Sergio Pérez gewinnt in Bahrain
Auf dem Höhepunkt – und vor der Absetzung
Sergio Pérez feiert in Bahrain den bislang wichtigsten Sieg seiner Karriere. Doch es könnte für längere Zeit eins seiner letzten Formel-1-Rennen gewesen sein.
Sergio Pérez feiert mit seinen Teamkollegen von Racing Point
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Fürs Abstellgleis war Sergio Pérez am Sonntagabend ziemlich schnell unterwegs. Und dafür war er am späten Abend in Bahrain ziemlich weit oben auf dem Siegerpodest zu sehen. Allein saß er nach der Siegerehrung auf dem Podium in Bahrain und präsentierte zur Formel-1-Hymne »Les Toreadors« von Georges Bizet stolz die mexikanische Flagge.
Immer wieder schüttelte Pérez den Kopf und ballte die Fäuste. Am Ende bekreuzigte er sich.
Natürlich, der Mexikaner hatte bei seinem Erfolg auf dem Bahrain International Circuit auch Glück. Dass sich Max Verstappen bereits nach Kurve vier in der Streckenbegrenzung wiederfand. Oder dass sich Mercedes in Abwesenheit von Weltmeister Lewis Hamilton ganz und gar nicht Mercedes-like präsentierte. Das ändert aber nichts daran, dass sich an diesem Abend so ziemlich alle, sogar der so unglückliche George Russell, einig waren: Diesen Sieg hat sich Sergio Pérez verdient.
Der 30-Jährige durchlebt derzeit bewegte Wochen. Die Szenen nach seinem bisher größten Karriereerfolg waren nun der Höhepunkt.
»Checo« droht das Aus
Nach der zehnten Formel-1-Staffel droht »Checo«, wie der 30-Jährige eigentlich nur genannt wird, die Absetzung. Sein Vertrag beim Rennstall Racing Point läuft nach dem Rennen in Abu Dhabi am kommenden Sonntag (14.10 Uhr, Liveticker SPIEGEL.de; TV: RTL/Sky) aus. Sein Nachfolger wurde mit Sebastian Vettel bereits gefunden. Ein Nachfolgeteam für Pérez hingegen nicht.
Sergio Pérez genießt seinen Triumph in Bahrain
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Die noch auf sich warten lassende Vertragsverlängerung von Lewis Hamilton bei Mercedes ausgenommen steht derzeit nur noch ein Fahrersitz in der Formel 1 zur Verlosung. Max Verstappens Red-Bull-Sidekick Alexander Albon soll nach mäßigen Leistungen in dieser Saison auf der Kippe stehen. Albons Unglück wäre wohl die einzige Möglichkeit, dass Pérez auch im kommenden Jahr an den Start geht.
Dabei sprechen Pérez' Leistungen eigentlich für einen Verbleib. Bereits beim Großen Preis der Türkei Mitte November war Pérez aufs Podium gefahren, vergangene Woche ging sein Wagen auf Rang drei kurz vor Rennende in Flammen auf. Und nun der Sieg, der vielleicht auch deswegen ein so besonderer war, weil er eben keine Sensation ist. Also nicht wie bei Pierre Gasly in Monza, der sich im deutlich unterlegenen Alpha Tauri plötzlich ganz vorn wiederfand.
Gewissermaßen hatte sich Pérez' Erfolg angekündigt.
Seit 2014 steht Pérez bei dem Rennstall unter Vertrag, der bis 2018 unter dem Namen Force India firmierte. Selbst nach der Insolvenz hielt er seinem Team die Treue, »die Jungs im Team sind ja immer noch die gleichen. Es ist immer noch die beste Truppe im Mittelfeld«, sagte er damals. »Ohne Finanzsorgen werden wir eher noch besser.«
Und Pérez sollte recht behalten. Zur aktuellen Saison brachte Racing Point einen neuen Boliden an den Start, der seit Saisonbeginn als »Pinker Mercedes« verschrien ist. So sehr das Auto auch kritisiert und sogar bestraft wurde; es machte den Rennstall konkurrenzfähig. Nicht selten fahren Pérez und sein Teamkollege Lance Stroll den anderen Teams hinter Mercedes und Red Bull in dieser Saison im Training davon. Stroll wurde in Bahrain Dritter.
Vierter der Fahrerwertung
Doch während sich Stroll immer wieder Aussetzer erlaubt, wie beispielsweise in der Türkei, als er von der Pole Position startete und am Ende nur Neunter wurde, bleibt Pérez konstant. Inzwischen ist er Vierter der Fahrerwertung, Experten wüten regelrecht, dass der Mexikaner angesichts dieser Leistungen noch keinen neuen Vertrag unterschrieben hat. Stroll, dessen Vater Lawrence Besitzer des Rennstalls ist, darf hingegen ab der kommenden Saison vom viermaligen Champion Vettel lernen.
Die Situation scheint Pérez jedoch nicht aus der Ruhe zu bringen. Am vergangenen Montag lud er zur spontanen Pressekonferenz, vor der sich die Gerüchte überschlugen. Stellt er seinen neuen Arbeitgeber vor? Verkündet er eine Pause von der Formel 1? Oder gibt er gar sein Karriereende bekannt? Pérez tat nichts dergleichen.
Nachdem er Journalisten und Fans rund eine Dreiviertelstunde warten gelassen hatte, meldete er sich mit einem stockenden Livestream zu Wort. Die instabile Internetverbindung war nicht unbedingt die beste Werbung für seinen langjährigen Sponsor, den mexikanischen Telekommunikationstycoon Carlos Slim. Wobei lange nicht klar schien, ob Pérez überhaupt wusste, dass der Stream bereits lief. Das Portal »wtf1.com« schrieb, dass der Auftritt in etwa so wirkte, als wollte man erstmals ein Zoom-Familientreffen mit der Großmutter durchziehen.
Die Zeichen stehen auf Sabbatical
Ähnlich familiär schien Pérez in der Pressekonferenz lediglich die vielen motorsportverrückten Fans in der Heimat auf dem Laufenden halten zu wollen. Auf Spanisch sprach er über das traurige erste Rennwochenende in Bahrain. Er sprach über ein mögliches Sabbatical nach der Saison, sollte er den Platz bei Red Bull nicht bekommen. Eine andere Rennserie schloss er im Grunde aus. Und er sprach darüber, dass ihm bereits Angebote für das Jahr 2022 vorlägen. Diese Variante scheint am Wahrscheinlichsten.
Und Pérez sprach in seiner unkonventionellen Pressekonferenz auch darüber, dass er die verbleibenden Rennen genießen werde, als seien es seine letzten in der Formel 1. Deshalb werde ihn seine Familie begleiten, sagte Pérez. Bereits in Bahrain war seine Frau mit den beiden Kindern vor Ort. Ein großartiges Timing, wie sich zeigen sollte.
Als Pérez die Ziellinie überfuhr, begann er zu schluchzen. Mit Tränen in den Augen sagte er seinem Renningenieur, dass er sicherstellen solle, dass sein Sohn das Rennen sehe. Es könnte für lange Zeit das letzte Mal gewesen sein, dass er seinen Vater auf einem Formel-1-Podium sieht.