Argentinien in der WM-Qualifikation Endspiel auf 2850 Metern

Lionel Messi
Foto: Victor R. Caivano/ dpaDer Modus in der südamerikanischen WM-Qualifikation ist denkbar simpel. Und er ist maximal fair: Jeder spielt gegen jeden, einmal daheim, einmal auswärts. Die besten vier Teams qualifizieren sich für die Endrunde, der Fünfte darf immerhin noch in zwei Playoff-Duellen gegen das stärkste Team aus Ozeanien um einen weiteren Platz spielen - die fünf anderen Teams gehen leer aus.
Ziemlich genau zwei Jahre dauern die "Eliminatorias", im wahrsten Wortsinne ein Ausscheidungsrennen, in dem sich am Ende zuverlässig die stärksten Teams des Kontinents durchsetzen sollten. Keine Verzerrungen durch unglückliche Auslosungen, die Tabelle lügt nicht. Umso erstaunlicher: Vor dem 18. und letzten Spiel belegt Vizeweltmeister Argentinien nur Rang sechs.
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Tabelle in Südamerika:
Sechs Teams innerhalb von vier Punkten! 🔥 #WMQ
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In der Nacht zum Mittwoch (1.30 Uhr MEZ) treten Lionel Messi und seine Mitspieler in Ecuador an. Die 2850 Meter sind legendär, kein Gegner spielt gern in Quito, auch wenn die Duelle dort mittlerweile ein wenig ihren Schrecken verloren haben - in der aktuellen Qualifikationsrunde haben gleich drei Teams in Ecuador gewonnen: Brasilien, Kolumbien und Peru.
Triumphieren nun auch die Argentinier im Estadio Olímpico Atahualpa, wäre ihnen zumindest der Hoffnungslauf gegen Neuseeland gewiss - weil sich die Konkurrenten aus Peru und Kolumbien gleichzeitig im direkten Duell Punkte abnehmen werden. Für einen Erfolg bei den bereits ausgeschiedenen Ecuadorianern muss Argentinien allerdings dringend sein aktuell größtes Problem lösen: Sie treffen das Tor einfach nicht.
"Wir haben gute Spiele gemacht. Jenseits der Zahlen verdient Argentinien die Qualifikation", sagte Jorge Sampaoli, der mittlerweile dritte argentinische Coach der vergangenen zwei Jahre. Diesseits der Zahlen befindet sich der WM-Zweite von 2014 aber tief in der Krise.
Nur 16 Treffer in 17 Spielen
73 Torschüsse haben die Argentinier seit ihrem letzten Treffer, einem Messi-Elfmeter gegen Chile, in der WM-Qualifikation abgegeben - ohne Erfolg. In den vergangenen fünf Spielen gelangen nur zwei Tore, neben Messis Strafstoß durfte man lediglich ein venezolanisches Eigentor bejubeln. 16 Treffer in 17 Spielen - nur Bolivien (14) war in Südamerika noch ungefährlicher. Fast ein Jahr ist es nun her, dass ein anderer argentinischer Spieler als Messi ein Tor erzielte: Ángel Di María traf im November 2016 gegen Kolumbien.
73 - #Argentina have not scored any of their last 73 shots in WC Qualifiers (last goal: #Messi v Chile). Drought. pic.twitter.com/5y1GT6sGvd
— OptaJavier (@OptaJavier) October 6, 2017
Ein Rätsel, beim Blick auf die argentinischen Offensivspieler sogar noch mehr: Zwar fehlt Sergio Agüero verletzungsbedingt, neben Messi (aktuell für den FC Barcelona Top-Torjäger in Spanien) stehen mit Paulo Dybala (aktuell für Juventus Top-Torjäger in Italien) und Darío Benedetto (aktuell für die Boca Juniors Top-Torjäger in Argentinien) aber weitere extrem torgefährliche Akteure im Aufgebot. Warum also treffen diese Spieler das Tor nicht mehr, sobald sie das weiß-hellblaue Nationalmannschaftstrikot überstreifen?

Jorge Sampaoli
Foto: RODRIGO BUENDIA/ AFPDie Psyche lähmt, glaubt der Coach. "Der überwältigende Wunsch", sich für die WM-Endrunde zu qualifizieren, sei das größte Problem des Teams, so der Trainer. Oder, von der anderen Seite formuliert: die Furcht, erstmals seit 1970 wieder ein WM-Turnier zu verpassen. Und natürlich lastet der Druck wieder einmal auf Superstar Messi: "Wenn alle sein Niveau erreichen, wird das Spiel gut laufen", sagte Sampaoli.
Knapp drei Kilometer über dem Meeresspiegel ist dieser Druck immerhin etwas geringer. Wird das eine Rolle spielen? Ja, sagt Sampaoli, der weiß, wovon er redet. 2010 musste er als Trainer des ecuadorianischen Küstenklubs Emelec ebenfalls mehrfach in der Höhe von Quito spielen. "Wenn der Ball in der Luft ist, ist es sehr schwer zu erahnen, wo er landet." Es klingt nach ersten Rechtfertigungen.
Ein Sieg in Ecuador ist Argentinien überhaupt erst ein einziges Mal gelungen. Es wäre kein schlechter Zeitpunkt für den zweiten Erfolg, die Parallelspiele in Sao Paulo (Brasilien gegen Chile) und Lima (Peru gegen Kolumbien) werden zeigen, was er am Ende wert ist.
Ab der übernächsten Qualifikationsrunde wird ein Turnier ohne Argentinien übrigens noch einmal ein Stück unwahrscheinlicher: Durch die geplante Vergrößerung des Teilnehmerfeldes ab der WM 2026 auf 48 Teams qualifizieren sich dann sechs oder sogar sieben südamerikanische Teams. Das hilft Sampaoli in der Gegenwart allerdings wenig.