DFB-Sieg gegen Frankreich Der Weltmeister ist wieder da
Kerstin Garefrekes brauchte eine Sekunde. Die Offensivspielerin des 1. FFC Frankfurt drehte gerade vom gegnerischen Tor ab und lief zurück ins Feld, als sie einen kurzen Schrei ausstieß. In ihrem Gesicht wich die Anspannung der Freude. Die 31-Jährige hatte soeben einen Freistoß von Babett Peter per Kopf ins Tor gewuchtet, Deutschland führte 1:0 gegen Frankreich. Garefrekes' Jubel in der 25. Minute stand stellvertretend für das deutsche Team am Dienstagabend. Die DFB-Elf hat sich durch das 4:2 (2:0) im Spitzenspiel gegen die Französinnen nicht nur den ersten Platz in der Gruppe A gesichert, sondern sich auch gleich selbst therapiert. "Heute war es richtig schön. Das war Fußball für mich", sagte Bundestrainerin Silvia Neid.
Deutschlands Fußball-Frauen sind zurück. Als Mannschaft, als Publikumsliebling, als WM-Favorit. Durch den Erfolg gegen die hoch eingeschätzten Französinnen hat die Neid-Elf den kollektiven Zweifel abgeschüttelt. Nach dem mühsamen 1:0 gegen Nigeria schien plötzlich nicht mehr sicher, was diese deutsche Mannschaft leisten kann. Ist sie wirklich in der Lage, mit der hohen Erwartungshaltung umzugehen? Deutschland diskutierte - und an dem Team ging das nicht spurlos vorbei.
Die im Vergleich zum Nigeria-Spiel auf vier Positionen veränderte Mannschaft zeigte auch in den Anfangsminuten gegen Frankreich eine schwache Spieleröffnung, der Gegner war bei den zweiten Bällen oft einen Schritt schneller. Nach Garefrekes' Treffer war alles wieder gut. Jubel auf den Rängen, Erleichterung auf dem Platz. Vergessen war die Zeit bis zur Führung, in der man der deutschen Mannschaft die Verunsicherung anmerkte.

Egal, ob Peter von links die Bälle blind nach vorne drosch, Célia Okoyino da Mbabi selbst einfachste Zweikämpfe im Mittelfeld verlor oder Inka Grings im Sturm teilnahmslos über das Feld lief: Deutschland machte es den Fans in Mönchengladbach zunächst nicht leicht, die gute Stimmung beizubehalten. Das lag auch an Frankreich, nach dem 4:0-Sieg gegen Kanada zum nächsten WM-Geheimfavoriten hochgejazzt.
Grings trifft doppelt
Doch weder die gelobte Lyon-Achse noch der Sturm um Gaetane Thiney war zunächst zu sehen. Im Mittelfeld präsentierte sich Louisa Nécib komplett außer Form, sie wurde zur Halbzeit ausgewechselt. Der deutschen Elf gelang vorher noch der zweite Treffer. Simone Laudehr flankte von links, in der Mitte köpfte Grings zum 2:0 ein (32.). Jetzt war jede Unsicherheit weg, bis zur Pause hätte Deutschland nahezu ohne Verteidigung spielen können, so beeindruckt war der Gegner von der deutschen Chancenverwertung, unfähig zu eigenen konstruktiven Offensivaktionen.
Deutschland war weit davon entfernt zu zaubern, doch Gefahr für das eigene Tor schien nur nach Standardsituationen zu drohen. In der zweiten Halbzeit nutzten die Französinnen eine Ecke zum 1:2. Die eingewechselte Marie-Laure Delie köpfte an Nadine Angerer vorbei, die deutschen Mannschaft musste nach dem 2:1 im Eröffnungsspiel gegen Kanada erneut einen Anschlusstreffer verarbeiten.
Es war dem Birgit-Prinz-Ersatz Grings zu verdanken, dass die DFB-Elf gegen Frankreich besser mit der Situation umging. Zunächst forderte sie die französische Torhüterin Bérangère Sapowicz mit einem direkten Freistoß (60.), dann verwandelte sie einen Elfmeter zum 3:1 (68.). Fatmire Bajramaj war von Sapowicz gefoult worden, Schiedsrichterin Kirsi Heikkinnen wertete die Aktion als Notbremse und zeigte der Torhüterin die Rote Karte.
Deutsche Abwehr bei Ecken anfällig
Nach einer minutenlangen Unterbrechung, in der Bajramaj behandelt wurde und Frankreichs Trainer Bruno Bini Ersatzkeeperin Celine Deville brachte, behielt Grings die Nerven und traf sicher. "Es hat gutgetan. Man hat gesehen, dass wir Fußball spielen können", sagte die "Spielerin des Spiels" nach dem Schlusspfiff. Die 32-Jährige ist für die deutsche Mannschaft bei diesem Turnier schon jetzt doppelt so wertvoll wie DFB-Rekordspielerin Prinz, für die es nach diesem Match schwer werden dürfte, noch einmal in die Startelf zurückzukehren.
Wechsel wären eher in der Abwehr angebracht. Mit der zweiten Ecke in der zweiten Halbzeit setzte es den zweiten Gegentreffer. Diesmal durfte Laura Georges unbedrängt einköpfen, Saskia Bartusiak hatte zuvor den Zweikampf verloren. "Das darf uns nicht passieren. Da waren wir unaufmerksam", sagte Neid.
Doch Deutschland zeigte Moral und drängte erneut auf den nächsten Treffer. Wieder war es Grings, die mit einem Freistoß ans Außennetz das Signal gab (75.). Die stets agile Bajramaj, die sich in der zweiten Hälfte noch weiter steigerte, hätte beinahe das 4:2 erzielt, Camille Abily rettete auf der Linie, der Nachschuss von Lena Goeßling landete auf der Latte (77.). Viele Tore, Chancen und vor allem großes Engagement: Deutschland spielte erstmals bei dieser WM eine mitreißende Partie, das Publikum war begeistert.
Als kurz vor Schluss das bei dieser WM schon so oft gehörte "Oh wie ist das schön" erklang, schien das passend wie nie zuvor. Da Mbabi hatte in der 89. Minute mit dem 4:2 alles klargemacht. Der Gruppensieg war nach dem dritten Erfolg im dritten Spiel perfekt. "Wir sind jetzt angekommen im Turnier. Die Spielerinnen haben gesehen, wie gut sie spielen können", sagte Neid.
Viertelfinal-Gegner Japan soll das am Samstag (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) zu spüren bekommen.
Frankreich - Deutschland 2:4 (0:2)
0:1 Garefrekes (25.)
0:2 Grings (32.)
1:2 Delie (56.)
1:3 Grings (68., Foulelfmeter)
2:3 Georges (72.)
2:4 Okoyino da Mbabi (89.)
Frankreich: Sapowicz - Lepailleur, Georges, Renard, Boulleau - Soubeyrand, Bussaglia - Le Sommer (68. Deville), Necib (46. Abily), Thiney - Thomis (46. Delie Deutschland: Angerer - Schmidt, Krahn ( ab 78. Popp), Bartusiak, Peter - Laudehr (ab 46. Hingst), Goeßling - Garefrekes, Okoyino da Mbabi, Bajramaj - Grings Schiedsrichter: Heikkinen (Finnland)
Zuschauer: 45.867 (ausverkauft)
Rote Karten: Sapowicz (65., Notbremse)
Gelbe Karten: Bussaglia, Georges, Renard - Goeßling, Bajramaj