Formel 1 Spott für Ferraris Crash-Rennen

Es war ein ungewöhnliches Schrott-Spektakel: Schumacher zerlegt seinen Wagen an der Mauer, jede Menge Kollisionen, ein Motor explodiert. Weltmeister Alonso regiert auch nach dem Rennen von Melbourne, für das Konkurrenz-Team Ferrari gab es nichts außer Spott und Hohn.
Von Stephan Gröne

Im WM-Rückblick des Jahres 2006 wird das Crash-Rennen von Melbourne sicher einen Spitzenplatz einnehmen. Jede Menge Unfälle bremsten die Piloten immer wieder ein. So kam es, dass mal wieder ein Deutscher Führungsrunden absolvierte - leider war dies nur der Fahrer des Safety-Car, Bernd Mayländer. Er musste rekordverdächtige viermal mit dem Sicherheitsfahrzeug der Formel 1 ausrücken und dafür sorgen, dass sich nicht noch weitere Zwischenfälle beim ohnehin turbulenten Rennen in Melbourne ereignen. 

Weltmeister Fernando Alonso beeindruckte das alles wenig. Der Spanier kam im Renault zu seinem zehnten Grand-Prix-Erfolg. Neben dem großem Gewinner des Wochenendes machten eine Reihe von Pechvögeln spektakulär auf sich aufmerksam.

Aber der Reihe nach: Den ersten Dreher gab es schon in der Aufwärmrunde zu bestaunen, als McLaren-Mercedes-Pilot Juan Pablo Montoya seinen Reifen zu viel zumutete und sich nach einem Fahrfehler schräg stellte. Das blieb nicht der einzige Ausritt des Kolumbianers. Immer wieder schleuderte er seinen Mercedes brachial über die Randstreifen und bezahlte die Gewaltattacken mit einem Rennausfall. Eine Erklärung lieferte er nach: "Wir hatten ein Problem mit der Elektronik. Das Auto hat sich alleine abgeschaltet. Der Grip ist wirklich schlecht. Man hat keine Bodenhaftung durch die Safety-Car-Phasen."

Diese Erfahrung mussten auch andere machen. Allen voran der strahlende Sieger des Qualifyings, Jenson Button. Nach dem Start hatte er dank der errungenen Poleposition zum einzigen mal die Nase vorn. Danach lief das Rennen komplett an dem Briten vorbei. Jede Unterbrechung wurde ihm zum Verhängnis, auf ausgekühlten Reifen verlor er Bodenhaftung und die Führung. Den Höhepunkt des Debakels erlebte er auf der Zielgeraden: An fünfter Stelle liegend explodierte sein Honda-Motor knapp 100 Meter vor dem Zielstrich, hilflos und ohne WM-Punkte in der Tasche musste aus dem Wagen steigen. Button blieb immerhin seiner Linie treu. Auch im 103. Anlauf verpasste er einen WM-Sieg.

Allerdings gab ein Team in Australien, dessen Ergebnis noch katastrophaler ausfiel. Denn außer Spott und Hohn gab es für Ferrari in Melbourne nichts zu holen. Harte Reifen sorgten für ein ebensolches Wochenende. Gleich drei Autos fuhren die Scuderia-Piloten zu Schrott, wobei sich Felipe Massa mit zwei Unfällen den internen Spitzenplatz sicherte.

Ex-Weltmeister Michael Schumacher hatte allerdings den spektakulärsten Abflug. Zu Beginn des Rennens war er viel zu langsam und musste sogar einen Toro Rosso passieren lassen. Eine größere Schmach ist für die Italiener kaum vorstellbar. Nach einem Reifenwechsel drehte er auf und legte einen enormen Zwischensprint hin. Fast zu schnell für sein Alter. Mehrmals rutschte er von der Strecke, in der 34. Runde verlor er vollends die Gewalt über sein Fahrzeug und rauschte in die Mauer. Das kostet nicht nur eine Stange Geld, sondern viel Reputation. Schumacher wirkte in der Analyse dementsprechend zerknirscht: "Dicht hinter Button habe ich Kontrolle verloren - dann ging mir die Straße aus. Wir müssen besser und unter allen Bedingungen schneller werden. Nicht nur unter besonderen Bedingungen."

Ralf rettet die Familienehre

Immerhin rettete sein kleiner Bruder Ralf die Ehre der Schumachers. Schon im Qualifying lief es mit dem sechsten Startplatz ausgezeichnet, im Rennen lag er am Ende auf Rang drei, obwohl ihn eine Zeitstrafe wegen zu schnellen Fahrens in der Box zwischenzeitlich zurückwarf. Knapp hinter ihm der nächste Deutsche. Nicht Jungstar Nico Rosberg, der schon in der ersten Runde nach einem Unfall ausschied, sondern das ewige Talent Nick Heidfeld. Ein prima Ergebnis für BMW-Sauber.

Besser als die Deutschen waren nur zwei Fahrer unterwegs. Der unverwüstliche Kimi Räikkönen, der trotz einer gewohnten Vielzahl von Problemen seinen McLaren-Mercedes auf den zweiten Platz vorschob. Und natürlich der amtierende Weltmeister. Fernando Alonso fuhr souverän zu seinem zweiten Saisonerfolg und baute die Führung in der WM-Wertung auf nun 28 Zähler aus. Räikkönen (14 Punkte) muss schon mit Konkurrent Fisichella (14) zusammenlegen, um auf die gleiche Anzahl zu kommen.

Alonso zeigte seine Dominanz vor allem während der Re-Starts nach den Safety-Car-Phasen. Jedesmal enteilte er mühelos seinen Verfolgern und teilte sich das Rennen in bester Otto-Rehhagel-Manier ("Kontrollierte Offensive") ein.

Problemlos zieht der Spanier seine Kreise und kann entspannt das Unternehmen Titelverteidigung in Angriff nehmen. Renault-Teamchef Flavio Briatore plauderte dementsprechend locker in die Mikrofone: "Super Rennen. Wir haben es permanent kontrolliert. Wir haben ihm über Funk gesagt 'Mach' langsamer' und ihm 1000 Umdrehungen weggenommen." Dass es für den Spanier trotzdem zum Sieg reichte, bringt nicht nur Ferrari langsam aber sicher in arge Erklärungsnot.

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren