DEL-Meister Eisbären Berlin Wenn sich 2021 anfühlt wie die gute alte Zeit

Acht Jahre mussten die Eisbären Berlin auf ihren achten Titel warten. Für die einstigen Seriensieger lief endlich alles zusammen. Auch, weil der neue Trainer an den alten Meistermacher erinnert.
Auf die Plätze, fertig, Meister! Nach Schlusspfiff waren die Eisbären nicht mehr zu halten

Auf die Plätze, fertig, Meister! Nach Schlusspfiff waren die Eisbären nicht mehr zu halten

Foto: O.Behrendt / imago images/Contrast

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Frank Hördler war der Mann des Abends. Die Tore für die Eisbären Berlin, den neuen deutschen Eishockeymeister, hatten andere geschossen, doch offensive Taten sind auch nicht sein Hauptaufgabenfeld. Hördler ist Verteidiger, ein Körperarbeiter, der mit treuherzigem Blick versichert, der Gegenspieler sei ihm »in die Schulter gelaufen«, wenn der sich nach einem harten Check sortieren muss. Diesmal hatten selbst die Gegner aus Wolfsburg für Hördler eine herzliche Umarmung parat, denn er gewann am Freitagabend seinen achten Titel – auf den er seit dem siebten acht Jahre hatte warten müssen.

Nationalspieler Hördler, einer der Olympia-Silbermedaillengewinner von Pyeongchang, stand für die Erlösung, die die Eisbären Berlin erfuhren, als sie das dritte Playoff-Finalspiel der Deutschen Eishockey Liga (DEL) und somit auch die Best-of-three-Serie gegen die Grizzlys Wolfsburg 2:1 für sich entschieden. Er ist der letzte verbliebene Spieler aus dem goldenen Jahrgang 1985, der Berlin zur Nummer-eins-Adresse im deutschen Eishockey gemacht hatte.

Allein in den sechs Jahren zwischen 2007 und 2013 holten die Eisbären, entstanden aus dem Ost-Klub Dynamo, fünf Titel. Hördlers Mitstreiter hatten sich nach und nach verabschiedet, vor dieser Saison André Rankel, der am Freitagabend in der leeren Arena am Berliner Ostbahnhof stand und bedauerte, nicht mehr aktiv zu sein (»Mein schlimmster Tag seit Karriereende«), und Florian Busch, der inzwischen Greenkeeper in einem Golfklub in Oberbayern ist.

Meister-Zigarre: Frank Hördler und Simon Despres

Meister-Zigarre: Frank Hördler und Simon Despres

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Hördler aber warf sich weiter in die Schüsse und sagte am Ende mit der obligatorischen Zigarre und der Bierflasche in Händen: »Serge Aubin hat Ähnlichkeit mit Don Jackson.« Der US-Amerikaner Jackson war der Trainer der Serienmeisterjahre, danach wechselte er in den Red-Bull-Konzern und holte mit München drei weitere Meisterschaften. Berlin wurde zum schwierigen Trainer-Pflaster, auf dem sogar das deutsche Eishockey-Idol Uwe Krupp stolperte. Der Kanadier Aubin kam 2019 und schaffte es in seiner zweiten Saison, die besonderen Umstände für sich und sein Team zu nutzen.

Modus begünstigte die Außenseiter

Die Eisbären sind der erste Corona-Meister; im Vorjahr hatte es keine Playoffs gegeben. Diesmal waren sie verkürzt, auf Dreier- statt Siebener-Serien, ein Modus, der die Außenseiter begünstigte. EHC München und Adler Mannheim, die Meister seit 2015, schieden im Viertel- und Halbfinale aus, ihnen begegneten die Berliner nicht, ihr Weg ins Finale führte über Iserlohn und Ingolstadt. In jede Serie starteten die Eisbären mit einer Heimniederlage, ließen dann aber zwei Siege folgen. »Es hat keiner den Kopf hängen lassen, das war ein ganz großer Charakterzug«, sagte Hördler.

