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»Fußball-Profi ist kein Traumberuf mehr«

SPIEGEL-Interview mit HSV-Präsident Wolfgang Klein über die Probleme der Bundesligaklubs Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Klein, 44, ist seit 1979 Präsident des Hamburger SV. *
aus DER SPIEGEL 3/1986

SPIEGEL: Herr Klein, die Hallensaison geht zu Ende, die Bundesligaklubs bereiten sich auf die Spiele der Rückrunde vor. Ist Ihnen wohl bei der Vorstellung, die Ware Fußball nun wieder in ungemütlichen Stadien verkaufen zu müssen?

KLEIN: Unsere beiden attraktivsten Heimspiele, gegen Werder Bremen und Bayern München, finden im Februar statt. Das ist eine Katastrophe.

SPIEGEL: Fußball im Winter macht den Fans wenig Laune. Die neun Bundesliga-Begegnungen Anfang Dezember sahen nur 118000 Zuschauer, im Schnitt etwas mehr als 13000 pro Spiel. Von diesen Einnahmen kann keiner der zumeist ohnehin verschuldeten Vereine existieren.

KLEIN: Bei über 40 Prozent der Fußball-Interessenten ist schlechtes Wetter der Hauptgrund für ihr Wegbleiben. Das geht aus einer Umfrage hervor, die von der GfK Marktforschung im Auftrag des Deutschen Fußball-Bundes durchgeführt wurde. Wenn wir gegen Bremen und München zu einer freundlicheren Jahreszeit spielen würden, wäre das Volksparkstadion wahrscheinlich ausverkauft. So aber wird unser Einnahmeverlust mindestens 500000 Mark betragen.

SPIEGEL: Wie hoch sind die laufenden monatlichen Kosten beim HSV? Wovon bezahlt der Klub die Spielergehälter?

KLEIN: Wir brauchen monatlich 800000 Mark. Die Rücklagen aus den guten Monaten reichen nicht, also müssen wir Kredite aufnehmen.

SPIEGEL: Leverkusens Trainer Erich Ribbeck meint, das Geld liege im Winter in der Halle. Er fordert die Einführung einer Deutschen Hallenmeisterschaft und die Anpassung der Bundesligaspielzeit an das Kalenderjahr: Saisonbeginn im März, Saisonschluß im November.

KLEIN: Das hört sich zwar alles gut an, doch zur Rettung des Fußballs führt es auch nicht. Gewiß haben Hallenturniere ihren Reiz, aber unsere Hallen sind doch viel zu klein, um die Profiklubs ernähren zu können.

SPIEGEL: Immerhin plant der Weltfußball-Verband, die Fifa, eine Hallenweltmeisterschaft, die 1988 in den USA stattfinden soll. Auch eine Halleneuropameisterschaft ist im Gespräch.

KLEIN: Das ist verfrüht, es gibt ja bislang noch nicht einmal einheitliche Regeln. Ich akzeptiere Hallenfußball in Turnierform als eine Ausnahme, die den Zuschauern und Spielern ja durchaus Spaß macht. Aber der sportliche Wert einer richtigen Meisterschaft, ob national oder international, ist mir zu gering.

SPIEGEL: Wie wollen Sie denn den Fußball retten?

KLEIN: Wir sollten nicht das Spiel verändern, sondern die äußeren Voraussetzungen, unter denen die Fans bereit sind, wieder live dabeizusein.

SPIEGEL: Das hört sich allerdings auch gut an.

KLEIN: Wir hätten die ganzen Diskussionen über Hallenmeisterschaft oder längere Winterpause doch gar nicht, wenn wir unserer Kundschaft endlich einen zeitgemäßen Komfort anbieten könnten. Die Rahmenbedingungen beim Fußball entsprechen allenfalls den Bedürfnissen der 5Oer Jahre.

SPIEGEL: Soll der Hamburger Senat dem HSV ein neues Stadion bauen?

KLEIN: Nein. Aber alle Bundesligastadien sollten so ausgestattet werden, daß die Besucher sich wohl fühlen wie in der Halle. Dazu gehören zum Beispiel beheizte Sitzplätze und die völlige Überdachung der Stadien. Im Sommer kann man das Dach hochziehen, technisch ist das überhaupt kein Problem.

SPIEGEL: Und wer soll das bezahlen?

KLEIN: Die Überdachung des Volksparkstadions würde 40 Millionen Mark kosten. Es wäre eine einmalige Investition, im Gegensatz zur Hamburger Staatsoper, die jährlich mit über 5O Millionen Mark subventioniert wird.

SPIEGEL: In der Oper finden pro Jahr an rund 320 Tagen Aufführungen statt. Das Volksparkstadion hingegen wird allenfalls 25mal genutzt.

KLEIN: Aber das Besucheraufkommen ist im Volksparkstadion nur unwesentlich geringer als in der Staatsoper. Außerdem muß es ja nicht so bleiben. Wir müssen uns halt endlich von der Vorstellung verabschieden, daß Bundesligaspiele ausschließlich auf Naturrasen _(In der Münchner Olympiahalle. )

stattzufinden haben. Der Kunstrasen ist längst so weit entwickelt, daß er weder den Lauf des Balles bremst noch besondere Verletzungsrisiken für die Spieler birgt. Aber anders als der empfindliche Naturrasen kann dieser Belag ständig belastet werden. Also könnten im Stadion genausogut wie Fußballspiele oder Leichtathletikmeetings auch Rocckonzerte, Reitturniere, Motocrossrennen und so weiter stattfinden.

SPIEGEL: Der Profifußball hat weltweit an Attraktivität verloren. Selbst in Italien sind die Zuschauerzahlen neuerdings rückläufig. Glauben Sie wirklich daß dies allein auf den mangelnden Komfort in den Stadien zurückzuführen ist?

KLEIN: In erster Linie. Die gesamte Bundesliga braucht im Schnitt unbedingt 20000 Zuschauer, um ihr derzeitiges Niveau zu halten. Die kommen garantiert, wenn wir ihnen endlich zeitgemäße Stadien anbieten können.

SPIEGEL: In der vorigen Saison waren es nur noch 19000. Bleibt nicht auch mancher Zuschauer weg, weil er nicht einsehen mag, daß Fußballspieler wie Topmanager bezahlt werden?

KLEIN: Das ist doch alles Quatsch. Boris Becker oder Bernhard Langer haben da völlig neue Dimensionen geschaffen. Fußball-Profi ist kein Traumberuf mehr.

SPIEGEL: Aber es ist ja wohl immer noch ein Beruf, in dem junge Männer schnell reich werden können.

KLEIN: Es hat sich da manches geändert. Zu Beginn meiner Amtszeit war bei Vertragsverhandlungen immer die erste Frage des Spielers: Wieviel kriege ich mehr? Jetzt heißt es: Um wieviel wollen Sie mich drücken? Selbst ein so wichtiger Spieler wie Manfred Kaltz war bei seiner letzten Vertragsverlängerung mit einer erheblichen Reduzierung seiner Beträge einverstanden.

SPIEGEL: Der HSV zahlt an Kaltz angeblich 300000 Mark im Jahr. Das ist doch wohl immer noch genug, oder?

KLEIN: Sicher ist es genug. Aber vorher hat er fast doppelt soviel verdient.

In der Münchner Olympiahalle.

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