TURNHÖSCHEN Auf Wunsch der Kirche
Da Seine Exzellenz, der Bischof von Rottenburg, als weiland Stadtpfarrer Dr. Karl Leiprecht in Rottweil gelebt und gewirkt hat, war es nur natürlich, daß ihn seine alte Gemeinde zur Säkularfeier in ihren 800jährigen Mauern wünschte. Abschluß und (weltlicher) Höhepunkt der Festwoche sollte am 9. und 10. September die Stadionsweihe mit turnerischen und sportlichen Wettkämpfen sein.
Der Bischof predigte denn auch am 3. September von der Kanzel der ehrwürdigen Heiligkreuzkirche. Zu dem Turnfest drückte er, laut »Schwarzwälder Post« vom 9. September »den Wunsch der Kirche aus, daß bei den sportlichen Veranstaltungen ein öffentliches Auftreten von Frauen in Turnerkleidung unterbleibe«.
Im Stadtrat konnte der Bürgermeister darauf verweisen, daß die Bischöfe der katholischen Kirche schon vor 25 Jahren Leitsätze aufgestellt hätten, denen zufolge ein öffentliches Auftreten von Frauen in Turnerkleidung nicht gewünscht wird. Bei der Abstimmung über einen Antrag des Bürgermeisters waren 8 CDU-Stimmen pro, 8 Stimmen der Freien Wählervereinigung und der SPD contra. Blieb ausschlaggebend die Stimme des Bürgermeisters, der, nicht unerwartet, für seinen Antrag stimmte. Mit 9:8 hieß es also:
»Frauen sind herzlich eingeladen, an den Sportveranstaltungen am 9. und 10. September im Rahmen der 800-Jahr-Feier der Stadt Rottweil teilzunehmen. Turnerische Uebungen der Frauen, die nicht in Festgewändern ausgeführt werden können, sollen unterbleiben. Zweifelsfragen klärt ein Ausschuß, der aus Vertretern der Stadtverwaltung und des Sports besteht.«
Am Sonntag um 9 Uhr, beim letzten Aufruf zum Vorlauf der weiblichen Jugend über 75 m: am Start 5 Mädchen, lang berockt und kichernd. Dahinter zwei Reihen in gleicher Aufmachung.
Da kamen die männlichen Teilnehmer in drohender Haltung quer über die Bahn zur Wettkampfleitung. Die männlichen Aktiven erklärten einmütig, sie ließen es nicht zu, daß ihre Kameradinnen und der Frauensport durch Laufen und Springen in wehenden Röcken lächerlich gemacht würden.
Dann faßten die Turner und Sportler einen Gegenbeschluß:
»Frauenwettbewerbe werden nur in der durch die Wettkampfordnung vorgeschriebenen Sportkampfkleidung durchgeführt. Diejenigen Frauen, die sich durch den auf bischöflichen Wunsch herbeigeführten Gemeinderatsbeschluß gebunden fühlen, müssen leider dem Start fernbleiben.«
Noch während der Bekanntgabe dieses Beschlusses über zwei Philips-Geräte wurden braungebrannte Mädchenbeine bloß.
Um 10 Uhr kamen Bürgermeister Gutknecht und CDU-Stadtrat Dr. Mußler, nahmen Anstoß und entfernten sich aus dem frischgeweihten Stadion.