NBA-Spielmacher Chris Paul Gott ohne Glück

Chris Paul ist der beste Aufbauspieler seiner Generation. In den NBA-Playoffs droht dem 35-Jährigen mal wieder das frühe Aus - typisch für seine Karriere ohne echte Chance auf den Titel.
Chris Paul droht mit Oklahoma City das frühe Playoff-Aus

Chris Paul droht mit Oklahoma City das frühe Playoff-Aus

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Kim Klement / AP

Beinahe wäre der Wechsel des besten Point Guards der Nullerjahre zur Randnotiz geraten. So viele Stars hatten während der NBA-Sommerpause 2019 das Team gewechselt, die meisten von ihnen freiwillig. Chris Paul jedoch bekam die kalte Dusche. Sein alter Klub, die Houston Rockets, bevorzugte einen jüngeren, dynamischeren Spielmacher, also wurde Paul im Tausch gegen Russell Westbrook zu Oklahoma City Thunder geschickt.  

Der Verlust von zwei Superstars innerhalb eines Sommers, Westbrook und Paul George, ließ eigentlich kaum eine andere Deutung zu: Oklahoma City wollte den Neuaufbau. Dazu sammelte das Team aus dem mittleren Westen der USA eine beachtliche Sammlung an Draftpicks an, dazu ein paar Talente - und Paul, eine damals 34 Jahre alte Legende mit einer dicken Verletzungsakte. 

Es kam anders als erwartet, Oklahoma City stürzte nicht ab. Das Team hielt sich die gesamte Saison über in den Playoff-Rängen der Western Conference und schaffte es auch in die Endrunde. Dort könnte in der Nacht (3 Uhr, Stream: DAZN) allerdings in der ersten Runde schon Schluss sein, denn Pauls Ex-Team Houston liegt in der Best-of-seven-Serie 3:2 vorn. 

Wenn's drauf ankommt 

So weit gekommen ist Oklahoma City vor allem wegen seiner Stärke in engen Partien. Kein Team  gewann in der Hauptrunde 2019/2020 mehr Spiele, in denen der Abstand fünf Minuten vor Schluss maximal fünf Punkte betrug. Das liegt am Dreiergespann aus Paul, der ligaweit die meisten Punkte  in solchen Situationen erzielte, dem Deutschen Dennis Schröder und Shai Gilgeous-Alexander aus Kanada. Alle drei werden nominell als Point Guards geführt.  

Paul (r.) gibt Schröder und Gilgeous-Alexander (l.) taktische Anweisungen

Paul (r.) gibt Schröder und Gilgeous-Alexander (l.) taktische Anweisungen

Foto: Kim Klement / AP

Drei Spielmacher gleichzeitig auf dem Feld sorgen für Kreativität in knappen Schlussphasen, wenn das Spiel meistens etwas statischer wird. Schröder ist ligaweit einer der schnellsten Spieler überhaupt, Gilgeous-Alexander profitiert vor allem von seinen guten Scoring-Instinkten. Und Paul?

Paul lenkt das Ganze. Er organisiert, sucht nach Fehlpaarungen und Lücken in der Verteidigung, brüllt Kommandos und entscheidet, wer aus dem Trio zu welchem Zeitpunkt und an welcher Position den Ball bekommt. Das Ergebnis ist die gefährlichste Drei-Mann-Kombination  in der gesamten NBA. 

Paul ist ein im wörtlichen Sinne genialer Basketballer, der seinen Gegnern schon seit 2005 überlegen ist, als er von den New Orleans Hornets gedraftet wurde. Er wurde zum besten Rookie seines Jahrgangs gewählt, stieg schnell zum All-Star auf, sogar zum MVP-Kandidaten (wertvollster Spieler der Liga). Dabei war er nie besonders athletisch, weder konnte Paul über seine Gegenspieler hinwegspringen, noch war er der Schnellste auf dem Court. Sein Geheimnis: Er wusste, wann er das Tempo wechseln musste. Und das weiß er immer noch. 

