5:0 in Dortmund Ronaldo lässt Real beim Zaubern im Stich
Nein, Cristiano Ronaldo wollte nichts sagen. Lieber nicht, nach solch einem Spiel. Zwar versuchten ein paar mutige Reporter, den Portugiesen leise anzusprechen, doch er schaute nicht mal in ihre Richtung. Was hätte er auch sagen sollen? Es war schließlich nicht sein Abend gewesen, und das hatte ja ohnehin jeder gesehen.
Also ignorierte Ronaldo die Fragenden, warf stattdessen einen Blick in sein kleines Herrentäschchen, rückte seinen Ohrstecker zurecht, ließ sich noch kurz fotografieren - er hatte sich schließlich gerade erst frisch gemacht - und verschwand dann direkt im Mannschaftsbus. Er war zum einzigen Verlierer auf Seiten von Real Madrid geworden. Der Rest des Clubs, der neuerdings wieder "galaktisch" genannt wird, hatte leicht und locker 5:0 bei Borussia Dortmund gewonnen.
Beeindruckend viele Menschen (75.000) waren ins Dortmunder Stadion gekommen, obwohl es sich doch nur um ein Freundschaftsspiel handelte. Aber was heißt schon Freundschaftsspiel, gerade hier in Dortmund, in diesem Stadion? Hier sind sie Superlative ja gewöhnt, die BVB-Arena wurde gerade erst zum schönsten Stadion der Welt gewählt. Und die Dortmunder luden sich zum 100. Club-Geburtstag den teuersten Club der Welt mit dem teuersten Spieler der Welt ein. Ronaldo. Ihn wollten die Fans auf den steilen Tribünen wohl insgeheim zaubern sehen. Bewundern.
Die Leidenschaft, sich selbst zu feiern
Dass sie später nicht enttäuscht nach Hause fahren mussten, hatte jedoch weniger mit dem amtierenden Weltfußballer zu tun - sondern mehr mit dessen für rund 65 Millionen Euro gekauften Mannschaftskameraden Kaká, dem flinken Holländer Arjen Robben und der bemerkenswerten Bereitschaft der leidenschaftlichen Dortmunder Fans, sich und den Verein trotz einer deftigen Klatsche selbst zu feiern.
Unterschiedlicher als diese beiden Ausnahmekönner Kaká und Ronaldo können Fußballer wohl kaum sein, und so zeigten sie sich auch bei der Fete zum 100. Geburtstag der Dortmunder Borussia. Der eine: Brasilianer, gebildet, bescheiden, schüchtern, überaus beliebt. Eben ein Spieler, wie ihn sich wohl jeder Trainer aussuchen würde, wenn er ihn im Katalog bestellten könnte. Der andere: extrovertiert, als arrogant und selbstverliebt verschrien, natürlich auch beliebt, mehr aber noch belächelt, eher Showman als Sportler. Bei Real Madrid können sie ihr Glück trotzdem kaum fassen, diese beiden Deluxe-Kicker seit diesem Sommer zu ihrem Kader zählen zu dürfen.
Der große Zauber
"Für mich liegt der große Zauber der zwei darin", sagt der Real-Verteidiger Christoph Metzelder, "dass sie erst auf dem Feld unglaubliche Dinge machen und später wie ganz normale Kollegen in der Kabine neben einem sitzen. Der eine nur etwas ruhiger und der andere eben als großer Spaßvogel."
Beim lockeren Sieg der in Bestbesetzung spielenden und für rund 250 Millionen Euro verstärkten spanischen Vorzeigemannschaft in Dortmund erhielt der eine, Kaká, selbst von den BVB-Fans einen betörenden Applaus, als er nach einem Elfmetertor und einigen herrlichen Pässen vom Feld durfte. Der andere wurde bei jeder Ballberührung ausgepfiffen. Wagte es Ronaldo an diesem für seine Verhältnisse äußerst schwachen Abend, sich nach einem Zweikampf mal vor Schmerz an die Hüfte zu greifen, musste er sich sogar übel beschimpfen lassen.
Samstag kommt Stuttgart
"Ich bin froh, dass wir gegen so eine Mannschaft wie Real Madrid nicht allzu oft spielen müssen. Leider waren wir heute Abend die einzigen, die nicht nur zum Genießen ins Stadion kamen", sagte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp, zu dessen Stimmung die Tore durch Granero (3.), Robben (48.), Higuaín (73.), Kaká (76.) und Rául (89.) nichts Positives beigetragen hatten. "Heute haben wir mal gesehen", fügte Torhüter Roman Weidenfeller hinzu, "wie großer Fußball aussehen kann." Und Mittelfeldspieler Nuri Sahin erklärte: "Gott sei Dank war es nur ein Freundschaftsspiel. Denn so hoch will man eigentlich nicht mal gegen Real Madrid verlieren."
Dass die Spanier sogar "noch viel besser spielen können", wie der von den Fans gefeierte ehemalige Dortmunder Metzelder über seine "noch lange nicht eingespielte Mannschaft" sagte, wird bei der Borussia so schnell erst mal niemanden mehr interessieren. Vielmehr werden sie dort zusehen, die als Wiedergutmachung für die peinliche 1:4-Schlappe beim Hamburger SV gedachte, aber als Debakel zu Ende gegangene Geburtstagsparty möglichst schnell zu vergessen. Schließlich kommt schon am Samstag der VfB Stuttgart nach Dortmund - und dann werden die Zuschauer sicherlich keine Laola-Welle mehr durchs Stadion treiben, sollte die Borussia wieder so deutlich in Rückstand geraten.
Vielleicht darf dann ja auch der gerade mal 18 Jahre alte Julian Koch, der gegen Reals Eliteteam auf der rechten Seite von Beginn an verteidigen durfte und sich von Ronaldos unzähligen Übersteigern nicht aus der Ruhe bringen ließ, wieder mitspielen. "Er ist einer von den Dortmundern, die die typische deutsche Spielweise verkörpern", erkannte Metzelder. "Laufstark und aggressiv in den Zweikämpfen. Gegen so was spielt man bei Real Madrid nicht so gerne. Einige von uns sind daher froh, dass wir jetzt wieder nach Hause fliegen."
Genaugenommen war es wohl nur einer. Und der saß schon im Bus.