Achilles' Verse Spezial Wählen Sie den Superschenkel!
Laufen ist eine Frustmaschine mit Vollautomatik. Jedes Wochenende kommen neue unglückliche Läuferseelen dazu. Ein Dorflauf mit 1000 Teilnehmern hat einen Sieger, ein Dutzend Altersklassenbeste, 100 Novizen, die froh sind, überhaupt lebendig angekommen zu sein und weitere 100, die ihre Bestzeit um drei Zehntel verbessert haben. Der Rest, also 78,7 Prozent, ist unglücklich. Sie werden nie irgendeinen Wettbewerb gewinnen und auch an ihre Bestzeit nur dann heranreichen, wenn die Strecke massiv verkürzt wird oder ein Asteroid ausgerechnet alle 370 Läufer erschlägt, die vor ihm laufen. Da der Läufer soziale Anerkennung also in den seltensten Fällen aus seiner Leistung bekommt, muss er andere Wege finden. Oft genügt es, wenn man auf einer abendlichen Gesellschaft unauffällig sein Hobby einflicht. Wenn übers Wetter geredet wird, lässt man also beiläufig fallen: "Ich laufe ja gern bei Regen." Geht es um China, hilft die Anmerkung: "Ich würde ja gern mal die Große Mauer entlang laufen."
Und wem gar keine Überleitung einfällt, der befingert seinen Oberschenkel so lange mit einem Hauch schmerzverzerrter Miene, bis sich eine aufmerksame Dame nach dem Befinden erkundigt. Man kann praktisch jedes Gespräch in weniger als 60 Sekunden aufs Laufen bringen, um umgehend Bewunderung einzuheimsen. "Ach, Sie laufen?", lautet die interessierte Frage. Der Athlet schlägt scheinbescheiden die Augen nieder und antwortet: "Na ja, so drei bis vier Mal die Woche. Und hin und wieder 'nen Marathon." Fassungsloses Staunen war garantiert, bis vor kurzem jedenfalls.
Weil immer mehr Leute laufen, wächst allerdings die Gefahr, dass ein Fremder in der Runde steht und ganz cool sagt: "Interessant, wie war denn Ihre letzte Marathon-Zeit?". Leider eine Killerfrage. Man stammelt, murmelt etwas von "hartnäckige Verletzung" und sagt wahrheitsgemäß: "Um die vier Stunden." Niemals sollte man jetzt fragen: "Und Sie?". Denn darauf wartet der Fremde nur. Aber er wird trotzdem alsbald unterbringen, dass er unlängst die Grenze von 3:30 Stunden geknackt hat. Blödmanns-Angeber. Egal. Ich wollte eh früh nach Hause, zum Beine rasieren und eincremen.
Wer schon langsam läuft, soll wenigstens schön sein untenrum, appetitlich-stählern und knusprig-frisch. Für Schenkelpflege wenden viele Freizeitathleten immerhin mindestens soviel Zeit auf wie für Shoppen und Training. Leider wird das millionenfache Engagement am Bein viel zu wenig honoriert in unserer Leistungsgesellschaft. Zeit, dass die alleinige Fixierung auf Minuten und Sekunden aufhört und neue Werte gelten in der Läufergemeinde: Ästhetik, Anmut und, ja, auch ein Hauch verschwitzter Erotik.
"Deutschland sucht den Superschenkel" gibt ab sofort auch mittelmäßigen Läufern die Aussicht auf ersehnte und verdiente weltweite Anerkennung. Tausende von Athleten sind bereits unserem Aufruf gefolgt und haben Beinbilder eingeschickt. Die besten werden wir heute vor- und zur Abstimmung stellen. Viel Spaß.