdische Gläubige an der Klagemauer in Jerusalem

Foto: RONEN ZVULUN/ REUTERS

Das Judentum - Leben nach den Regeln der Tora

Den ersten jüdischen Tempel in Jerusalem zerstörten die Babylonier vor 2600 Jahren. Den zweiten, der unter König Herodes dem Großen prächtig ausgebaut worden war, brannten die Römer 70 n. Chr. nieder, als sie die ganze Stadt zerstörten. Übrig blieb von dem gewaltigen Bau nur ein großes Fragment, die sogenannte Klagemauer, an der Gläubige ihre Gebete verrichten.

Nach dem Verlust ihres zentralen Heiligtums gingen die Juden ins Exil. Angeleitet von ihren religiösen Lehrmeistern, den Rabbinern, pflegten sie auch in der Diaspora (Zerstreuung) ihre Glaubenssätze und Traditionen. Im Mittelpunkt steht die Tora, der erste Teil der Hebräischen Bibel. Ein weiteres bedeutendes Schriftwerk ist der Talmud, in dem die biblischen Regeln für den Alltag erläutert und ausgelegt werden.

Foto: DER SPIEGEL

Im jüdischen Gottesdienst genießt die in der Tora niedergeschriebene Offenbarung kultische Verehrung; der Text ist identisch mit den fünf Büchern Mose des christlichen Alten Testaments.

Die Israeliten sind nach jüdischem Verständnis das von Gott auserwählte Volk, das von Mose die göttlichen Gesetze empfangen hat. Die allgemein akzeptierte Zählung von 613 Regeln geht auf den mittelalterlichen Gelehrten Moses Maimonides zurück, der um 1135 im damals muslimischen Córdoba geboren wurde. Zu den bekanntesten Geboten gehören die Verpflichtung, koscher zu essen, also etwa kein Schweinefleisch zu verzehren und Milchiges und Fleischiges zu trennen, sowie die Heiligung des Sabbat, des allwöchentlichen Ruhetags, der nach dem heutigen Kalender am Freitagabend bei Sonnenuntergang beginnt.

Eine Besonderheit des Judentums ist die Überzeugung, dass die Religionszugehörigkeit vererbt wird, und zwar von der Mutter auf die Kinder. Missionsarbeit unter Nichtjuden findet nicht statt. Der Übertritt zum jüdischen Glauben ist möglich; Konvertiten müssen eine Reihe von Auflagen erfüllen und vor einem Religionsgericht nachweisen, dass es ihnen mit ihrer Glaubensüberzeugung ernst ist.

Nicht nur in der Frage der Konversion gibt es allerdings erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen jüdischen Gruppen. Progressive, liberale, konservative, orthodoxe und ultraorthodoxe Gemeinschaften weichen in ihren Meinungen und ihrer religiösen Praxis teilweise erheblich voneinander ab.

Im Zuge der zionistischen Bewegung seit Ende des 19. Jahrhunderts kehrte eine erhebliche Anzahl von Juden ins Heilige Land zurück. 1948 gründeten sie den Staat Israel, dessen Grenzen bis heute infage gestellt werden. Dort leben heute knapp sechs Millionen Juden.

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