Cas-Urteil zu Manchester City Interne Mails stellen Zeugenaussagen infrage

Manchesters Trainer Pep Guardiola
Foto: Ina Fassbender/ dpaAuf der einen Seite: Manchester City, anwesend mit zwölf Juristen. Auf der anderen Seite: Der europäische Fußballverband Uefa, vertreten von zwei Finanzexperten und vier Anwälten.
Für beide Parteien stand im Verfahren des Sportgerichtshofs Cas sehr viel auf dem Spiel. Für City ging es um die Teilnahme an und Einsatzprämien der Champions League. Für die Uefa "um den schwerwiegendsten, ausgeklügeltesten, am besten durchdachten und fundamentalsten Versuch, die Financial Fair Play Regeln zu umgehen oder gegen sie zu verstoßen", wie der Europäische Fußball-Verband es in seinem Urteil nannte.
Der von der Staatsführung von Abu Dhabi gesteuerte Verein soll Finanzspritzen als Sponsorengelder ausgegeben und damit gegen die Financial-Fair-Play-Regeln der Uefa verstoßen haben. Darum hatte diese den Klub für zwei Jahre von den europäischen Wettbewerben ausgeschlossen und 30 Millionen Euro Strafe verhängt. Nach dem Einspruch von City schmetterte der Cas das Urteil ab, es blieben zehn Millionen Euro Geldstrafe übrig - und eine blamierte Uefa.
Neue Dokumente belasten Klubvorstand Pearce schwer
Nun haben die Cas-Richter ihr Urteil auf 93 Seiten veröffentlicht . Das Dokument zeigt, dass der Klub nicht freigesprochen wurde. Von City vorgelegte Gutachten und Aussagen von Wirtschaftsprüfern taten die Richter als nicht aussagekräftig ab. Stattdessen beschloss der Cas aber, den von City geladenen Zeugen eher zu glauben als den wenigen Beweismitteln der Uefa.
Wenn die Vorwürfe des Verbands stimmten, so urteilten die Richter, hätten mehrere hochrangige Funktionäre, darunter ein Ex-Konzernchef, vor dem Sportgericht unter Eid falsch ausgesagt und müssten strafrechtliche Konsequenzen fürchten. Das konnten sich die Juristen offenbar nicht vorstellen.
Doch die Verteidigungslinie von Manchester City vor dem Sportgericht wirft Fragen auf. Bislang unveröffentlichte Dokumente der Enthüllungsplattform Football Leaks belasten insbesondere den als Zeugen geladenen Klubvorstand Simon Pearce schwer. Im Zentrum des Verfahrens standen E-Mails aus eben jenem Football-Leaks-Datensatz.
Der SPIEGEL hatte gemeinsam mit Medienpartnern des Recherchenetzwerks European Investigative Collaborations über die offenbaren Regelverstöße von Manchester City berichtet und damit Ermittlungen der Uefa ausgelöst. Öffentlich wies der Klub jegliches Fehlverhalten stets von sich. Im Cas-Verfahren verließ sich die Uefa fast ausschließlich auf die SPIEGEL-Veröffentlichung der geleakten Dokumente.
Ein vermeintliches Missverständnis dauerte Jahre an
Der brisanteste Streitpunkt lag dabei in den Mails rund um die staatliche Fluggesellschaft Etihad. Die Football-Leaks-Dokumente legten nahe, dass die Airline selbst nur acht Millionen Pfund für das Sponsoring des Klubs zahlte und der Rest, mitunter knapp 60 Millionen Pfund, aus Drittquellen floss und von Etihad lediglich an den Klub weitergeleitet wurde. Hätte sich das bewahrheitet, könnten auch die Jahresabschlüsse der Airline, die Milliardenumsätze macht, angezweifelt werden. Auf Anfrage teilte Etihad stets mit, die finanziellen Verbindlichkeiten gegenüber dem Klub seien immer "die alleinige Pflicht und Verantwortung" der Fluggesellschaft gewesen.
