Galopptrainer setzt sich auf totes Pferd »Ein Dokument der Verachtung gegenüber dem Tier«

Das Foto eines Trainers auf einem toten Pferd hat im Rennsport einen Skandal ausgelöst. Tierethikerin Dagmar Borchers hält die Wirkung des Bildes für verheerend.
Ein Interview von Nina Golombek
Rennpferd in England: Die Bilder sorgten vor allem in Irland und in Großbritannien für Aufruhr – aber nicht nur dort

Rennpferd in England: Die Bilder sorgten vor allem in Irland und in Großbritannien für Aufruhr – aber nicht nur dort

Foto: Alan Crowhurst / dpa

Das Foto zeigt einen Trainer, rittlings auf einem augenscheinlich toten Pferd, der sich ein Handy ans Ohr hält und das Victory-Zeichen in die Kamera zeigt. Auf einem Video klettert der Jockey Rob James auf ein auf einer Sandbahn liegendes Tier, man hört Gelächter von umstehenden Personen. Beide Pferde waren zuvor einem Herzversagen erlegen, wie sich herausstellte. Erst das Foto, dann das Video – beide schon älter – waren in der vergangenen Woche in den sozialen Medien aufgetaucht und haben dem irischen Galopprennsport einen Skandal eingebracht.

Die Bilder sorgten vor allem in Irland und in Großbritannien für Aufruhr, was vor allem daran liegen mag, dass es sich bei dem Iren Gordon Elliott um einen der renommiertesten Rennpferdetrainer handelt. Er gewann allein dreimal das berühmte wie umstrittene Hindernisrennen Grand National in Aintree – 2018 und 2019 mit Tiger Roll. Doch auch internationale Medien griffen das Thema auf.

Am Freitagabend sperrte das zuständige Irish Horseracing Regulatory Board (IHRB) Elliott für mindestens sechs Monate, der britische Verband zog nach.  Das Foto demonstriere schockierende Geschmacklosigkeit (appalling bad taste), hieß es in der Begründung , die Integrität und der Ruf des Sports hätten schweren Schaden genommen. Die genauen Hintergründe blieben zunächst weiter unklar, das Gremium schrieb von einem »konzertierten Angriff« auf Elliott.

Von dem 43-jährigen Elliott trainierte Pferde gewannen bereits dreimal das berühmte Rennen Grand National

Von dem 43-jährigen Elliott trainierte Pferde gewannen bereits dreimal das berühmte Rennen Grand National

Foto:

©INPHO/Dan Sheridan / imago images/Inpho Photography

Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden, es gebe keinen Präzedenzfall für dieses PR-Desaster, urteilte der britische »Guardian« . Selbst als der Jockey Davy Russell (der Tiger Roll zum Sieg in Aintree ritt) 2017 sein Pferd vor einem Rennen mit einer Peitsche ins Gesicht schlug , habe das nicht so eine Reaktion verursacht.

Welche Wirkung können die Bilder haben?

Doch welchen Schaden erzeugen die Bilder für den Sport, in dem oft genug brutale Szenen vorkommen, wenn Pferde bei Rennen stürzen, sich Knochenbrüche zuziehen und noch vor Ort eingeschläfert werden? Tierethikerin Dagmar Borchers erklärt die Wirkung der Bilder – und warum sie nicht entschuldbar sind.

SPIEGEL: Die »Guardian«-Kolumnistin Zoe Williams schrieb , Todesfälle auf der Rennbahn würden von den meisten Menschen, abseits von Tierschützern, als »Kollateralschäden« hingenommen, unter der Bedingung, dass man davon ausgehen kann, dass niemand von den Verlusten mehr betroffen ist als die Insider: Trainer, Besitzer, Jockeys, Pfleger. Zerstören die Bilder von Elliott und James diese Annahme?

