Stabhochsprung-Weltrekordler Armand Duplantis Herr des Fliegens

Tüftler, Teamplayer und nun zweifacher Weltrekordhalter: Armand Duplantis ist im Corona-Jahr zum Gesicht der Leichtathletik geworden und beweist, dass große Emotionen auch ohne die Olympischen Spiele möglich sind.
In Rom den Freiluft-Weltrekord geknackt: Armand Duplantis

In Rom den Freiluft-Weltrekord geknackt: Armand Duplantis

Foto: Gregorio Borgia / AP

Wenn mal gerade keine Wettkämpfe stattfinden, dann verbringt Armand Duplantis seine Zeit auf YouTube. Schon als Zehnjähriger habe er begonnen, sich dort die ganz Großen der Stabhochsprunggeschichte auf Video anzusehen. Den beidbeinigen Absprung von Jason Colwick fand er spannend. Am meisten imponierte ihm aber Renaud Lavillenie, der Olympiasieger von 2012, der in der Luft stehen konnte. Zumindest wirkte es so. "Ich möchte Sprünge so machen wie er", sagte Duplantis vor fünf Jahren in einem Interview.

Damals war Duplantis 15 Jahre alt, nun ist er 20, er war noch nie bei Olympischen Spielen dabei. Und trotzdem ist der Schwede bereits jetzt der neue König seiner Sportart und in diesem für Sportler so schweren Jahr auch das Gesicht der Leichtathletik insgesamt. Zu dieser Bedeutung hat er es auch ohne Olympia gebracht.

Am Donnerstag überquerte Duplantis beim Diamond-League-Meeting der Leichtathleten 6,15 Meter - im zweiten Versuch schwang er sich damit einen Zentimeter höher als der Ukrainer Sergej Bubka am 31. Juli 1994 in Sestriere. In der Halle hatte Duplantis am 15. Februar dieses Jahres sogar schon 6,18 Meter gemeistert. Diese Höhe wird vom Weltverband World Athletics als offizieller Weltrekord geführt.

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"2020 war ein sehr merkwürdiges, aber verrücktes Jahr. Ich wusste nicht mal, welche Wettkämpfe ich bestreiten kann", sagte der in den USA aufgewachsene und dort lebende Duplantis nach dem zweiten Rekordsprung. "Es so wie heute Abend im Freien zu schaffen, ist fantastisch."

Im Garten ist es auch schön

Es überrascht einerseits, wie weit Duplantis mit seinen 20 Jahren bereits ist. Andererseits aber auch nicht. Der YouTube-Gucker ist ein Tüftler, der viele Dinge ausprobiert, der über Jahre verschiedenste Stile beobachtet und getestet hat und offenbar seiner Idealtechnik immer näher kommt. Zu seiner neuesten Entwicklung gehört, dass er vor diesem Jahr deutlich abgenommen hat und nun mehr auf Geschwindigkeit beim Anlauf setzt. "Dadurch kann ich mehr Energie aus dem Stab rausholen", sagte Duplantis im Februar noch bevor die Covid-19-Pandemie die Olympischen Sommerspiele zur Absage zwang.

Doch ein verschenktes Jahr war es für ihn nicht. Als Maßnahmen gegen Corona einige Athleten aus verschiedensten Sportarten in ihre eigenen vier Wände zwangen, ging Duplantis in den Garten und trainierte einfach weiter. Dort besitzt er hinter dem Haus seiner Eltern in Lafayette im Bundesstaat Louisiana eine eigene Sprunganlage. Sie wirkt etwas in die Jahre gekommen, der Anlauf scheint leicht abschüssig, wenn Duplantis zu weit links läuft, streift er die Büsche. Es wirkt alles etwas provisorisch, also ganz passend zum Corona-Jahr.

Er und andere Stabhochspringer wie etwa Weltmeister Sam Kendricks veranstalteten aus ihren Gärten auch virtuelle Duelle gegeneinander, die dann auf YouTube zu sehen waren. Wer die meisten Sprünge über fünf Meter in 15 Minuten schafft, war eine der Herausforderungen. Kendricks gelangen 26, Duplantis kam auf 36 Versuche. Es sollte keine Straßenfeger-Veranstaltung werden, und doch hielten sie die Leichtathletik-Saison irgendwie am Laufen. Den Livestream des "Ultimate Garden Clash" haben inzwischen 130.000 Menschen aufgerufen.

Die coolste Clique der Leichtathletik

Wer Duplantis und seine Stabhochspringer-Kollegen bei einem Wettkampf beobachtet, hat stets das Gefühl: Da ist eine coole Clique zusammen, die ganz viel Spaß hat, die das Konkurrenzdenken auch mal zur Seite schiebt. Zwischen den Sprüngen wird zusammen gelacht, es wird sich gegenseitig gepusht und beklatscht. So war das auch bei der Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Katar, wo sich Kendricks mit der gleichen Höhe, aber wenigen Sprüngen, denkbar knapp vor Duplantis durchsetze. Es vergingen nach Duplantis letztem Fehlsprung nur Sekunden und er, Kendricks und der drittplatzierte Piotr Lisek lagen zusammen auf der Matte. Alle drei lachten. Ähnliche Szenen sah man auch vor einer Woche beim Istaf in Berlin, allerdings mit etwas Sicherheitsabstand.

Zusammen stärker: Lisek, Kendricks und Duplantis beim Istaf in Berlin

Zusammen stärker: Lisek, Kendricks und Duplantis beim Istaf in Berlin

Foto: BEAUTIFUL SPORTS/Axel Kohring / imago images/Beautiful Sports

Es sind Bilder, die die Leichtathletik braucht, dieser Sport, der so schön ist, aber mit so vielen Problemen zu kämpfen hat, mit Korruption oder Doping. Wenn Duplantis durch die Luft fliegt und anschließend Luftküsschen in Richtung Publikum verteilt, wenn er und seine Kollegen zusammen flachsen, dann scheint die schmutzige Welt der Leichtathletik ganz weit weg.

Das Jahr 2020 sollte für Duplantis das Jahr der ersten Olympia-Medaille werden. Wegen Corona wurde daraus nichts. Dass es nun aber trotzdem für ihn ein überragendes Jahr mit zwei Weltrekorden geworden ist, dass sich so viele Menschen mit ihm freuen, zeigt: Große Emotionen gibt es auch ohne die millionenschweren Sommerspiele.

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