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Das Publikum war enttäuscht

aus DER SPIEGEL 21/1947

Für Kassel gab es einige Tage vorher kein anderes Thema. »Ex-Weltmeister Max Schmeling boxt«, stand auf Transparenten zu lesen. Die Straßenbahnen waren ob dieses Ereignisses geschmückt, und er selbst lächelte verbindlich von allen Plakaten.

Die Stadtväter hatten sich am Vorabend im Königskeller versammelt, angeführt von ihrem Oberbürgermeister Seidel, der die Schirmherrschaft der Veranstaltung übernommen hatte. Max kam erst mit zweistündiger Verspätung, frisch gekämmt und unbekümmert, und Stadtrat Nitsche konnte eine Rede halten. Der Oberbürgermeister war inzwischen wieder gegangen.

18 000 Karten waren verkauft (11,60 RM bis 31,60 RM), und 18 000 hatten sich am nächsten Tag auf dem Hessenkampfplatz an der Frankfurter Straße versammelt. Die Rahmenkämpfe waren schwach, es gab nicht einen k.o. Die Zuschauer waren sichtlich enttäuscht.

Dann kam Schmeling. Minutenlang starrten Tausende auf den Anmarschweg, und endlich stand er nach achtjähriger Pause zum erstenmal im Ring. Lautlos verharrte die Menge, Leicas klickten, Filmkameras surrten. Amerikanische MP und deutsche Polizei riegelten ab, sehr zum Aerger der Ringplatzinhaber, denen dadurch die Sicht versperrt wurde.

Zeitnehmer und Ansager wurden zu Max beordert und gleich darauf tönte es aus dem Lautsprecher: »Nach internationalen Bestimmungen kann Schmeling im angekündigten Sparringskampf nicht über acht Runden boxen, die Bestimmung lautet auf vier Runden. Er erklärt sich aber bereit, gegen zwei Gegner zu kämpfen.« Viel Applaus und dankbares Gemurmel. Daß jede der insgesamt zugestandenen vier Runden von drei auf zwei Minuten gekürzt war, erfuhr man nur durch eine Indiskretion am Mikrophon. Währenddessen wurde Schmeling von seinem alten Manager Max Machon instruiert und wie es einem Star zukommt, mit Creme eingerieben.

Der Gegner in der ersten Halbzeit war Hans Kupsch (Heidelberg), der aus Achtung vor seinem großen Kollegen unruhig hin- und hertänzelte und erfolglos versuchte, Schläge anzubringen. Schmeling hielt sich in der Defensive und war bemüht, eine manierliche Figur abzugeben.

Weniger gelang ihm dies in der zweiten Halbzeit gegen den Mannheimer Schmidt, der Schmeling während der vier Minuten äußerst scharf bedrängte und einige Linke an seiner Kinnpartie landete. Trotzdem ging Schmeling wenig aus sich heraus. Er deckte schlecht.

Der Applaus beim Publikum wurde schwächer und schwächer. Unmutige erhoben ihre Stimme. Es gab Zwischenrufe wie: »Was willst du noch hier? Zeig dich auf der Messe!« - »Wenn du Geld brauchst, Maxe, will ich dir gern ein paar Mille schenken!« Sie steigerten sich bis zur Androhung des Steinewerfens. Unbeteiligt stieg Schmeling nach insgesamt acht Minuten aus dem Ring.

»Maxe wieder da - aber kein come back«, überschreibt »Der Mannheimer Morgen« seinen Bericht über die Sparringskämpfe, und Henry Andrews von der »Heidelberg Post Herald« meint, es sei noch zu früh, über ein erfolgreiches come back Schmelings ein Urteil abzugeben.

»Kein come back«

Max zieht Max die Handschuh aus

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