Streit über veröffentlichte Disziplinarverfahren Datenschutz für Dopingsünder

Urinproben in einem Antidopinglabor: »Sanktionsentscheidungen müssen kommuniziert werden«
Foto: FRANCK FIFE/ AFPTransparenz ist im Antidopingkampf von elementarer Bedeutung – das betonen alle Beteiligten immer wieder. Doch was, wenn das Transparenzbestreben auf den deutschen Datenschutz trifft? Dann kommt es zu einem Konflikt: Die deutsche Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) musste jüngst ihre Dopingsünder-Datenbank offline nehmen , nachdem ein Sportler Beschwerde beim Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit eingelegt hatte.
Bei der Nada ist man darüber enttäuscht: »Unseres Erachtens werden die Interessen einer/s einzelnen betroffenen Athleten*in über den Schutz aller unbeteiligten, sauberen Athleten*innen vor unberechtigten Dopinganschuldigungen gestellt. Sanktionsentscheidungen müssen kommuniziert werden, um nachvollziehbar zu sein«, teilt die Nada dem SPIEGEL auf Anfrage mit.
Seit 2016 hatte die Nada in der Datenbank alle abgeschlossenen Disziplinarverfahren bei einem Verstoß gegen Antidopingbestimmungen aufgeführt. Dort wurden die Art und das Datum des Verstoßes veröffentlicht, die verbotene Substanz oder Methode sowie die Sanktionen. Auch der Vorname und der erste Buchstabe des Nachnamens der Dopingsünder waren dort zu lesen. Nach der Verjährung wurden die Einträge gelöscht. Urteile gegen Minderjährige wurden nicht angezeigt.
»Einstellung der Datenbank ist unbefriedigend«
Die Datenschützer des Landes NRW, die dem SPIEGEL eine Beschwerde gegen die Veröffentlichungen bestätigten, teilten mit: »Nach unserer derzeitigen Einschätzung ist keine Rechtsgrundlage vorhanden, nach welcher Sanktionsentscheidungen unbeschränkt im Internet veröffentlicht werden können, die die sanktionierte Person identifizierbar machen, etwa durch Nennung des Namens und/oder Angabe weiterer persönlicher Informationen.«
Aus Athletensicht haben beide Standpunkte ihre Berechtigung: »Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Nada dem Datenschutz und den Persönlichkeitsrechten der Athletinnen hohen Wert beimisst«, teilt der Zusammenschluss Athleten Deutschland dem SPIEGEL mit. Allerdings: »Gleichzeitig ist die Einstellung der Datenbank für viele Athletinnen und Athleten unbefriedigend. Sie wünschen sich eine transparente Berichterstattung zu Dopingverfahren, nicht zuletzt auch, weil die Benennung einzelner Dopingsünderinnen verhindert, dass die sauberen Sportler*innen unter Generalverdacht gestellt werden.«
Die vorläufige Einschätzung der Datenschützer beschäftigt nun die Juristen der Nada. Diese hatten laut eigener Aussage eine Reihe von Rechtsgrundlagen vorgelegt, die die Veröffentlichung begründen sollten. Man berief sich etwa auf das Antidopinggesetz oder das Internationale Übereinkommen gegen Doping im Sport . Eine Veröffentlichung ist im Nada-Code ausdrücklich vorgesehen. Dort heißt es: »20 Tage nach Rechtskraft der Entscheidung, dass ein Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen vorliegt, soll die für das Ergebnismanagement zuständige Anti-Doping-Organisation die Entscheidung veröffentlichen...«.
Nada behält sich Rechtsmittel vor
Doch nichts davon ließ die Datenschützer, die auf die Datenschutzverordnung pochten und neben einer Einzelfallprüfung auch die Unkenntlichmachung der persönlichen Daten fordern, von ihrer Einschätzung abweichen. Das Prüfverfahren der Behörde ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
Die Antidopingagentur kündigte an, unabhängig von der Datenbank weiterhin zuständige Stellen wie Turnierveranstalter und Verbände über abgeschlossene Verfahren zu informieren. Und sie will das Thema mit anderen europäischen Antidopingorganisationen (NADOs) sowie den Antidopinggremien des Europarats und der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada erörtern. »Ziel ist es, eine einheitliche und allgemein verbindliche Veröffentlichungspraxis in Europa unter Berücksichtigung der Vorgaben des Datenschutzes zu etablieren«, teilt die Nada mit.
Sie behält sich zudem zugleich »sämtliche Rechtsmittel gegen eine für die Antidopingarbeit der Nada in Deutschland negative Prüfentscheidung der Aufsichtsbehörden vor«. Offenbar gibt es Unterstützung durch die Welt-Anti-Doping-Agentur: Wada und Nada seien demnach der gleichen Auffassung, dass dies ein »wichtiger Baustein einer einheitlichen Antidopingarbeit« sei. Zudem verwies die Nada auf andere europäische Länder, wo noch viel weitreichendere Informationen zur Verfügung gestellt würden.
Die Datenschutzbeauftragten setzen weiter auf Dialog: Grundsätzlich fasse die Landesbeauftragte seine Kontrollaufgaben eher beratend als repressiv auf. Die Behörde bemühe sich, vorrangig im Wege der Beratung Einigkeit über das weitere Vorgehen zu erzielen. Und: »Als weitergehende Möglichkeit ist vorgesehen, die Thematik über die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (Datenschutzkonferenz) auf europäischer Ebene breiter zu diskutieren.«