Eishockey-Saisonende wegen Coronavirus "Eine brutale Entscheidung"

Die DEL-Spieler verlassen für diese Saison endgültig das Eis
Foto: Beautiful Sports/ Wunderl/ imago imagesDie Augsburger Panther haben für den heutigen Mittwoch eine Sondersitzung in ihrer Geschäftsstelle einberufen. Thema: Rücktransfer von Geldern. Am Freitag hätten sie ihr Heimspiel gegen den ERC Ingolstadt in der ersten Playoff-Runde der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gehabt, binnen zwei Stunden waren die 6179 Tickets vergriffen gewesen. Gestern jedoch erklärte die Liga wegen der drohenden Corona-Epidemie ihre Saison für beendet, und so müssen die beteiligten Klubs Rückerstattungen leisten. Die DEL vermarktet die Playoffs, die ab dem Viertelfinale im ausgedehnten Modus "Best of Seven" laufen, seit Jahren erfolgreich als "geilste Zeit". Vor allem aber sind sie für die Vereine die potenziell lukrativste Zeit, die nun ersatzlos entfällt. Augsburg etwa, einer der Kleinen in der Liga, war voriges Jahr bis ins Halbfinale vorgedrungen und hatte den Preis für einen Stehplatz auf stolze 33 Euro erhöht - fast eine Verdoppelung gegenüber der normalen Saison. Die Leute bezahlten klaglos.
Von einer "brutalen Entscheidung" spricht einer, der an der Konferenz der DEL teilnahm, in der das abrupte Saisonende beschlossen wurde. Die Liga gehört ihren Gesellschaftern, das sind die 14 Klubs, sie kamen nach "stundenlangen Diskussionen fast einstimmig" zu einem Konsens, der sie momentan schmerzt, aber hinter dem eine Strategie steckt. Die DEL will "keine negativen Schlagzeilen schreiben". Konkret: Es soll nicht passieren, dass von einem Eisstadion eine Infektionskette ausgeht - "und wenn es von einem Eismeister ist" -, die womöglich zu Todesfällen führt. Dafür nimmt man in Kauf, dass man in den wichtigsten Monaten der Saison nichts verdienen wird.
'"Reduzierte Zuschauerschaft" sicheres Verlustgeschäft
Dabei hätte die DEL Spiele mit reduzierter Zuschauerschaft bestreiten können. Bis zu 1000 Besucher hätte sie zulassen können, doch beim Treffen der Gesellschafter wurde das als nicht machbar abgelehnt. Die meisten haben mehr als 1000 Dauerkartenbesitzer, die für die Playoffs ein Vorkaufsrecht haben. Sollte man erst die Stammkunden bedienen oder die VIPs und Sponsoren, sollte man die Tickets verlosen? Den absehbaren Unfrieden wollten sich die Klubs ersparen. Außerdem wäre es ein sicheres Verlustgeschäft, eine Halle zu öffnen und sie nicht gut füllen zu dürfen. Besonders die großen Multifunktionsarenen mit personeller Infrastruktur, ausgelegt auf Konzerte und Sportevents mit an die 14.000 Gästen, sind kostenintensiv. "Wenn Mannheim die SAP Arena nur aufsperrt, sind schon 60.000 bis 70.000 Euro weg", sagt ein Insider. Der Schaden ist geringer, wenn nicht gespielt wird. Die Kölner Haie, die sich für die Playoffs als Elfter dieses Jahr gar nicht erst qualifiziert haben, kommen bei einem Spiel erst in die Rentabilitätszone, wenn sie mehr als 11.000 Karten verkaufen.
Die Playoffs sind für die Klubs, deren Jahresetats von fünf bis 16 Millionen Euro reichen, eine finanzielle Wundertüte. Im Lizenzierungsverfahren der DEL wird eine Kalkulation für die Hauptrunde mit 52 Spieltagen, die sich über sechs Monate erstreckt, eingereicht. Was danach kommt, ist schwer abzuschätzen. Erfolg kann auch teuer zu stehen kommen. Schreckensbeispiel der Ligengeschichte sind die Krefeld Pinguine, die 2003 zu ihrer eigenen Überraschung Deutscher Meister wurden und fast Konkurs hätten anmelden müssen: Die zu zahlenden Prämien an die Mannschaft überstiegen die unerwarteten Zusatzeinnahmen aus den Ticketverkäufen. Andererseits kann man an langen Playoffs auch verdienen, weil Sponsorenverträge in der Regel Prämienstaffelungen haben und es mehr Heimspiele gibt.
Die Spieler müssen weiter bezahlt werden
Ihre Spieler müssen die Vereine weiter bezahlen, die Verträge laufen mindestens bis zum 30. April, dem spätestmöglichen Ende der Playoffs. Ob sie Kurzarbeit anmelden können, das werden die Klubs erst noch prüfen. Auch ob die Spieler Anspruch auf entgangene Playoff-Prämien haben, ist zu klären. Die Deutsche Eishockey Liga hat Neuland betreten und sich womöglich auf rechtliches Glatteis begeben. Ihre Entscheidung, die Saison zu beenden, erfolgte spontan. Und getrieben auch vom Gedanken, dass sie ihren Sport im Fernsehen nicht als Spiel vor leeren Rängen präsentieren wollte. Partner der DEL ist die Deutsche Telekom mit dem Portal Magentasport, Sport1 wollte in den Playoffs an nahezu jedem Spieltag live dabei sein. Dass die DEL ihr Programm streicht, "ist auch für die nicht einfach", sagt DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke über die beiden Sender, "aber wir gehen davon aus, dass wir eine für beide Seiten gute Lösung finden".
Coronavirus: Coronaviren sind eine Virusfamilie, zu der auch das derzeit weltweit grassierende Virus Sars-CoV-2 gehört. Da es anfangs keinen Namen trug, sprach man in den ersten Wochen vom "neuartigen Coronavirus".
Sars-CoV-2: Die WHO gab dem neuartigen Coronavirus den Namen "Sars-CoV-2" ("Severe Acute Respiratory Syndrome"-Coronavirus-2). Mit der Bezeichnung ist das Virus gemeint, das Symptome verursachen kann, aber nicht muss.
Covid-19: Die durch Sars-CoV-2 ausgelöste Atemwegskrankheit wurde "Covid-19" (Coronavirus-Disease-2019) genannt. Covid-19-Patienten sind dementsprechend Menschen, die das Virus Sars-CoV-2 in sich tragen und Symptome zeigen.
Ob die Saison schon definitiv beendet ist, hängt auch von der International Ice Hockey Federation (IIHF), dem Eishockeyweltverband, ab. Im Mai soll in Lausanne und Zürich die Weltmeisterschaft stattfinden. Bleibt es bei dem Termin, müssten sich die Nationalspieler fast zwei Monate fit halten.
"Eine Vereinsmannschaft", erzählt der ehemalige Nationalspieler und jetzige Fernsehexperte Rick Goldmann, "löst sich nach ihrem letzten Spiel nie gleich auf, sie bleibt mindestens eine Woche zusammen, um die Saison aufzuarbeiten". Die Teamkasse mit den Strafzahlungen muss auf den Kopf gehauen werden, auch das gehört zum Ritual, das eine Saison beschließt. Die zehn Playoff-Teams, so ist zu hören, wollen sich heute wie gewohnt zum Training treffen.