Wechsel von Dennis Schröder zu den LA Lakers
Erzwungenes Glück
Gegen den eigenen Wunsch wechselt Dennis Schröder zum Titelträger LA Lakers. Der Transfer des besten deutschen Basketballers verrät viel über das Personalsystem der NBA. Für Schröder aber dürfte er sich auszahlen.
Dennis Schröder spielte bisher für Oklahoma City Thunder
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Sue Ogrocki / dpa
Dennis Schröder wählte klare Worte. »Ich wollte nie zu den Lakers«, sagte der deutsche NBA-Profi kürzlich dem Kanal Magentasport, angesprochen auf ein Angebot aus der vergangenen Saison. Fünf Tage später, welch Ironie, wurde jetzt bekannt, dass Schröder genau das bald tun wird: für die Los Angeles Lakers spielen – ob es ihm passt oder nicht.
Die Rahmendaten des Deals, der zeitnah offiziell werden soll: Schröder, der noch ein Jahr Vertrag bei Oklahoma City Thunder hat, wechselt zu den Lakers, Oklahoma erhält im Gegenzug Routinier Danny Green und den 28. Pick bei der bevorstehenden Talentbörse. Ein guter, sinnvoller Tausch, ohne klaren Verlierer – und doch bleibt fraglich, ob sich Schröder wie ein Gewinner fühlt.
Sein favorisiertes Ziel waren offenbar die Milwaukee Bucks, die von seinem langjährigen Ex-Coach Mike Budenholzer trainiert werden. Die NBA aber ist keine Liga, in der Transfers vom Willen der Profis abhängen. Nur eine sogenannte No-Trade-Klausel hätte Schröder ein Vetorecht eingeräumt. Doch aktuell verfügt kein einziger NBA-Spieler über diesen Vertragszusatz.
Dennis Schröder ist nebenbei auch Alleingesellschafter der Basketball Löwen Braunschweig
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Somit sind die Akteure den Entscheidungen ihrer Franchises ausgeliefert, trotz einer sehr mächtigen Spielergewerkschaft. Zwar bleiben die Verträge der Profis stets intakt, doch sie können von Arbeitgeber zu Arbeitgeber geschoben werden – mit oder ohne Zustimmung. Starspieler sind dieser Willkür weniger stark ausgesetzt, doch selbst für sie kann das Business gnadenlos sein. Erst vergangenes Jahr tauchte ein Video auf, das den ehemaligen MVP Derrick Rose von den Chicago Bulls in Tränen zeigt, nachdem er 2016 von seinem Wechsel nach New York erfuhr.
Wie Schröders unmittelbare Reaktion auf seinen Deal ausfiel, ist nicht bekannt. Langfristig könnte sich aber Freude durchsetzen – denn klar ist: Sportlich hätte es für ihn kaum besser kommen können.
Die Lakers sind das stärkste Team der Liga, überlegener NBA-Champion 2020, sie werden angeführt von LeBron James, dem – mindestens – zweitbesten Spieler der Geschichte. Dessen Co-Star wiederum, Anthony Davis, etablierte sich als einer der besten Sidekicks, die die NBA je gesehen hat. Und die Nummer drei? Die soll nun Schröder sein. Zumindest offensiv.
Der gereifte Schröder passt optimal zu den Lakers
Der 27-Jährige ist ein versierter Spielmacher und Scorer, obendrein einer der schnellsten Guards der Liga. Seine langjährigen Schwachstellen, den Distanzwurf und die Verteidigung, verwandelte er in Oklahoma in Stärken. Dieser neue, reife Schröder passt optimal zu den Lakers.
Deren größtes Defizit war in der vergangenen Saison das Playmaking: Abgesehen von James fehlte ein verlässlicher Spielmacher, der dem mittlerweile 35-Jährigen Pausen verschaffen konnte. Zwar spielte Davis exzellent, doch der 2,08 Meter große »Big Man« ist kein Ballverteiler.
So war Lakers-Coach Frank Vogel stets zu Kompromisslösungen gezwungen: Ließ er Danny Green auflaufen, bekam er Verteidigung und Dreier, aber keinerlei Playmaking. Ließ er Altmeister Rajon Rondo spielen, bekam er Playmaking, aber weder Verteidigung noch Dreier (Ausnahme: Rondos brillante Playoffs). Der vielleicht aussichtsreichste Kandidat, Avery Bradley, fehlte über weite Strecken verletzt, und die anderen spielten zu inkonstant, um sich als Dauerlösung zu empfehlen. Nun erhält Schröder diese Chance.
Bei den Thunder hat sich der Point Guard hervorragend entwickelt. Ausgerechnet in Oklahoma, könnte man meinen, denn auch sein Wechsel 2018 entsprach nicht dem eigenen Wunsch. Bei den Hawks, die ihn 2013 gedraftet hatten, war er der Star des Teams. In Oklahoma saß er plötzlich auf der Bank.
Schröder nahm den Rollenwechsel eher widerwillig an, doch die vermeintliche Degradierung entpuppte sich als Segen: Im Schatten von Russell Westbrook verbesserte sich der Deutsche stetig, nach dessen Abgang kam er so richtig in Fahrt – auch dank Westbrooks Nachfolger Chris Paul. Der 35-Jährige, einer der besten Point Guards der Geschichte, wurde für Schröder zu einem wichtigen Mentor.
Steigerung bei den Distanzwürfen
Als Verteidiger erinnerte der Deutsche erstmals seit Jahren wieder an den giftigen Balldieb, für den man ihn zu Beginn seiner Karriere hielt. In der Offensive entwickelte er sich zu einem häufig gesuchten Schützen: In Catch-and-Shoot-Situationen, also bei Würfen unmittelbar nach einem Pass, traf Schröder in der vergangenen Saison 41,4 Prozent seiner Dreier. Das ist elitär gut – und eine enorme Steigerung gegenüber seiner letzten Spielzeit in Atlanta. Dort waren es 28 Prozent.
Insgesamt kam Schröder in der vergangenen Saison durchschnittlich auf 18,9 Punkte, 3,6 Rebounds und 4,0 Assists pro Spiel. Bei der Wahl zum »Sixth Man of the Year« wurde er zum zweitbesten Bankspieler der Liga gekürt. Dennoch gaben ihn die Thunder ab. Weil Schröder mit 27 Jahren und über 30 Minuten Spielzeit dem lange geplanten Neuaufbau mit jungen Talenten im Weg steht.
Schröder wurde in der vergangenen Saison zum zweitbesten Bankspieler gewählt
Foto: Ross D. Franklin / AP
Die Lakers hingegen, bei denen mehrere Guards vor dem Absprung stehen, wollen Schröder wohl sogar langfristig beschäftigen. Von der Bank oder als Starter, unklar, aber ohnehin eine kosmetische Entscheidung. Sein Job bliebe der gleiche: Den Angriff leiten, wenn LeBron James Pausen braucht. Den Dreier treffen, wenn James ihn bedient. Den schnellsten Guard des Gegners verteidigen – und im Optimalfall die Meisterschaft.
In neun der letzten zehn NBA Finals war ein Team von James vertreten. Schröder hat bessere Chancen, zum ersten deutschen Champion seit Dirk Nowitzki aufzusteigen. Aber damit geht auch ein Problem einher: Aufgrund des verspäteten Starts der Saison werden sich die Playoffs der NBA mit dem Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele überschneiden. Sollten die Lakers also erneut die Finals erreichen, wird Schröder der deutschen Nationalmannschaft bei der wichtigen Quali-Runde fehlen.