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Die Millionen der Slalome

Auch im Werbegeschäft liegt Ski-Olympiasiegerin Rosi Mittermaier mit an der Spitze. Weniger erfolgreiche Stars kehren zur Piste zurück.
aus DER SPIEGEL 48/1976

Ski-Olympiasiegcrin Rosi Mittermaier kommt von der Winklmoosalm bei Reit im Winkl immer wieder hernieder in die Einkaufscenter der Großstädte, obwohl »mich die Großstadt

* Autogrammstunde im Kaufhaus Horten, Hamburg: beim Hamburger Sportpressefest 1976.

nervös macht«. An Rhein und Main, Saar und Spree, Alster und Ruhr lächelt sie nicht mehr für Deutschland, sondern für Produkte.

»Rosi ist mehr wert als der Beckenbauer, und sie kostet nur die Hälfte«, lobt Pressechef Paul Spiegel vom Rheinischen Sparkassen-Verband. In Kaufhäusern, Boutiquen und Sportshops greift Rosi Mittermaier, 26, zum Fettstift. Rund 1500 Autogrammkarten schafft Gold-Rosi binnen anderthalb Stunden. »Ich werbe nur für Sachen, die etwas mit dem Skisport zu tun haben und sauber sind«, versicherte die Winklmooserin. Mittlerweile ist auch das Sortiment gemischter geworden.

Das Signum der Doppelolympiasiegerin von 1976 in Abfahrt und Slalom. prangt auf alten Schuhen und speckigen Filzhüten. Nur ein Buch, »das nicht von mir ist« und in dem »lauter »Mist drinsteht«, ließ sie ohne Rosi-Inschrift liegen.

Rosis Werbefeldzüge hatte der Größte im weltweiten Sport-PR-Verbund eröffnet: Mark McCormack, der nicht einmal den siebenfachen Goldmedaillengewinner Mark Spitz und Boxweltmeister Muhammad Ah haben wollte. Die immer lächelnde Rosi Mittermaier (US-Slogan: »Full-Time-Smiler") ist Deutschlands erster Sportstar, der für den US-Werbeweltmeister reist. Gage: mehr als zwei Millionen Mark für drei Jahre.

»Wenn sie klug ist, kann sie das noch 20 Jahre lang in der Werbung machen«, erklärt McCormack-Manager lan Todd. Skirennen der Amateure, bei Olympia vor allem, kann Rosi Mittermaier allerdings nicht mehr bestreiten. Dafür darf sie mit der bundesdeutschen Nationalmannschaft weiter trainieren.

Auch eine bislang kaum beachtete oberbayrische Skifabrik wurde vom Rosi-Boom erweckt: Georg Fritzmeier aus Hausham hofft den Absatz seiner Skiartikel in dieser Saison um 30 Prozent steigern zu können. Wie die größten Skihersteller will er jährlich mehr als 100 000 Bretter seiner 15 verschiedenen Sorten verkaufen. Auf den teuersten Fritzmeier-Skiern leuchtet ein Mittermaier-Autogramm. Die Olympiasiegerin, die ihre Medaillen in Innsbruck noch auf französischen Dynamic-Skiern gewonnen hat, hilft den Kaufinteressenten mittels Fragebogen bei der Sortenwahl. Für den Georg Fritzmeier wirbt auf Plakaten und in Anzeigen »Rosi Fritzmeier«.

Der Rosi-Run trieb eine österreichische Vorläuferin auf die Skipisten zuruck: Annemarie Moser-Pröll, 23, die bis 1975 in den jährlich ausgetragenen Weltcuprennen 41 mal Siegerin gewesen war. Sie hatte im Vorarlberger Heimatort Kleinarl ein Café aufgemacht. Zudem versprach ihr eine Waschmittelfirma. Auftritte in Werbefilmen.

Doch Annemarie Moser-Pröll zeigte nur einmal im österreichischen TV-Programm. was sie auf der Bluse hat: einen Marmeladenfleck, den Persil tilgt. »jetzt siehst du fesch aus«, lobte ihr Ehemann im Werbespot. Danach gab es keine weiteren Moser-Filme.

Da auch das Café nebst Pension (Baukosten: 13 Millionen Schilling) in die roten Zahlen geraten war, verkündete die Weltmeisterin ("Natürlich haben wir Schulden wie jeder neue Unternehmer in Österreich") die Rückkehr auf die Skipisten. Spätestens im Januar 1978 möchte sie bei den Ski-Weltmeisterschaften in Garmisch-Partenkirchen den Rosi-Triumph kopieren.

Dem finanzschwachen Österreichischen Skiverband versprach sie das TV-Werbehonorar« knapp 17000 Mark, um ihren Amateurstatus zurückzugewinnen. Der Verband, um Stars verlegen und beim Innsbruck-Olympia neben der dreifachen Medaillengewinnerin Mittermaier nur mit einer Silbermedaille belohnt, hatte längst Starterlaubnis gegeben. Der neue Skischuh Lieferant der Rückkehrerin, Toni Lintner, erwartet 2000 neue Arbeitsplätze, wenn »La Pröll« auf österreichischen Skibrettern siegt.

Österreichs Unterrichtsminister Fred Sinowatz versprach die Ausstellung einer rein österreichischen B-Lizenz, falls der Weltverband (FIS) die unternehmerische Amateurläuferin sperren sollte. Doch FIS-Präsident Marc Hodler gab auch schon das Startzeichen: »Sie war ja nicht Rennläuferin, als sie die TV-Werbung machte.« Rosi Mittermaier rät jedoch der Freundin: »Ich tat's nicht machen, wenn man so lange raus ist.«

Kunststück« Rosi ist schon für die beiden nächsten Winter ausgebucht: Das erste authentische Rosi-Buch ist im Druck. Geschrieben hat es der deutsche Mannschaftssprecher von Innsbruck, Hans-Joachim Maitre. Gestrichen, etwa 25 Seiten, hat Rosi Mittermaiers Vater alles, was -- Ski Heil -nicht sauber oder viel zu kritisch war.

Auch der Münchner Schallplattenproduzent Hans R. Beierlein kam nach »monatelangen Bemühungen« an den Werbestar heran. Für eine bayrische Folklore-Gesangsdarbietung engagierte Beierlein sogar ein Mittermaier-Doppel: Slalome Rosi singt mit ihrer jüngeren Schwester Evi.

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