Afrika-Cup "Titel - wenn möglich ohne Gegentor"

Durchbohrte Puppen, beschmierte Kabinen: Die deutschen Trainer beim Afrika-Cup haben sich an die Unwägbarkeiten ihrer Arbeit gewöhnt. Dennoch haben Berti Vogts und Otto Pfister ihr Ziel nicht aus den Augen verloren - den Titel bei der Generalprobe für die WM 2010.

Hamburg - Rund zweieinhalb Jahre vor der ersten WM auf dem Schwarzen Kontinent ist der 26. Afrika-Cup in Ghana (20. Januar bis 10. Februar) weit mehr als nur ein Kräftemessen der besten 16 Mannschaften: Das Turnier gilt als WM-Testlauf, riesiges Medienereignis und soll Afrikas Ruf in der Fußball-Welt verbessern - und ist zumindest für Berti Vogts und Otto Pfister die große Chance.

Vogts mit Nigeria und Pfister mit Kamerun wollen an der Goldküste nach dem Goldpokal greifen. Der dritte deutsche Coach Reinhard Fabisch geht dagegen mit Benin in der "Todesgruppe" mit Topfavorit Elfenbeinküste, Geheimtipp Mali und Nigeria als krasser Außenseiter an den Start. "In Nigeria wird der Titel erwartet - wenn möglich ohne Gegentor", sagte Vogts vor dem Kontinentalturnier, das morgen (18 Uhr) mit der Begegnung Ghana gegen Guinea eröffnet wird, spöttisch.

Wie üblich mischt bei den "Super Eagles" die Politik kräftig mit. "Wir haben genug von Silber und Bronze. Holt für uns den Titel!", sagte Sportminister Abdulrahman Hassan Gimba. Er überprüfte in Marbella spontan Gerüchte aus der Heimat, nach denen in der Vorbereitung im sonnigen Spanien fünf Grad minus herrschen sollten. "Ich muss mich bei Berti entschuldigen, dass wir Zweifel hatten", sagte Gimba bei 20 Grad plus schnell - Gefahr für Vogts vorerst gebannt. Doch die Freundlichkeit der obersten Staatsmänner könnte nach bei einer Niederlage im wichtigen Auftaktspiel gegen die Elfenbeinküste am Montag (18 Uhr) in eisige Kälte umschlagen.

Pfister weiß, warum: "Wenn einer versagt, fliegt er hier schneller als er gucken kann. Hier ist Fußball Religion", sagte der 70-Jährige, der nach 1978 (mit Burkina Faso), 1988 (Zaire) und 1992 (Ghana) beim Afrika-Cup den vierten Anlauf startet. 1992 durchkreuzte ihm Tony Baffoe im Finale mit dem letzten Elfmeter den Triumph. "Jaja, er hat verschossen, immer die alte Geschichte. Egal, wir wollen ganz oben stehen", sagt Pfister nur. Baffoe ist diesmal Cheforganisator. "Ghana ist gut gerüstet", sagte der "Beckenbauer Afrikas", "wir stellen uns der Verantwortung, eine WM-Generalprobe zu sein. Doch wir wollen auch auf diese Tragödie in Kenia hinweisen."

Die Absage der Rallye Dakar, die Ermordung von Peter Burgstaller vor der WM-Auslosung in Durban und Massenunruhen in Kenia haben Zweifel aufkommen lassen, ob Afrika eine Veranstaltung dieses Ausmaßes stemmen kann. Ghana 2008 wird ein Gradmesser sein. Das Turnier bietet 32 Spiele in vier für rund 100 Millionen Euro renovierten Stadien, zudem eine bunte Mischung aus Musik, Tanz und Public Viewing. Auch der Voodoo-Zauber wird wieder nicht zu kurz kommen.

Nigerias Torwarttrainer Uli Stein machte diese Erfahrung schon in der Vorbereitung: Beim Spiel in Uganda waren die Wände der Kabine mit Exkrementen beschmiert. "Wir haben dann aus Eimern getrunken", so Stein. Seine Mannschaft geht die Aufgabe anders an: "Vorsprecher" Nwankwo Kanu bittet zum kollektiven Gebet.

Fabisch, der Benin als "Hochburg des Voodoo" bezeichnete, hat sich mit durchbohrten Puppen, wilden Ritualen und vergrabenen Glücksbringern abgefunden. Dafür musste er bis zum Schluss auf zwei seiner Spieler warten: "Von Seiten des Benin ist Chaos überall."

Auch sonst bleiben die üblichen Misstöne nicht aus. Issa Hayatou, Präsident der Afrikanischen Fußball-Konförderation (Caf), blieb in der Termin-Diskussion hart: "Solange ich Präsident der Caf bin, bleibt der Termin. Launen und Marotten der Clubs werden wir nicht nachgeben." Fifa-Präsident Joseph Blatter dagegen will den Cup, dessen Terminierung auf Januar die europäischen Vereine alle zwei Jahre zur Abstellung ihrer afrikanischen Spieler zwingt, unbedingt in den Sommer verlegt sehen. "Ich weiß, dass das hier Tradition ist. Aber man muss mutig genug sein, um zu sehen, ob es nicht möglich ist, etwas zu ändern. Alle anderen großen Turniere finden im Juni oder Juli statt", sagte Blatter und stellte zugleich ein Ultimatum: "Spätestens 2016 muss der Kalender so aussehen, dass die Interessen aller Beteiligten gewahrt werden."

Caf-Generalsekretär Mustafa Fahmy unterstützt Hayatou. "Wir können den Wettbewerb gar nicht in den Juni verlegen, weil entweder Regenzeit ist oder es in anderen Teilen des Kontinents zu heiß ist", sagte der Ägypter und fügte hinzu: "Die Europäer würden auch nicht auf die Idee kommen, im Januar eine EM in Russland auszutragen." Blatter lässt dieses Argument nicht gelten. Auch das Problem der Kollision mit dem Termin der WM, die alle vier Jahre zeitgleich mit dem Cup angesetzt sein würde, ließe sich lösen: "Der Afrika-Cup könnte auf die ungeraden Jahre ausweichen."

Doch zunächst rollt ab morgen der Ball. Ghana, die Elfenbeinküste, Kamerun und Nigeria gelten als Favoriten. Die Besetzung ist dermaßen ausgeglichen, dass Pfister mutmaßte: "Bis auf Benin und Namibia kann jeder gewinnen."

fpf/sid

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