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OLYMPIA-MUSIK Erhabenster Tag

Kurt Edelhagen hat nicht, wie allseits verbreitet, die Olympia-Musik komponiert. Die wirklichen Urheber verlangen Satisfaktion.
aus DER SPIEGEL 37/1972

In seinem Eigenheim in Köln-Junkersdorf feierte Kurt Edelhagen, 52, am vorletzten Samstag mit Champagner den »vielleicht erhabensten Tag meines Lebens«. Vor rund einer Milliarde TV-Zuschauer in aller Welt hatte der Kapellmeister mit seiner Band wenige Stunden zuvor zur Olympiade-Eröffnung in München aufgespielt und sich dabei, so eine Tageszeitung, »die erste inoffizielle Goldmedaille« geholt.

Schon während der Übertragung hatten die Funk- und Fernseh-Moderatoren Edelhagens heitere Einmarsch-Musik gelobt. Willi Daume ("Phantastisch!") hatte dem Bandleader die Hand geschüttelt, Fürst Rainier von Monaco im Takt mitgeklatscht. »Gekrönte und ungekrönte Häupter«, erinnert sich Edelhagen, »haben uns begeistert zugenickt.«

Zwei Tage später bezeigten auch die Zeitungen dem Sieger der ersten Olympiade-Stunde Hochachtung: »Was dieser Mann sich für den anderthalbstündigen Einzug der Nationen einfallen ließ, war Goldes wert« ("Die Welt"). Sie teilten auch mit, wie es zu dieser Sternstunde gekommen war: Anderthalb Jahre lang habe Kurt Edelhagen an seiner »völlig neuartigen, originellen Mischung von Folklore und Swing« gearbeitet. Er habe »Unmengen Literatur« durchgesehen, »unzählige Arrangements auf ihre Wirkung ausprobiert« und »alles verfremdet, was ihm vor die

* Vorn: Jerry van Rooyen, Peter Herbolzheimer, Dieter Reith.

Trompete geraten war«. Die »widersprüchlichsten Elemente« habe er in »Edelhagenschen Musik-Arrangements« gemischt und zu einer »akustischen Selbstverständlichkeit verkocht«.

Doch das alles ist gar nicht wahr. Edelhagen hat nichts verfremdet, nichts arrangiert, nichts gemischt und nichts verkocht. Die Arbeit haben seine Arrangeure Dieter Reith, Jerry van Rooyen und Peter Herbolzheimer gemacht. Sie waren es, die in Plattengeschäften -- als Rohmaterial -- Folkloreaufnahmen aus 120 Ländern sammelten; sie haben die Instrumentierungen ersonnen und die Partituren geschrieben. »Edelhagen«, sagt Herbolzheimer, »war nicht mal bei den Stadionproben anwesend.« Er war, nachdem er sich einmal den Auftrag für die Eröffnungsmusik eingehandelt hatte, in München bloß noch die Frontfigur. die -- just for show -- ein Orchester dirigierte, von dem im Stadion kein einziger Ton zu hören war; die Intrada kam vom Playback-Band.

Daß er der Komponist des erfolgreichen Olympiade-Potpourris sei. das mittlerweile auch auf einer Langspielplatte vertrieben wird, hat Edelhagen selbst freilich nie behauptet: »Das habe ich gar nicht nötig.« Er hat es aber -- beispielsweise im Gespräch mit dem SPIEGEL -- auch nicht dementiert. Nötig hat er die Publicity also wohl doch.

Denn der Orchesterchef« dessen Jazzband seit 1957 für den WDR musiziert, ist zu Hause in Köln in Schwierigkeiten geraten. Weil »der Musikbedarf in Hörfunk und Fernsehen rückläufig ist und wir überdies sparen müssen« (Pressechef Josef Rick) will der Sender seinen Edelhagen-Vertrag, der Ende 1972 abläuft, nicht unmodifiziert verlängern. Edelhagen hat daher elf Musikern vorsorglich gekündigt; die Musiker haben daraufhin Arbeitsgerichtsprozesse eingeleitet,

Nur einer, der Edelhagen-Pianist Dieter Reith, Mitautor der Olympiade-Töne, blickt gelassen in die Zukunft. Er will sich mit seinen Kollegen van Rooyen und Herbolzheimer zu einem Arrangeur- und Komponisten-Team »für Jazz und alle Arten moderner Unterhaltungsmusik« zusammentun. »Daß wir auf diesem Gebiet Spitze sind«, sagt Reith, »haben wir in München ja wohl bewiesen.« Um diese Spitzenleistung zu propagieren. haben sich die drei Tonsetzer letzte Woche einen PR-Agenten engagiert.

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