Deutsche erwünscht
Vor ihrem Kampf um die Goldmedaille forderten Russen und Tschechoslowaken einen Bundesdeutschen an -- als Schiedsrichter. Beim olympischen Eishockey-Turnier 1972 in Sapporo schätzten die feindlichen Eishockeybrüder aus dem Ostblock den Bayern Franz Baader sogar höher ein als befreundete Regelexperten aus der DDR.
Franz Baader aus Füssen genießt Weltruf in einer Sportart, in der die eigene Mannschaft bestenfalls zweitklassig ist. Während Baader in Sapporo das Endspiel leitete, mühte sich die Bundes-Equipe im B-Turnier.
Auch beim derzeit in Prag wogenden Wettstreit um die Weltmeisterschaft erntete nur Bundes-Schiedsmann Josef Kompalla aus Krefeld Lob, die Bundes-Mannschaft hingegen meist Niederlagen mit acht, zehn und elf Toren, »Ihr Spiel ist so simpel wie Wasser, das aus einer Badewanne abgelassen wird«, maulte ARD-Reporter Hans-Joachim Rauschenbach.
Besser vermochte er sich dagegen an seinem Landsmann Kompalla als Spiel-Schlichter aufzurichten: »Das hat unser Schiedsrichter mal wieder gut gesehen«, jubelte Rauschenbach, als der Deutsche im Spiel CSSR gegen Schweden einen Spieler auf die Strafbank verwies. Wenn Kompalla sich wagemutig zwischen feindlich wirbelnde Fäuste und Stöcke warf, dann bestätigte der TV-Sprecher aus sicherer Kabine: »Solche
Szenen kennt er auch von den Bundesligaspielen zu Hause.«
Bundesdeutschlands Eishockey-Prügelknaben verzeichneten schon eine Minusbilanz von vier Niederlagen mit 6:37 Toren, als die Favoriten UdSSR und CSSR am vergangenen Mittwoch zur Vorentscheidung antraten. Spielleiter Kompalla verdiente sich abermals bessere Noten als seine Landsleute in ihrer Spieler-Montur.
Nicht nur im Eishockey zehren deutsche Fans und Berichter allein von den Glanztaten ihrer Landsleute im Schiedsrichter-Wams. Im Basketball, wo Amerikaner, Jugoslawen und Russen bislang die größten Erfolge eingeheimst haben, gelten die Bundesdeutschen als die besten Schiedsrichter.
Während das Bundes-Team zuletzt in Essen bei der Europameisterschaft nur als Außenseiter zählte, leiteten Bundes-Richter bei den Olympia-Turnieren immer häufiger die wichtigsten Spiele.
»Der beste Basketballer, den Deutschland jemals in die Welt geschickt hatte«, lobte 1968 beim Mexiko-Olympia der Weltverbands-Generalsekretär William Jones einen Deutschen: Schiedsrichter Theodor Schober aus Heidelberg. Der frühere Nationalspieler und heutige Bundestrainer vermeldet seine größten Sporterfolge erst als Regeldeuter beim Korbkampf. In Mexiko leitete er mehrere Endrundenspiele.
Beim Qualifikations-Turnier für die Olympischen Spiele schiedsrichtern im Mai in Amsterdam mindestens drei deutsche Basketball-Unparteiische, mehr als aus jedem anderen Land.
Doch Sinn und Drang deutscher Sportfreunde, Law and Order in internationalen Wettbewerben durchzusetzen, brachten auch deutsche Ringrichter in die Endkämpfe der Europameisterschaften und Olympia-Boxturniere. Ebenso wie etwa im Hockey drängen auch im Hallenhandball deutsche Nachwuchs-Schiedsrichter nach vorn.
* Im WM-Spiel CSSR gegen UdSSR.
Denn als Unparteiische, haben sie erkannt, können sie die Vorteile von Sportstars genießen -- Spesen, Weltreisen und Prestige -, wenn sie dem Sportler-Alter schon längst entwachsen sind. Den Favoriten sind deutsche Schiedsleute willkommen, weil sie ohne Rücksicht auf ihre eigenen im Turnier mitspielenden Landsleute richtern können. Denn die deutschen Eishockey- und Basketball-Mannschaften scheiden für vordere Plätze aus.
Im Fußball sind deutsche Unparteiische willkommen, obwohl die Bundesmannschaft zur Weltspitze gehört. Aber der Weltverband lädt zu internationalen Spielen Schiedsrichter auch entsprechend der Stärke ihres nationalen Verbandes ein. Der Deutsche Fußballbund (DFB) ist der größte Verband der Welt.
Beim Weltmeisterschaftsturnier 1972 leitete der Mannheimer Kurt Tschenscher das Eröffnungsspiel und der Leipziger Rudolf Glöckner das Finale; dafür erhielt er die »Silberne Pfeife«. Der »Kicker«, ein Fachblatt der Bundesrepublik, freute sich, daß DDR-Richter Glöckner »auch Schwächen beim Weltmeister« Brasilien herausgefunden hatte.
Natürlich feierte auch die DDR ihren 23. Mann beim Endspiel zwischen Brasilien und Italien. Im Kommentar widmete das Ost-Berliner »Deutsche Sportecho« dem Wettkampf selbst 60 Zeilen, ihrem Schiedsrichter 61. Als er von dem Turnier heimkehrte, zu dem sich die DDR-Nationalmannschaft nicht qualifiziert hatte, empfingen DDR-Funktionäre wenigstens ihren Einzelteilnehmer mit Blumen und Bruderküssen.
Bundesdeutsche Schiedsrichter-Obmänner brauchten da mehr Zeit, die internationale Wertschätzung ihrer Unparteiischen zu begreifen. Vor allem pochten sie auf strikte Einhaltung der Amateurgrundsätze. So durften Deutsche nie ungestraft aus ihrer Regelkunde Profit schlagen.
Als sich der Hamburger Fußballschiedsrichter Horst Herden von brasilianischen Profimanagern als Berufsschiedsrichter engagieren ließ, wurde er nach seiner Rückkehr zunächst auf Lebenszeit gesperrt. Dann mußte er wieder in der Kreisklasse beginnen.
Vom Verband im Stich gelassen fühlten sich die bundesdeutschen Freizeit-Richter häufig auch im Eishockey. »Wenn wir schon mal drakonische Strafen verhängen«, wetterte der Krefelder Josef Rommerskirchen, »dann lassen uns oft die Funktionäre im Stich.« Nachdem nämlich der Mannheimer Bundesligaspieler Lorenz einen Schiedsrichter verprügelt hatte, wurde er zunächst auf Lebenszeit gesperrt -- doch ein Jahr später durfte er schon wieder den Schläger schwingen.
Aber gerade diese Art, auch übertriebene Härte milde zu ahnden, bringt immer häufiger deutsche Schiedsrichter ins Spiel. »Wer streng pfeift, kommt nicht mehr zum Einsatz«, fand CSSR-Nationaltrainer Dr. Wladimir Kostka heraus.
Und dem »Sport«, Zürich, vertraute Kostka an, daß es viele Funktionäre und Teams für wünschenswert halten, »wenn larger arbitriert wird«.