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Thilo Neumann

Frank Stäbler und das Leben nach Tokio Nie mehr »Promi Big Brother«

Mehr als zwei Jahre begleitete ich den Ringer Frank Stäbler auf dem Weg zu seinen letzten Olympischen Spielen. Es war ein Himmelfahrtskommando voller Rückschläge, am Ende gewann er Bronze. Und jetzt?
aus DER SPIEGEL 1/2022
SPIEGEL-Redakteur Neumann, Athlet Stäbler in umgebautem Hühnerstall im Juni: Himmelfahrtskommando

SPIEGEL-Redakteur Neumann, Athlet Stäbler in umgebautem Hühnerstall im Juni: Himmelfahrtskommando

Foto: Sonja Och

Einige Wochen habe er nach dem Gewinn der olympischen Bronzemedaille in Tokio ausgehalten, sagt Frank Stäbler kurz vor Weihnachten, dann aber sei er »in ein brutales Loch gefallen«. Der Rummel um seine Person sei ihm zu viel geworden: »Ich habe nur noch funktioniert.« Stäbler tanzte auf Partys, saß in Fernsehshows, redete auf Empfängen – allein in den ersten 60 Tagen nach Olympia habe er 55 Termine gehabt, zählt der Ringer auf. Immer wieder sollte er erzählen: Wie hat er das bloß geschafft?

Stäbler, 32, aus Leinfelden-Echterdingen, hat sich in Japan seinen sportlichen Lebenstraum erfüllt: eine olympische Medaille, im letzten internationalen Wettkampf seiner Karriere. In einem dramatischen Duell mit einem georgischen Kontrahenten sicherte er sich Bronze. Danach zog sich Stäbler noch auf der Matte seine Schuhe aus und ließ sie in der Ringmitte stehen. Es war das Ende einer langen Reise. Die Schuhe hat er mittlerweile an das Deutsche Sport & Olympia Museum in Köln übergeben.

Mehr als zwei Jahre lang hatte ich Stäbler auf seinem Weg nach Tokio begleitet. Manchmal schien mir seine Mission wie ein Himmelfahrtskommando, Stäbler selbst sprach immer wieder davon, mit einer letzten Olympiateilnahme »das Unmögliche möglich machen« zu wollen. Seine Gewichtsklasse war vor Tokio gestrichen worden, weswegen er radikal abnehmen musste, von seinem Normalgewicht 75 Kilogramm runter auf 67. Im Herbst 2020 erkrankte er an Covid-19, litt unter Spätfolgen an der Lunge, er verletzte sich die Schulter.

Seine Vorbereitung absolvierte der dreimalige Weltmeister zeitweise in einem ehemaligen Kuhstall seines elterlichen Hofs, zuletzt in einem umgebauten Hühnerstall. »Um meinen Traum zu leben, muss ich durch die Hölle gehen«, hatte er schon 2019, zu Beginn des Langzeitprojekts, erzählt, »und dann weiß ich immer noch nicht, ob es reichen wird«.

Es reichte. Und aus dem Randsportler wurde eine gefragte Größe des deutschen Sports. Nur einmal zuvor sei er kurzzeitig häufiger auf der Straße erkannt worden – nachdem er 2016 im Privatfernsehen aufgetreten war, bei »Promi Big Brother«. Nun endlich interessiere sich auch ein breiteres Publikum für den Leistungssportler Stäbler. »Große Unternehmen kommen auf mich zu und fragen mich für ihre Führungskräfteausbildung an«, sagt Stäbler, »das hat es vorher nicht gegeben.« Seit Olympia sei er rund 30-mal als Redner gebucht worden, bei börsennotierten Unternehmen sprach er zu Vorständen und Managern, erzählte Anekdoten von seiner Odyssee: »Olympia hat mir viele Türen geöffnet.«

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