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EISHOCKEY »Die machen alles kaputt«

Um den Bau einer Veranstaltungshalle zu realisieren, ließ sich ein Berliner Immobilienkaufmann zum Präsidenten des örtlichen Eishockeyklubs wählen - jetzt ist der Verein ruiniert.
aus DER SPIEGEL 12/1997

Entschlossen kreist Axel Banghard, 30, mit der vergoldeten Spitze eines Kugelschreibers über dem Modell seiner Konzert- und Sporthalle. Wenn zukünftig S-Bahn-Züge in die derzeit noch brachliegende Haltestelle am Olympiastadion eingefahren seien, trägt der Immobilienkaufmann vor, bräuchten die Fahrgäste nur eine Rolltreppe hinaufschweben,und schon befänden sie sich in der »Arena Berlin« - als Konsumenten von Eishockeyspielen, Popkonzerten oder Operngalas.

Druckreif kommen dem Gesellschafter der Unternehmensgruppe Prinz zu Hohenlohe & Banghard die Grundzüge seiner »Vision« über die Lippen. Technisch betrachtet stelle die multifunktionale Veranstaltungsstätte eine »Fortschreibung des Madison-Square-Garden-Konzepts« aus New York dar; und erst einmal in Betrieb, liefere sie einen »wichtigen Part für das Hauptstadt-Marketing dieser Stadt«. Sogar sozialpolitisch, führt der alerte Manager aus, sei das Projekt wertvoll: »Wir wollen den Eishockeysport zum Event für die ganze Familie verändern.«

Was der ehrgeizige Geschäftsmann bei der Aufzählung gern unterschlägt, ist sein Eigennutz. Der muß beträchtlich sein, denn um zum Ziel zu kommen, hat Banghard das Präsidentenamt des örtlichen Eishockey-Erstligisten besetzt, den Ruin des Klubs vorangetrieben und wohlmeinende Sportförderer verprellt.

Banghard, der seine Entwicklungsgesellschaft Phidias mbH nach dem obersten Bauleiter auf der Akropolis (5. Jahrhundert vor Christus) benannt hat, steht als Musterbeispiel für eine neue Generation von Sportfunktionären; Leute wie er oder Michael Payne, Marketingdirektor des Internationalen Olympischen Komitees, folgen nur einem Antrieb: Sie wollen den Sport höchst profitabel verkaufen - als handelten sie mit Wurstwaren, Büroflächen oder Versicherungspolicen.

Sport ist Entertainment, und Entertainment ist Geschäft, lautet die moderne Devise. Gute Unterhaltung aber läßt sich nur in einem properen Umfeld produzieren, und dafür ist wiederum Immobilienfachmann Banghard zuständig.

Daß die neuen Macher mit ihrer Haltung das Denken und die Ideen der Sportväter Neckermann und Daume unter die Räder bringen, regt niemanden mehr ernstlich auf. Banghard und Kollegen sind längst einen Schritt weiter: Sie nehmen billigend in Kauf, daß, wie beim Berliner Eishockeyklub BSC Preussen geschehen, ein kompletter Verein dieser Philosophie zum Opfer fällt.

Letztlich, hält Banghard dagegen, sei mit seiner Halle »doch allen geholfen«, der S-Bahn, der öffentlichen Hand, ganz Berlin. Das habe der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen schon vor Jahren erkannt, als er ihn bekniete: »Herr Banghard, können Sie eine solche Halle nicht privat finanzieren?«

Der Sohn eines schwäbischen Immobilienkaufmanns wußte einen Weg, schließlich sei »Berlin ein Markt, der sich rechnet«. Erst verfolgte er die Idee einer großen Olympiahalle für 20 000 Menschen, dann schwenkte er um auf jenes 130 Millionen Mark teure Projekt, bei dem er den S-Bahnhof am Olympiastadion mit einer Arena nebst Geschäften, Parkhaus und Hotel überbauen will.

Einmal in Schwung, entwarf er ein Betreiberkonzept, in dessen Kern der Eishockeysport steht. Mit einem simplen Kniff fand er auch den potentiellen Dauermieter: Er ließ sich zum Präsidenten des BSC Preussen wählen. Und dessen Eishockeyteam soll die Berlin-Arena nun an 35 Tagen im Jahr füllen.

Banghards rigorose Strategie hat Wunden hinterlassen in der Berliner Sportgemeinde. Der Geschäftsmann mit der Vorliebe für Gelhaar, so wirft ihm Herrmann Windler, sein Vorgänger auf dem Präsidentenstuhl vor, habe sich »der Spieler und damit des Vereinsvermögens bemächtigt« - allein mit dem Ziel, seine persönlichen Interessen durchzusetzen.