Vor dem Cas wurden nun unter anderem Klubvorstand Simon Pearce sowie der ehemalige Etihad-Chef James Hogan als Zeugen befragt. Pearce sagte, es habe wohl im Klub etwas Verwirrung geherrscht: Mitarbeiter hätten etwas falsch verstanden, als sie schrieben, dass die ADUG-Holding von Scheich Mansour einen Teil des Sponsorings zahlte und Etihad selbst nur acht Millionen Pfund beisteuerte. Das angebliche "Missverständnis" hielt sich aber offenbar hartnäckig – in mehreren Mails aus verschiedenen Jahren.
Pearce und Hogan erklärten zudem, dass die acht Millionen separat ausgezahlt worden seien, weil sie einem anderen Budget von Etihad entstammten als der Rest der Mittel. Das habe Pearce damals Gesprächen mit dem Chief Operating Officer von Etihad, Peter Baumgartner, entnommen. "Komplett unplausibel" fand die Uefa diese Erklärung. Pearce sei ihnen aber nicht wie ein unglaubwürdiger Zeuge vorgekommen, urteilten die Cas-Richter. Daher entschieden sie, dass die Beweise nicht ausreichten, um die Uefa-These zu stützen.
City-Vorstand Simon Pearce
Auf die Frage, ob Pearce jemals Zahlungen an Etihad im Zusammenhang mit dem City-Sponsoring arrangiert habe, antwortete er laut Urteil: "Absolut, kategorisch, nein."
Im Football-Leaks-Datensatz klingt das anders, was den Juristen des Cas nicht bekannt war: "Ich habe euch zu wenig überwiesen!", schreibt Pearce in einer Mail vom 16. Dezember 2013 an Peter Baumgartner. Pearce erklärt darin, dass Etihad dem Klub 99 Millionen Pfund zahlen und die Airline davon acht Millionen selbst tragen müsse. "Ich hätte euch darum 91 Millionen Pfund weiterleiten müssen, habe euch aber nur 88,5 Millionen geschickt. Ich schulde euch also 2,5 Millionen." Weder Etihad noch Baumgartner oder Pearce gingen inhaltlich auf eine SPIEGEL-Anfrage zu der Mail ein.
Die Zitate zeigen auch die Schlüsselposition, die Pearce einnimmt. In vielen Mails ist er derjenige, der die Kontakte zu den Vorstandsebenen der Unternehmen hält, die Geldflüsse steuert und seine Finanzkollegen in Manchester anweist, wann sie welche Rechnungen zu verschicken haben. Seine Mails schreibt er oft nicht vom Mailkonto des Fußballklubs, sondern vom Account der Regierungsbehörde von Abu Dhabi. Gegenüber Sponsoren des Emirats tritt er damit als hochrangiger Regierungsmitarbeiter auf. 2016 schrieb Pearce, dass die Investmentfirma Aabar bald Teil des Staatsfonds Mubadala werde und er sie dann unter seiner Kontrolle hätte.

Manchester City - interne Mails stellen Zeugenaussagen infrage
Der Cas kannte all diese Mails nicht, der SPIEGEL hat sie selbst erst dem Football-Leaks-Datensatz entnommen, nachdem der Sportgerichtshof in seinem Urteil die Aussagen der City-Zeugen veröffentlichte.
Die Richter merkten im Verfahren noch an, dass die Uefa keinen Beweis dafür habe, dass Etihad selbst jemals in die von City geplanten Geldströme eingebunden gewesen sei. Der ehemalige Etihad-CEO Hogan sprang dem Cas bei: Er als Chef hätte solche Deals ja mitbekommen müssen; das habe er aber nicht.
