Köln im Europapokal "Überragend"
Die Augen von Peter Stöger wurden eng, als er Anthony Modeste im Auditorium der Pressekonferenz erblickte. Der Kölner Stürmer hatte einen randvoll mit Kölsch gefüllte Plastikeimer auf dem Schoß. "Mach keinen Scheiß, ey" zischte Stöger, als ihm klar wurde, welche Gefahr drohte. Verteilt im Saal saßen weitere Spieler, ausgestattet mit ähnlichen Waffen. Gegen den energischen Widerstand des Sicherheitsdienstes hatten sie sich bis hierher durchgekämpft. Und als Stöger sein Eingangsstatement beendet hatte, ergoss sich das Bier über seinem Kopf.
"Nächstes Jahr sind höchstens noch fünf von euch dabei", fauchte der Trainer, aber das war natürlich eine leere Drohung. Die Kölner Mannschaft um Torhüter Timo Horn, Abwehrjuwel Dominique Heintz, Nationalspieler Jonas Hector und Torjäger Anthony Modeste hatte mit dem 2:0-Sieg gegen Mainz 05 gerade Vereinsgeschichte geschrieben.
Erstmals nach 25 Jahren, nach vier Abstiegen und einer langen, tristen Ära hat der Klub wieder den Europapokal erreicht. "Das ist der schönste Tag meines Lebens, das ist unbeschreiblich" sagte Kapitän Matthias Lehmann, Horn sprach von einem "Märchen", und in der Stadt mussten ganze Straßenzüge gesperrt werden, um die Sicherheit der in Ekstase geratenen Massen zu gewährleisten.

Zuvor kam es schon im Stadion zu zahlreichen Jubelritualen: Bierduschen in allen Variationen, ein Platzsturm, viele Tränen des Glücks, Fans, die Rasenstücke mit nach Hause nahmen, und natürlich Pyrotechnik. Aber auch ein paar echte Besonderheiten hatte der Kölner Siegestaumel zu bieten. So rutschte Leonardo Bittencourt mit viel Schwung auf dem Bauch durch eine Bierpfütze in der Interviewzone. Die Journalisten wurden ebenfalls mit Kölsch geduscht, eine Stunde nach dem Abpfiff erinnerten die Gänge und Räume rund um den Kabinenbereich an eine Südstadtkneipe nach einer wilden Karnevalsnacht: dreckig, nach Bier stinkend und voller glücklicher Menschen.
Den wohl glücklichsten Moment dieses Tages, ja vielleicht der ganzen Saison hatten die Kölner da aber längst hinter sich. Bis zur 87. Minute zitterte die ganze Stadt um den Lohn für diese Spielzeit, es stand 1:0. "Ein Gegentor und wir wären durchgereicht worden, dann wäre es plötzlich gefühlt eine Scheißsaison gewesen", sagte Stöger.
Doch dann zirkelte Yuya Osako den Ball zum 2:0 ins Tor, und das Stadion war für einige denkwürdige Augenblicke erfüllt von einem Gefühl des puren Glücks. Menschen sprangen übereinander, lagen sich in den Armen, es waren Bilder fürs lokale Fußball-Geschichtsbuch. "Unglaublich erlösend, für jeden total befreiend", kommentierte Konstantin Rausch dieses Tor, das die Hoffnung in Gewissheit verwandelte. Und natürlich haben sich die Kölner diesen Erfolg redlich verdient.
Köln glänzt mit Konstanz
Zwar profitierten sie von Krisen diverser Spitzenklubs und einem Saisonverlauf, an dessen Ende ungewöhnlich wenige Punkte für Rang fünf reichten. Doch unter den am Ende verbliebenen Konkurrenten um die Europa-League-Plätze waren sie die Mannschaft mit den kleinsten Schwankungen. Mönchengladbach und Bremen spielten eine enttäuschende Hinrunde, Berlin hat auswärts zu viele Punkte liegen lassen, Freiburg kassierte zu viele Gegentreffer und Frankfurt beendet die Saison tatsächlich als schlechtestes Rückrundenteam. Die Kölner haben ihre kleineren Krisen dagegen immer schnell beendet.
Dieser Erfolg "zeigt einfach, was für eine gute Mannschaft wir sind", sagte Dominique Heintz. Der in den vergangenen Wochen überragend spielende Verteidiger wies in seiner kleinen Saisonbilanz auch noch einmal explizit auf seine Vorgesetzten hin: "Dank an den Trainer und die Führung, alles, was die gemacht haben, war überragend." Das klang nach Schmeichelei, aber in Wahrheit bestritt der FC diese Saison auch wegen der klugen Kommunikation auf den entscheidenden Posten mit unglaublicher innerer Ruhe. Und mit dieser Haltung gehen sie nun auch die Planungen für die neue Saison an.

Modeste: "Ich hoffe, ich bleibe hier"
"Wir haben ja schon eine gute Mannschaft, das haben wir in dieser Saison gesehen", erwiderte Manager Jörg Schmadtke auf die Frage nach seinen Überlegungen zur bevorstehenden Transferperiode. Er werde nur noch "ein i-Tüpfelchen da und dort hinsetzen".
Wenn der Kölschkater verklungen ist, drängt sich dann zunächst die Frage auf, ob Anthony Modeste bleiben wird. Der Torjäger wurde nach dem Platzturm von den Massen auf Händen getragen, verließ unter Tränen den Rasen und sagte: "Ich bin erfüllt von Emotionen, ich mag die Mannschaft, ich weiß nicht, was passiert, aber ich hoffe, ich bleibe hier."
Unklar ist allerdings, wie sehr auch die Klubführung das hofft. Denn eine hohe Millionenablöse könnte als Grundlage für eine nachhaltige Weiterentwicklung dienen, und das große Ziel ist ja, dem oberen Tabellendrittel nicht nur diesen kurzen Besuch abzustatten, sondern sich tatsächlich dauerhaft unter den Topklubs zu etablieren.