Vettels letzter Grand Prix im Ferrari Gegen Zahlen hilft keine Magie

Die Mechaniker applaudierten Sebastian Vettel, als er die Garage verließ: »Eure Magie zu fühlen, war ein außergewöhnliches Erlebnis«
Foto:Steven Tee / imago images/Motorsport Images
»Danke, Seb«: Charles Leclerc trug beim Großen Preis von Abu Dhabi den Schriftzug »Danke, Seb« auf seinem Helm – anlässlich des letzten Grand Prix seines Noch-Teamkollegen Sebastian Vettel im Ferrari. 38 Rennen fuhren die beiden gemeinsam für die Scuderia, nicht immer konfliktfrei. »Ich weiß es zu schätzen, dass er mir seinen Helm gewidmet hat«, sagte Vettel: »Ich hoffe, wir können den Fans an diesem Wochenende etwas geben, worüber sie sich freuen.« Doch viel war nicht zu holen für die Tifosi nach 55 Runden auf dem Yas Marina Circuit.
Das Ergebnis: Der Yas Marina Circut ist nämlich das Revier von Mercedes – oder eben Red Bull. Mit seinem Sieg zum Saisonfinale löste Max Verstappen den Seriensieger-Rennstall ab, in den vergangenen sechs Jahren hatte Mercedes jeweils gewonnen. Zuletzt gelang Vettel 2013 ein Sieg in Abu Dhabi, ohne dabei in einem Silberpfeil zu sitzen. Ebenfalls im Red Bull. Für Ferrari reichte es am Ende nicht mal für Punkte – und Vettel sah beim Überqueren der Ziellinie das Heck von Leclerc. Danke hin oder her. Den kompletten Rennbericht können Sie hier nachlesen.
Ferrari steht Spalier: Vor dem Rennen applaudierten seine Mechaniker Vettel, als er zum letzten Mal aus der Garage der Scuderia fuhr. Wenn er die schwere Saison thematisierte, die nicht erfüllten Erwartungen, die bittere Erfahrung, dass es nicht gereicht hat, um mit dem italienischen Rennstall Titel zu holen, wie es seinem Idol Michael Schumacher gelang, sagte er doch auch: »Wenn ich zurückblicke auf all die Jahre, denke ich, dass wir eine großartige Zeit zusammen hatten. Vor allem werde ich die Jungs in der Garage vermissen.«
Vettel singt: Über Boxenfunk revanchierte sich der 33-Jährige bei seinem Team, als er als 14. über die Start-Ziel-Linie fuhr: »Ihr seid die rote Mannschaft, leidenschaftlich, ihr gebt niemals auf«, sang Vettel zur Melodie des italienischen Lieds »Azzurro« und legte nach: »Eure Magie zu fühlen, war ein außergewöhnliches Erlebnis. Jungs, ich danke euch!« Ein Gruß ging auch in die Fabrik nach Maranello, die Vettel wegen des Coronavirus noch nicht besucht habe, wie er bei »Sky« gesagt hatte.
Einer fehlte: Und zwar Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Der 51-Jährige musste wegen einer Erkrankung vorzeitig zurück nach Italien reisen. Laut Rennstall habe dies nichts mit dem Coronavirus zu tun. Binotto ist so stark erkrankt, dass er das Geschehen am Wochenende auch nicht aus Maranello steuerte. Binotto hatte bereits die das erste Rennen in Bahrain sowie den Großen Preis der Türkei verpasst. Dort holte Vettel seinen einzigen Podestplatz in diesem Jahr.
Ein Jahr zum Vergessen: »Ich freue mich darauf, die karierte Flagge zu sehen. Die Saison war so schlecht, dass ich wirklich froh bin, dass sie jetzt vorbei ist«, hatte Vettel vor dem letzten Rennen der mit 161 Tagen kürzesten Saison seit fast 60 Jahren gesagt. Gegen Zahlen hilft dann auch keine Magie. Platz 13 der Fahrerwertung (33 Punkte) in einem nicht konkurrenzfähigen Auto ist für ihn das schlechteste WM-Ergebnis seit seinem Beginn in der Formel 1. Mit den 98 Zählern von Leclerc reicht es für den Rennstall in der Konstrukteurswertung nur für Platz sechs. Und damit soll es nun genug sein. »Das heutige Rennen und das Jahr stehen nicht für die Zeit, die wir hatten«, sagte Vettel bei Sky: »Einerseits bin ich traurig, andererseits freue ich mich auf das nächste Kapitel.«
Noch mehr Abschiede, mögliche ...: Für Vettel wird es 2021 im Aston Martin (jetzt noch Racing Point) weitergehen, einige andere Fahrer könnten hingegen (erst mal) aus der Königsklasse ausscheiden: Romain Grosjean und Kevin Magnussen werden bei Haas durch Mick Schumacher und Nikita Mazepin ersetzt. Bei Red Bull muss Alexander Albon möglicherweise gehen. Daniil Kwjat (AlphaTauri) könnte durch Yuki Tsunoda ersetzt werden. Auch Bahrain-Sieger Sergio Pérez, der Vettel weichen muss, hat noch keinen neuen Arbeitgeber. In Abu Dhabi schied der 30-Jährige früh aus, in der Fahrerwertung konnte er dennoch einen sehr guten vierten Platz hinter Verstappen feiern. Sein Team verabschiedete ihn herzlich:
... und sichere: Wer aber sicher 2021 nicht mehr dabei ist, ist RTL. Seit 1991 übertrug der Kölner Fernsehsender die Rennen. 3,14 Milliarden Menschen sahen mehr als 500 Starts zu. Beim Saisonfinale aber vorerst zum letzten Mal. Von 2021 an hat der Pay-TV-Sender Sky die Rechte exklusiv und muss nur vier Rennen im Free-TV zeigen. Nicht nur eine Ära ging in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu Ende.