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Doch auch diese Verteidigung steht auf wackligen Beinen. Denn schon 2011 schrieb ein Etihad-Manager, dass ein Großteil des Airline-Sponsorings von einer Drittpartei beglichen würde - was ein zentraler Vorwurf des Verfahrens war. In diesem Fall soll die Regierungsbehörde in Abu Dhabi, die Executive Affairs Authority (EAA), Teile der Sponsorensumme übernommen haben. Es wäre ein weiterer Beweis für die Nähe des Klubs zur Staatsführung des autoritären Regimes. Der EAA-Vorsitzende und damit der starke Mann des Kronprinzen von Abu Dhabi, Khaldoon Al Mubarak, ist gleichzeitig auch der Chef von Manchester City.
Die Behörde aus Abu Dhabi antwortete nicht auf eine Anfrage zu der Etihad-Mail. Ein City-Sprecher bezeichnete einen SPIEGEL-Fragenkatalog zu den neuen Erkenntnissen als "zynischen Versuch", ein ordnungsgemäßes und abgeschlossenes Cas-Verfahren "öffentlich zu unterminieren und neu zu prozessieren". Es sei die Position des Klubs, keinen Kommentar zu Dokumenten abzugeben, die vermutlich kriminell erlangt worden seien und ohne Kontext zitiert würden.
Die Uefa hätte diese und weitere brisante Unterlagen womöglich ebenfalls als Beweis vorlegen können – wenn sie den Whistleblower von Football Leaks, Rui Pinto, um Kooperation bei den Ermittlungen gebeten hätte. Das tat der Verband allerdings nicht.
City schlug zwei der drei Richter vor - am Ende fiel das Urteil 2:1 gegen die Uefa aus
Insgesamt wirft die Prozessstrategie der Uefa in diesem wegweisenden Verfahren Fragen auf. Als City vor dem Cas Zeugen berief, die der Klub vor der Uefa-Ermittlungskammer noch verweigert hatte, legte die Uefa keinen formellen Widerspruch ein. Damit ermöglichte die Uefa City, die Cas-Richter mit ihren Aussagen zu überzeugen. Auch das Ansinnen, mehrere Zeugen von City zu bestimmten Dokumenten in ein Kreuzverhör zu nehmen, nahm die Uefa wieder zurück, weil der Klub dagegen Einspruch eingelegt hatte. City weigerte sich zudem, von der Uefa geforderte Unterlagen vorzulegen und erklärte, dass dies den Cas-Prozess bis in die neue Saison verlängern würde. Das wollte die Uefa offenbar nicht riskieren.
Die Cas-Unterlagen zeigen darüber hinaus, dass City zwei der drei Richter in dem Verfahren vorschlug und die Uefa beide Personalien akzeptierte. Das Urteil fiel am Ende 2:1 gegen die Uefa aus.
Dazu gehörte auch, dass der Cas die Verjährungsfristen des Regelwerks anders auslegte als die verbandseigenen Juristen der Uefa. Hätte diese mehr als nur die von SPIEGEL und EIC veröffentlichten Unterlagen als Beweismittel verfügbar gehabt, hätte sie auch weitere Dokumente von City aus den Jahren 2015 und 2016, innerhalb der Verjährungsfrist, vorlegen können.
Die Uefa sei "offensichtlich nicht zufrieden mit dem Ergebnis des Cas-Prozesses", teilte ein Sprecher gegenüber dem SPIEGEL und dem französischen Portal Mediapart mit. Allerdings habe der Sportgerichtshof ihr immerhin in mehreren Streitpunkten Recht gegeben. So bestätigte der Cas, dass City entgegen öffentlicher Beteuerungen nicht mit den Uefa-Ermittlern kooperiert habe. Das Verhalten des Klubs "zeigt, dass er etwas zu verbergen hat", hatte sich die Rechtsprechende Kammer der Uefa beschwert.
Die Geldstrafe von zehn Millionen Euro dürfte die Verbandsanwälte nun kaum trösten. Man habe "viel Geld, Zeit und Energie investiert", sagte der Uefa-Sprecher. Der englische Klub dürfte für seine Juristen-Armada deutlich mehr bezahlt haben.