Basketball-Nationalspielerin über Corona "Ich fürchte um meine Existenz"

Wegen des Coronavirus muss auch die Basketball-Bundesliga der Frauen eine Zwangspause einlegen. Profi Katharina Fikiel sagt, warum die Folgen für sie gravierend sind - und von wem sie sich Hilfe erhofft.
Katharina Fikiel (Herner TC) im Spiel gegen die Gisa Lions SV Halle im Oktober 2019

Katharina Fikiel (Herner TC) im Spiel gegen die Gisa Lions SV Halle im Oktober 2019

Foto: Jan Huebner/ imago images

Die Entscheidung kam am 13. März. Wegen des Coronavirus beendete die Deutsche Damen-Basketball Bundesliga (DBBL) vorzeitig die Saison. Die Playoffs finden nicht mehr statt, einen Deutschen Meister wird es in diesem Jahr nicht geben.

Katharina Fikiel stand mit dem Herner TC zuletzt auf Platz vier in der Tabelle. Im Interview erklärt sie, warum sie trotz ihrer Profi-Karriere kaum finanzielle Rücklagen aufbauen konnte. Und was passiert, falls Ende April die Ausgangsbeschränkungen nicht gelockert werden.

SPIEGEL: Frau Fikiel, die Basketball-Bundesliga der Frauen hat wegen Corona die Saison abgebrochen. Welche Folgen hat das für Sie persönlich?

Fikiel: Das ist eine Katastrophe, ich fürchte um meine Existenz. Mein Vertrag läuft im Juli aus, und niemand weiß, wie es weitergeht. Unser Sport lebt von Sponsoren. Wenn diese Firmen Probleme kriegen, werden sie kein Geld mehr für Basketball aufbringen. Hinzu kommt die emotionale Belastung. Ich lebe vom Wettkampf, vom Gefühl, etwas geschafft zu haben, von der Aussicht auf Erfolge, vom täglichen Training, vom Adrenalin. Das alles fällt jetzt weg.

Zur Person
Katharina Fikiel, 32, ist seit 16 Jahren Basketball-Profi. Insgesamt 54 Mal trat sie für die deutsche Nationalmannschaft an. In der Saison 2019/2020 steht die Center-Spielerin beim Bundesligisten Herner TC unter Vertrag. Mit ihren Teams war sie mehrfach Deutscher Meister.

Katharina Fikiel, 32, ist seit 16 Jahren Basketball-Profi. Insgesamt 54 Mal trat sie für die deutsche Nationalmannschaft an. In der Saison 2019/2020 steht die Center-Spielerin beim Bundesligisten Herner TC unter Vertrag. Mit ihren Teams war sie mehrfach Deutscher Meister.

Foto: privat

SPIEGEL: Sie sind seit 16 Jahren Profi, die Hälfte Ihres Lebens. Haben Sie keine Rücklagen, um eine Durststrecke zu überbrücken?

Fikiel: Nur weil man Profi ist, heißt das nicht, dass man finanziell viel davon hat. Das gilt ja auch für viele andere Sportarten. Im Gegenteil. Wir spielen vor 500 bis 1000 Zuschauern, Frauen-Basketball ist in Deutschland leider noch eine Nische. Verträge gibt es für eine Saison. Nicht wenige Frauen spielen für 1000 oder 2000 Euro brutto – in den Monaten der Saison. Im Sommer muss man sich arbeitslos melden – und zugleich die Kosten für die eigene Fitness tragen. Große Rücklagen lassen sich da nicht aufbauen, auch wenn der Verein ein Auto stellt und WGs für Spielerinnen. Wir machen das aber nicht des Geldes wegen, sondern weil wir den Sport lieben. Weil wir direkten Kontakt zu unseren Fans haben. Weil Basketball so spannend und großartig ist.

SPIEGEL: Wie sehr hat sich Ihr Tagesablauf verändert durch die Krise?

Fikiel: Ich habe in der Saison fünf bis sechs Stunden am Tag trainiert, außerdem Nachwuchsteams geleitet. Jetzt kann ich draußen nur noch laufen. Hallen und Fitnessstudios sind geschlossen. Zu Hause mache ich Liegestütze, Sit-ups, das ganze Programm, klar. Aber das reicht nicht. Ich brauche professionelle Bedingungen. Man gerät in einen deprimierenden Trott, es fällt schwer, sich zu motivieren.

SPIEGEL: Wie lange können Sie durchhalten?

Fikiel: Wenn sich nichts ändert, werde ich von August an meinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können. Vor Kurzem bin ich zum ersten Mal in eine eigene Wohnung gezogen, die muss ich natürlich bezahlen. Wenn ich die Miete vom Arbeitslosengeld abziehe, bleiben mir 100 Euro. Es ist entscheidend für mich, dass Ende April die Ausgangsbeschränkungen gelockert werden. Und dass ich zumindest wieder im Fitnessstudio und in der Halle trainieren kann. Ich muss im Sommer sehr gut trainiert und fit sein, damit ich in der neuen Saison einen Verein finde.

SPIEGEL: Halten Sie die Ausgangsbeschränkungen für angemessen?

Fikiel: Ja, das möchte ich betonen. Sie sind richtig, man hätte sie vielleicht schon früher erlassen sollen. Ich hoffe sehr, dass sich die Menschen daran halten, damit es bald wieder aufwärts geht. Wenn die Krise länger dauert und die neue Saison nicht beginnen kann, fürchte ich, dass viele Vereine sterben. Und ich glaube auch, dass der Stress viele Leute dann kaputt machen wird, längst nicht nur im Frauen-Basketball.

SPIEGEL: Auch in der Fußball-Bundesliga der Herren sind die Sorgen groß, die Saison ist unterbrochen, manche Vereine fürchten um ihre Existenz. Wie blicken Sie auf diese Probleme?

Fikiel: Diese Klage ärgert mich. Klar, geht es auch da um viel, um TV-Gelder, Sponsoren, Zuschauer, die plötzlich ausbleiben. Aber viele Spieler in der Bundesliga sind Millionäre. Auch wenn sie ihren Job verlieren, werden sie nicht plötzlich arm. Bei mir und meinen Kolleginnen geht es darum, dass wir nicht auf der Straße landen. Und schon in wenigen Monaten nichts mehr haben.

SPIEGEL: Haben Sie einen Plan B, wenn Sie Ihre Karriere nicht fortsetzen können?

Fikiel: Ich hoffe auf Solidarität, vielleicht sogar vom Fußball - und dass der Staat auch uns im Zweifel hilft. Immerhin hilft er Unternehmen mit Milliarden, innerhalb kürzester Zeit ging das durch den Bundestag. Wir sind auch wichtig für die Gesellschaft, weil wir Vorbilder sein können und Menschen zum Sport animieren. Leider wird in der Schule viel zu wenig Sport unterrichtet. Wir hätten ansonsten deutlich weniger Krankheitsfälle – und wer viel Sport macht, ist auch in Mathe und Deutsch besser. Außerdem geht es darum, dass Deutschland international im Frauen-Basketball vertreten ist. Da hätte der Staat schon in der Vergangenheit mehr tun können. Wenn ich keinen neuen Vertrag bekomme, werde ich mich um Arbeit bemühen müssen. Das wird schwer genug. Ich habe keine Ausbildung. Die mache ich gerade nebenbei und muss sie auch finanzieren. Der Sport war und ist alles für mich.

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