Großer Preis von Belgien Räikkönens letzte Chance
Kimi Räikkönen sagt meistens nicht viel. Aber wenn er etwas sagt, dann klingt es bisweilen bemerkenswert ehrlich und leicht selbstironisch - zwei Eigenschaften, die in der Formel 1 nicht unbedingt überall verbreitet sind.
Vor dem Großen Preis von Belgien am Sonntag (14 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) freute sich Ferrari-Pilot Räikkönen also über "einen der Höhepunkte der Saison, weil ich normalerweise gute Plazierungen hole in Spa". Das ist leicht untertrieben: Die drei letzten Rennen dort gewann der Finne, zwei davon noch für McLaren-Mercedes.
In diesem Jahr allerdings, ergänzte Räikkönen, brauche er ein gutes Resultat "mehr denn je, wenn ich mir die Ergebnisse der letzten Rennen anschaue". Das ist nicht untertrieben: 5-3-6-0 ist keineswegs die Postleitzahl von Räikkönens Heimatstadt Espoo, sondern die Zahl der Punkte, die er in den vergangenen vier Rennen eingefahren hat. Für den amtierenden Weltmeister stellt das eine verheerende Bilanz dar. "Es ist eine Schande, in so vielen negativen Zeitungsartikeln aufzutauchen, aber so was passiert halt: Es wird nicht das erste und nicht das letzte Mal in meiner Karriere sein."
Bisher allerdings betrafen negative Schlagzeilen vor allem das Privatleben des 29-Jährigen, nicht seine Leistungen auf der Piste. Das hat sich geändert. Statt sich am Gesamtführenden Lewis Hamilton (70 Punkte) zu orientieren, der mittlerweile 13 Zähler vor Räikkönen (57) liegt, muss sich der Finne längst nach Robert Kubica (55) im BMW-Sauber umschauen, der ihn in Spa überflügeln könnte. Die Erinnerungen an die vergangene Saison, in der er in den letzten beiden Rennen noch 17 Punkte auf Hamilton aufholen konnte, hilft da nur bedingt.
Zu unmotiviert und zu glücklos wirkte Räikkönen zuletzt, hatte im Qualifying immer wieder Probleme, den Wagen in den Griff zu bekommen und fuhr beim Grand Prix in Valencia vor zwei Wochen zu allem Überfluss einen Mechaniker um, bevor er mit einem Motorschaden liegen blieb. Nicht nur der Weltmeister, auch sein Rennstall kämpft zurzeit mit einer ungewohnten Formkrise. In den vergangenen vier Rennen verlor Ferrari insgesamt 25 Punkte auf McLaren-Mercedes und schnitt jedes mal schlechter ab als der Erzfeind.
Räikkönen weiß: "Wenn man bedenkt, dass ich monatelang schon kein Rennen mehr gewonnen habe, würde mich ein Sieg endlich wieder ins Titelrennen zurückbringen." Verblüffend ist angesichts von Räikkönens Statistik, die seinen bislang letzten Sieg Ende April in Barcelona ausweist, vor allem die Tatsache, dass er immer noch nicht hoffnungslos im Titelrennen zurückliegt.
Weder Hamilton noch Ferrari-Konkurrent Felipe Massa haben es bislang geschafft, ihre Leistungen so zu stabilisieren, dass einer von ihnen als klarer Favorit in die verbleibenden sechs Rennen gehen würde. Dass sich Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali angesichts dieser Konstellation und dem Vertrauen auf Räikkönens Erfahrung in Titelkämpfen beharrlich weigert, Felipe Massa als neue Nummer eins im Team zu deklarieren, ist verständlich. Dass sich Massa damit auch weiterhin über mangelnde Wertschätzung beklagen wird, ebenfalls.
Zumindest müssen weder Massa noch Räikkönen fürchten, bereits in der kommenden Saison ihr Cockpit bei Ferrari zu verlieren. Fernando Alonso, der außer mit McLaren-Mercedes mit jedem größeren Rennstall in Verbindung gebracht wird, erklärte in der spanischen Zeitung "Diario AS" gerade, dass er auf keinen Fall bereits 2009 in einem roten Boliden sitzen wird.
Das hilft Ferrari in der laufenden Saison allerdings auch nicht weiter - eher schon die Tatsache, dass Massa und Räikkönen bereits das erste freie Training in Spa-Francorchamps dominierten. Ein Doppelsieg der Roten am Sonntag würde den Kampf an der Spitze der Fahrerwertung noch etwas dramatischer gestalten und womöglich auf ein ähnlich knappes Saisonfinale wie 2007 hindeuten.
Angesichts des traditionell wechselhaften Wetters auf der in den Ardennen gelegenen Rennstrecke - auf der man schon mal eine Hälfte des Kurses im Nassen und die andere im Trockenen fahren muss - könnten aber auch Zu- und Unfälle den Rennverlauf entscheidend beeinflussen. Räikkönen warnte bereits vor: "Für mich ist jedes Wetter in Ordnung, aber ein trockenes Rennen wäre sehr schön."
Und dann setzte er sich noch das Ziel für den Rest der Saison: "Ich hoffe, dass ich im letzten Rennen noch um den Titel mitfahren kann." So wie im vergangenen Jahr, als er den immer nervöser agierenden Hamilton noch abfing. Räikkönen mag manchmal faul, manchmal ehrlich und manchmal selbstironisch sein. Dass er jemals nervös wäre, konnte man dagegen noch nicht feststellen.
Mit Material von dpa.