
Fotostrecke: Hennes und Hannes
Kölner Double vor 40 Jahren Ein Traum in Rot und Weiß
Es ist in diesen Zeiten nicht leicht, Fan des 1. FC Köln zu sein. Ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, als mein Team die Bayern 4:0 weggefegt hat. Jetzt geht es am Sonntag(13.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) gegen den SC Paderborn in der 2. Liga.
Für die, die die Kölner immer noch auf Augenhöhe mit Dortmund, Gladbach, Schalke oder Bayern sehen - also für alle FC-Fans - gibt es einen schönen Film, der den Schmerz zumindest vorübergehend vergessen lässt: "Das Double" spielt in der großen Zeit des Vereins, die in den frühen 60er Jahren begann und Ende der 70er Jahre endete. Im Film, der jetzt auch als DVD zu erhalten ist, geht es um das Jahr 1978, als Köln nicht nur den Pokal gewann, sondern auch auf dramatische Weise Meister wurde.
In einer der schönsten Szenen sieht man den damaligen FC-Trainer Hennes Weisweiler, wie er am letzten Spieltag im Hamburger Volksparkstadion steht, umringt von Reportern. Weisweiler weiß, dass dem FC die Meisterschale nicht mehr zu nehmen ist, obwohl die punktgleichen Gladbacher 12:0 gegen Dortmund führen. "Hennes Weisweiler, noch vier Minuten. Glauben Sie jetzt an die deutsche Meisterschaft?", fragt ein Reporter. "Noch immer nit", erwidert Weisweiler mit einem Lächeln, in dem sich der Triumph und die Genugtuung eines Mannes spiegeln, für den in dieser Saison alles auf dem Spiel stand.
"Gebt mir zwei Jahre"
Weisweiler ist eine der zentralen Figuren des Films. Er kam 1976 nach Köln, nach seiner glorreichen Gladbacher Zeit und einem kurzen Zwischenspiel beim FC Barcelona. An seinem ersten Tag in Köln sagte er: "Gebt mir zwei Jahre, um Meister zu werden." An dieser Aussage sollte er gemessen werden.
Regisseur Frank Steffan zeichnet ein ambivalentes Bild des Mannes, den die Kölner so verehrten, dass sie ihrem Maskottchen, dem Geißbock, seinen Vornamen gaben. Weisweiler war einer der größten Trainer seiner Zeit, er hat den Gladbacher Konterfußball erfunden und den Verein in die europäische Spitze geführt. Zugleich war er ein unnahbarer Mensch, der hart und ungerecht sein konnte und der die Verantwortung für Niederlagen stets bei anderen suchte.
Auch wenn Weisweiler viel Raum einnimmt, im Film geht es um den Verein. Steffan lässt ehemalige Spieler, Vorstandsmitglieder und Fans zu Wort kommen. Viele Entdeckungen sind dabei, etwa der damalige Mannschaftsarzt Alfons Bonnekoh, ein liebenswerter 86-Jähriger, der erzählt, dass Weisweiler nicht mehr mit ihm gesprochen habe, weil er der Mannschaft hinter dem Rücken des Trainers "autogenetisches Training" empfohlen habe.
Im Mittelpunkt steht aber das Spiel. Die Gegner des FC hießen MSV Duisburg, 1. FC Kaiserslautern oder 1860 München, Traditionsvereine, die sich später nicht einmal in der 2. Liga halten konnten und die für mich trotzdem einen anderen Klang haben als Hoffenheim oder Wolfsburg. Ein Topteam war damals Eintracht Braunschweig, das Köln in der Rückrunde 1:0 besiegte. Torschütze war ein gewisser Paul Breitner.
Wie schwerfällig die Spielzüge - und wie knapp die Hosen
Der Film ist dabei nicht nur für FC-Fans interessant. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich das Spiel verändert hat. Bemerkenswert, wieviel Platz die Spieler damals hatten, wie spät sie angegriffen wurden, wie schwerfällig manche Spielzüge aussehen - und wie knapp die Hosen waren. In meiner Erinnerung war Fußball damals schon genauso wichtig und populär wie heute, aber das stimmt nicht. In der Meistersaison war das Müngersdorfer Stadion nur zweimal ausverkauft, im Schnitt kamen 35.000 Zuschauer. In der Zweitligasaison 2013/14 hatte der FC einen Zuschauerschnitt von 46.000.
Auch damals gab es Künstler am Ball, Heinz Flohe zum Beispiel, einer der besten deutschen Mittfeldspieler, dem Steffan ein eigenes, berührendes Filmporträt gewidmet hat. Die Namen der großen Spieler von damals sind den FC-Fans heute noch geläufig: Toni Schumacher, Dieter Müller, Herbert Neumann, Gerd Strack, Roland Gerber. Müller hält mit sechs Toren in einem Spiel - beim 7:2 gegen Werder Bremen - noch immer den Bundesligarekord. Der eigentliche Star des Films aber ist Harald Konopka, ein eisenharter Rechtsverteidiger, der mit Witz und Selbstironie ("da bewundere ich mich heute noch, wie ich den Ball reinjemacht hab'.") von damals erzählt.

Fotostrecke: Hennes und Hannes
Dem Showdown am letzten Spieltag widmet Steffan viel Platz. Kein Kölner, kein Gladbacher wird den Tag vergessen, auch wenn die Erinnerungen sich deutlich unterscheiden. Die Ausgangslage damals: Köln lag punktgleich vor Gladbach, hatte aber die deutlich bessere Tordifferenz. Die Gladbacher mussten zehn Tore schießen, um an Köln vorbeizuziehen. Eine unmögliche Aufgabe, dachte man. Gladbach spielte in Düsseldorf gegen den Tabellenelften Dortmund, Köln im Volksparkstadion gegen den bereits abgestiegenen FC St. Pauli. Der Kölner Manager Karl-Heinz Thielen hatte St. Pauli 12.000 Tickets abgekauft, damit die Hamburger das Spiel nicht am heimischen Millerntor austrugen, sondern im Volksparkstadion des Hamburger SV.
Heute wäre man froh über Hoffenheim
Köln tat sich anfangs schwer, Gladbach dagegen legte furios los. Zur Halbzeit stand es 6:0, am Ende 12:0, bis heute der höchste Bundesligasieg. Borussenfans schwärmen noch immer von dem Spiel, Andere glauben eher an Schiebung. Ich habe seitdem eine tiefgehende Abneigung gegen den damaligen Dortmunder Trainer Otto Rehhagel, der gesagt haben soll: "Ein Meister Gladbach ist mir lieber als ein Meister Köln." Hardcore FC-Fan Jacki Nimmsgern erinnert sich die Stimmung im Kölner Block: "Wenn das in die Hose geht, steigen wir auf dem Rückweg in Dortmund aus."
Es ging nicht in die Hose. Der FC gewann souverän mit 5:0, Rehhagel wurde am nächsten Tag gefeuert, die Kölner in ihrer Stadt gefeiert. Sie schafften es später, was der Film nicht mehr zeigt, bis ins Halbfinale des Europapokals der Landesmeister. So gut war die Mannschaft damals.
Es wird noch etwas dauern, bis der 1. FC Köln wieder gegen Real Madrid oder den FC Liverpool spielt. Einstweilen wäre man als Fan froh, wenn die Gegner bald wieder Hoffenheim oder Wolfsburg hießen. Wer in der Zwischenzeit träumen will, dem sei "Das Double" ans Herz gelegt.