Wenn Windler, 60, in seinem argentinischen Steakhaus am Berliner Funkturm über die vergangenen Monate seines Klubs räsoniert, treten dem Mann mit der großen Goldrandbrille regelmäßig Tränen in die Augenwinkel. »Ich habe alles mit dem Herzen gemacht«, sagt der Gastronom, »doch die machen alles kaputt, die haben den Untergang der Preussen bösartig vorbereitet.«

Windler führte den Verein zwölf Jahre lang wie ein Patriarch. »Sicher hatten auch wir kleine Tricks parat«, bekennt er, doch die dienten nur dazu, die kostspielige Eishockeytruppe bezahlen zu können. Windlers Hände streichen fast zärtlich über den Bildband »Preussen - 10 Jahre eine eiskalte Leidenschaft«. »Nicht nur der Verein ist am Abgrund«, sagt er schließlich tonlos, »die machen auch mich fertig.«

Insgeheim wirft sich der ehemalige Präsident vor, Banghards Weg an die Klubspitze unterstützt zu haben. Er selbst war nach den vielen aufreibenden Jahren amtsmüde, und Banghard brachte zwei einflußreiche Geschäftsfreunde mit ins Präsidium: David Goldberg, den »Diamanten-König« (bild) von Berlin, und Alfred Weiss, einen stadtbekannten Großhotelier.

Die wahren Ziele seines Nachfolgers erschlossen sich Windler erst, als Banghard auf der Jahreshauptversammlung begann, den Schuldenstand der Preussen hochzurechnen - was dazu führte, daß dem abgewählten Präsidenten von den Mitgliedern die Entlastung versagt blieb.

Später warf ihm der neue Machthaber öffentlich vor, ein Finanzloch von acht Millionen Mark hinterlassen zu haben, zudem habe der Verein »Steuerhinterziehung« und »doppelte Buchführung« betrieben - Windler wurde in die Rolle des Buhmanns ("Rück die Millionen raus") gedrängt.

Wenig später gelang es Banghard mit einem zweiten Schachzug, die Eishockeymannschaft aus dem Verein herauszulösen und zur »Preussen Devils Eishockey GmbH« umzuwandeln. Banghard und Goldberg wurden Hauptteilhaber, später verkaufte Goldberg seine Anteile unter anderen an Banghards Vater Egon. Für den Altverein meldete das Präsidium alsdann Konkurs an.

Banghards Gangart war so forsch, daß es selbst den Vorstandskollegen bald zuviel wurde: Goldberg und Weiss ließen dem Chef ein Einschreiben zukommen, in dem sie ihn aufforderten, die alten Preussen zu sanieren und die öffentlich zugesagte Entschuldung einzuleiten. Denn durch die »übereilte Gründung« der Devils, klärten sie ihren Vorsitzenden auf, sei dem Verein »jegliche Möglichkeit genommen, Einnahmen aus dem Eishockey-Spielbetrieb zu erzielen«.

Es könne nicht angehen, ergänzte Weiss in einem zweiten Brief, daß »Du als Privatperson und Gesellschafter der Devils GmbH, Dich an dem Aktivvermögen bedienst und auf der anderen Seite nicht bereit bist, im Gegenzug schriftliche Verpflichtungen gegenüber dem BSC Preussen einzugehen«. In einem persönlichen Gespräch mit Weiss erfuhr Windler im Dezember 1995, daß seine Nachfolger von Beginn an in Kauf genommen hätten, die »Preussen in Konkurs zu treiben« und sich die Eishockeyprofis »umsonst« anzueignen.

Nach den Interventionen seiner Vorstandskollegen, die um ihren guten Ruf in Berlin bangten, wurde es einsam um Banghard. Er zog den Konkursantrag zurück und gab öffentlich zu, daß Windler nicht acht Millionen Mark Schulden, sondern weniger als vier Millionen hinterlassen habe. Zudem beschied ihm der Deutsche Eishockey-Bund, daß er sich nicht einfach der Amateur- und Jugendabteilung entledigen könne, und drohte mit Spielsperren für die Profimannschaft - seine Hallen- und Eishockeypläne schienen dem Scheitern nah.

Banghard verordnete sich für einige Monate Zurückhaltung, unternahm kosmetische Korrekturen, indem er beispielsweise die Berlin Devils hauptstadtwürdig in »Capitals« umtaufte, und trat als Präsident des Altvereins BSC Preussen zurück: »Ich kann es mir nicht bieten lassen, für alte Steuerschulden persönlich haftbar gemacht zu werden.«

Während die Preussen nun schon seit rund vier Monaten ohne Vorstand dastehen, hat Banghard als Vorstandsvorsitzender der Capitals GmbH weiter den Zugriff auf die Eishockeyprofis. Sorgen bereitet dem Jungunternehmer nur die sportliche Entwicklung des Teams, das in der Meisterschaftsrunde so schlecht abschnitt wie lange nicht mehr. Etliche Sponsoren und Tausende von Zuschauern haben sich vom Klub abgewandt. Spieler berichten, ihnen seien bereits Gehaltskürzungen angekündigt worden.

Derweil rüstet auch Herrmann Windler zum letzten Gefecht. Mit 950 000 Mark hatte der Gastronom einst für seinen Verein gebürgt, nun verlangen die Banken das Geld für die Kredite zurück.

Sein Nachfolger habe das »Vereinsvermögen verschleudert« und »bestehende Forderungen nicht eingetrieben«, sagt Windler. Er will Banghard deshalb verklagen. Denn wenn er wirklich noch für alte Klubdarlehen aufkommen müsse, klagt der kaltgestellte Eishockeyfan, »dann bin ich kurz vor meiner Rente ruiniert«.

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