Wer regelmäßig die DEL auf der Plattform Magenta Sport verfolgte, für den wurden die Eisbären zu guten Bekannten. Eishockey gab es in dieser Saison täglich, und im Anschluss an jedes Spiel der Liga lief die Dokumentation »DNA Eisbären Berlin« mit Impressionen aus dem Kabinenalltag. Man konnte Trainer Aubin erleben, wie er den jungen Stürmer Lukas Reichel vor den Mitspielern »Kid« nennt, das 18-jährige Toptalent aber anerkennt: »Er investiert viel Zeit in mich, er ist gut für junge Spieler.«

Eisbären-Trainer Serge Aubin: »Keine Angst, sondern Spaß haben«

Eisbären-Trainer Serge Aubin: »Keine Angst, sondern Spaß haben«

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Aubin tritt schneidig und bestimmend auf, Amtssprache ist Englisch und »fucking« das Wort, das viele Anweisungen unterstreicht. Aubin sieht die Beziehung zwischen sich und der Mannschaft »als Partnerschaft«, Verteidiger Ryan McKiernan, der zum besten Spieler der Finalserie gewählt wurde, hat mit dem Trainer schon eine gemeinsame erfolgreiche Zeit in Wien (2017 Meister) verbracht und sagt: »Wir haben in den Playoffs nicht viel geredet. Blicke haben genügt.«

Der Klub begann zu spüren, dass man mal wieder dran war. Aubin wies die Mannschaft an, »keine Angst, sondern Spaß zu haben«. Davon ließ sich schließlich auch Leo Pföderl mitreißen. Die Eisbären hatten zum Ende der Hauptrunde das verletzungsbedingte Saison-Aus des Stürmers aus der ersten Reihe verkündet, doch 16 Tage später stand Pföderl wieder auf dem Eis. Im dritten Finale erzielte er das 2:1-Siegtor.

Wirtschaftlich kompliziert, gesundheitlich schwer getroffen

Es war der Abschluss einer Saison, die für alle 14 DEL-Klubs ohne Zuschauereinnahmen wirtschaftlich kompliziert war. Die Eisbären wurden von der Pandemie auch gesundheitlich heftig getroffen: Schon im Herbst, als andere noch gar kein Eistraining hatten, erlebten sie die erste Welle, mussten Testspiele absagen, nach und nach erwischte es die halbe Mannschaft. Beim Vorbereitungsturnier um den Pokal des Medienpartners Deutsche Telekom wurden die Eisbären abgeschlagener Letzter in ihrer Gruppe mit München, Mannheim und Schwenningen. Erst im März mit einem straffen Spielplan und den weiteren Reisen in den Süden »sind wir ins Rollen gekommen«, so Hördler.

Die Eisbären erfüllten schließlich die Vorgabe aus Los Angeles, wieder eine titelreife Mannschaft zu werden. In Kalifornien residiert die Anschutz Entertainment Group (AEG), die den ehemaligen EHC Dynamo seit 1999 betreibt. Er ist ein Zuschussgeschäft. Der letzte veröffentlichte Geschäftsbericht, der sich auf die Saison 2018/19 bezieht, weist einen »nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag« von 63,787 Millionen Euro aus, durch die Coronakrise dürfte er sich weiter erhöht haben. Die Eisbären sind hoch verschuldet und leben von der Patronatserklärung ihrer »Konzernobergesellschaft« AEG, die jährlich verlängert wird. Vom Personaletat (sieben Millionen Euro) kann Berlin mit Mannheim und München (elf Millionen) nicht mithalten, dennoch duldet die Anschutz Group kein Mittelmaß. Berlin musste sich vor Los Angeles für einige Platzierungen der vergangenen Jahre erklären.

Umso wohltuender für den Klub, dass sich 2021 anfühlt wie die gute alte Zeit. Mit Frank Hördlers Schulter, die den Gegnern in die Quere kommt, mit der achten Meisterschaft für ihn und auch für Peter John Lee, 65, der seit 1996 im Verein ist, zunächst noch als Spieler und nun schon 21 Jahre lang als General Manager. Und mit dem ersten Titel für Serge Aubin, in dem die Eisbären den jungen Don Jackson sehen.

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