Borchers: Ja, das ist ein sehr kluger Gedanke. Wenn sich ein Pferd bei einem Rennen ein Bein bricht, ist das immer furchtbar, auch für die Zuschauer. Es kann aber als bedauerlicher und schrecklicher Unfall betrachtet und als solcher akzeptiert werden. Zynisch gesprochen, man ist betreten, es verdirbt einem in dem Moment den Spaß, aber dann geht es weiter im Programm. Das Foto hingegen zeigt eine Haltung, eine Einstellung. Es ist eine Momentaufnahme, die mangelnde Wertschätzung gegenüber dem Tier schlaglichtartig illustriert, und letztendlich auch gegenüber dem Tod. Ich würde sogar sagen, es ist ein Dokument der Verachtung gegenüber dem Tier.

SPIEGEL: Elliott hat versucht, sein Verhalten zu erklären, er habe nicht nachgedacht, er bat um Entschuldigung, genau wie der Jockey. Sind die Bilder überhaupt erklär- oder entschuldbar?

Borchers: Man kann das Verhalten insofern nicht rechtfertigen, als die Menschen sich ja offensichtlich nicht in einer unmittelbaren Drucksituation befunden haben. Es war keine Stresssituation, in der man schon mal falsch reagieren kann. Es wird auf dem toten Pferd telefoniert, in dem Video wird gelacht. Diese Personen haben genau mit diesen spontanen Handlungen einen moralisch-ethischen Offenbarungseid geleistet. Und das kann man durch konstruierte Geschichten und Entschuldigungen nicht mehr einfangen.

Diese Personen haben genau mit diesen spontanen Handlungen einen moralisch-ethischen Offenbarungseid geleistet. Und das kann man durch konstruierte Geschichten und Entschuldigungen nicht mehr einfangen.

Dagmar Borchers

SPIEGEL: Welche Auswirkungen hat das auf den Sport?

Borchers: Für den Rennsport ist das Bild so verheerend, weil es als ein Schlaglicht auf eine Praxis gedeutet werden kann, in der Tiere systematisch gezüchtet, mit zwei Jahren in den Sport genommen und dort verbraucht werden. Das Tier als Gebrauchsgegenstand, ist eines tot, kommt das nächste. Das wird zwar immer negiert, es wird immer gesagt, man hänge an den Pferden und liebe sie, aber diese Bilder können daran zweifeln lassen.

Natürlich muss man betonen, dass nicht jede und jeder, der mit Rennsport zu tun hat, so mit Pferden umgeht oder deren Wert geringschätzt. Dass es so viele kritische Reaktionen auf die Bilder gegeben hat, ist auch ein gutes Zeichen.

SPIEGEL: Das IHRB schreibt in seiner Begründung, es habe sich nicht um Tierquälerei im engeren Sinne gehandelt (cruelty to animals in a strict sense). Der Ausschuss habe auch keine Anhaltspunkte, dass Elliott sich nicht nach »höchsten Standards« um seine Pferde kümmere.

Borchers: Nach einer verkürzt rationalen Einstellung kann man argumentieren, dass das Tier ja schon tot war und es ihm nichts ausgemacht hat, dass da jemand auf seinem Rücken sitzt. Der Trainer mache seine Sache ja sonst anständig, das war eine dumme Geschichte, der kriegt jetzt was auf die Finger und dann macht er weiter. Ich halte das für unangemessen, es zeigt, wie der Rennsport manchmal agiert: Es wird kurzfristig reagiert und nur das Nötigste an Sanktionen durchgeführt. Ob es tieferliegende Probleme gibt, wird nicht hinterfragt.

SPIEGEL: Die im Pferdesport beschäftigten Personen sind ja keine Pferdehalter, die ihr Tier als Freizeitpartner halten. Macht es einen Unterschied, wie man mit dem Tod eines Pferdes umgeht?

Borchers: Es macht natürlich schon einen Unterschied, dass das Profis sind und keine Freizeitreiter, die untröstlich sind, wenn ihr geliebtes Pferd stirbt. Ja, es sind Profis, sie haben ein anderes Verhältnis zum Pferd, und das ist auch in Ordnung. Aber aus meiner Sicht haben Tiere unseren Respekt verdient, auch im professionellen Sport.

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