"Point God” 

Die Fähigkeit, den Verteidiger auf dem falschen Fuß zu erwischen, im richtigen Moment anzuziehen, ermöglicht es Paul nach 15 Jahren immer noch, an jüngeren, schnelleren Spielern vorbeizuschießen und Lücken in die Verteidigung zu reißen. Hinzu kommt seine nahezu perfekte Beherrschung der Grundlagen im Basketball: Fußarbeit, Dribbling, Passen, Verteidigung, das alles meistert Paul im Halbschlaf. Nur sechs Spieler in der NBA-Geschichte gaben mehr Assists, bei den Steals ist Paul ebenfalls auf dem siebten Platz. 

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Mittlerweile schließen Point Guards viel häufiger selbst ab, als es früher der Fall war. Paul ist die Ausnahme, er entstammt der Schule eines John Stockton oder Isiah Thomas - auch in Bezug auf deren harte und hinterlistige Spielweise. Für seine fast makellose Ausführung dieser Rolle bekam er von seinen jüngeren Kollegen den Spitznamen "Point God”.  

Allmächtig ist Paul aber nicht. Das zeigt die Playoff-Bilanz seiner Karrerie. Mit den Hornets schaffte er es in sechs Jahren nur dreimal in die K.-o.-Runde und konnte dort keine große Rolle spielen. Allerdings hatte Paul nie die richtigen Mitspieler, um wirklich um einen Titel mitspielen zu können. Also wechselte er 2011 zu den Los Angeles Clippers. Dort gelang ihm gemeinsam mit dem Forward Blake Griffin und dem Center DeAndre Jordan die Transformation des historisch erfolglosen NBA-Teams. 

Pech in den Playoffs 

Paul als Passgeber und zwei sprunggewaltige Big Men als Empfänger in der Luft - "Lob City” war geboren, eines der spektakulärsten Teams der Geschichte. Benannt wurde es nach dem "Alley-Oop”-Spielzug, der auch "Lob” genannt wird. 

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Wenn es wichtig wurde, hatten die Clippers aber oft Pech. Entweder war es Griffin, der mit Verletzungen wichtige Playoff-Spiele verpasste, oder Paul selbst. 2015 etwa bezwangen die Clippers durch seine Heldentaten den amtierenden Meister San Antonio Spurs, im entscheidenden Spiel zog sich Paul aber eine muskuläre Verletzung am Oberschenkel zu. Das Aus in der zweiten Runde konnte er nicht mehr verhindern. In der Folgesaison brach er sich in den Playoffs die Hand.

Es folgte der Wechsel zu Houston 2017, wo es ähnlich lief. Im ersten gemeinsamen Jahr mit James Harden führten die Rockets im Conference-Finale 3:2 gegen die übermächtigen Golden State Warriors. Zwei Gelegenheiten hatte Houston, davon eine in der eigenen Arena, um das als unbesiegbar deklarierte Superteam um Stephen Curry und Kevin Durant zu schlagen.

Doch nach der fünften Partie zwickte wieder einmal der Oberschenkel. Paul verpasste das sechste und siebte Spiel - und ein weiteres Mal die Chance auf eine Finalteilnahme, weil Houston ohne ihn verlor. Einen weiteren Versuch unternahmen die Rockets, bis sich die Gelegenheit bot, Westbrook zu verpflichten. 

Der Kreis schließt sich

14 Jahre später kehrte Paul in die Arena zurück, die in seiner ersten Saison sein Zuhause gewesen war. Nach Hurrikan "Katrina" hatten die Hornets in Oklahoma City ihre Heimspiele absolvieren müssen. "Verrückt, wie sich der Kreis schließt”, schrieb Paul bei Instagram .   

Nun steht Paul in den Playoffs wieder mal mit dem Rücken zur Wand, und das gegen sein altes Team, das ihn nicht mehr haben wollte. Dass sich aus der Resterampe Oklahoma City eine intakte Mannschaft gebildet hat, ist eine der Überraschungen der ohnehin seltsamen NBA-Saison. Das Team ist eine lose Ansammlung talentierter, aber glanzloser Spieler; es muss geführt werden - und wer ist da besser geeignet als der beste Spielmacher seiner Generation, der für seine jungen Mitspieler so etwas wie ein Gott ist. Für einen NBA-Titel wird es für Paul wohl aber nicht mehr reichen.

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