
Argentiniens Luxus-Sturm Superstars im Schatten Messis
Diego Maradona hat ein Luxusproblem. Der Kader der Argentinier ist gespickt mit Weltklasse-Angreifern - allen voran Weltfußballer Lionel Messi, der auch im Auftaktspiel bester Feldspieler war. "Der Star ist da, die Mannschaft fehlt noch", schrieb "La Nacion" in der argentinischen Heimat. "Der Star" ist Messi. "Die Mannschaft", das ist vor allem eine Anhäufung von Top-Stürmern, wie es sie in einem Team bisher wohl noch nicht gegeben hat. Am Donnerstag geht es für die Argentinier gegen Südkorea (13.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE).
Gonzalo Higuaín, im 1:0-Spiel gegen Nigeria noch glücklos, hat in dieser Saison bei Real Madrid gezeigt, dass er trotz seiner erst 22 Jahre einer der treffsichersten und vielseitigsten Offensivkräfte ist. 2007 vom argentinischen Club River Plate zu den "Königlichen" gewechselt, schoss er in der vergangenen Spielzeit 27 Tore in 32 Liga-Partien. Besser war in der spanischen Primera División nur einer: Barças , mit dem Higuaín gemeinsam gegen Nigeria im Sturm auflief.
Doppelpass für Higuaín, Fan-Liebe für Tévez
Bei Real hat sich Higuaín gegen 35-Millionen Einkauf Karim Benzema durchgesetzt, der vor der Saison von Olympique Lyon gekommen war. Altstar Ruud van Nistelrooy erkannte, dass er kaum noch Chancen auf Einsätze hatte, und wechselte zum HSV.
Higuaín ist ein nahezu perfekter Mittelstürmer: Er hat die nötige Schnelligkeit für Konterangriffe und eine Technik, mit der er oft ins Dribbling gegen einen oder zwei Gegenspieler geht, aber die ihm auch dabei hilft, den Ball zu halten und auf nachgerückte Teamkollegen abzulegen. Das Kopfballspiel ist seine größte Schwäche, aber weder bei Real noch unter Maradona sind Flanken das stilprägende Element im Angriff. In der Nationalmannschaft hatte Higuaín keinen leichten Einstand, denn er ist gebürtiger Franzose. Sein Vater Jorge Higuaín spielte Ende der achtziger Jahre bei Stade Brest als Verteidiger. 2006 berief Trainer Raymond Domenech Higuaín junior ins Aufgebot Frankreichs, doch der lehnte ab. Seit seinem 18. Geburtstag hat er nun beide Pässe und spielt für Argentiniens A-Mannschaft.

Ähnlich beweglich und schnell wie Higuaín ist Carlos "Carlitos" Tévez. Seine Bilanz: 23 Tore für Manchester City in 35 Spielen in der vergangenen Premier-League-Saison. In der Nationalelf ist Tévez mit neun Treffern in 55 Länderspielen nicht ganz so erfolgreich. Allerdings bestritt er viele Partien für die "Albiceleste" als Auswechselspieler hinter den ehemals gesetzten Stars Javier Saviola und Hernán Crespo. Der 26-Jährige ist der Liebling der argentinischen Bevölkerung. Anders als Higuaín, der "Franzose", und Messi, der nie für einen argentinischen Proficlub spielte, sondern bereits in der Jugend zum FC Barcelona ging, ist Tévez ein Mann des Volkes, der sich auf dem Platz zerreißt und niemals aufgibt. Die Hochhaussiedlung, in der er aufwuchs, heißt "Fuerte Apache", auf Deutsch "Festung Apache". Sie trug Tévez seinen Spitznamen "Der Apache" ein.
Auch wenn die Stürmertore im Auftaktspiel der Argentinier in der Gruppe B ausblieben, hat Maradona wenig Grund zu wechseln: 20 Torschüsse spielte sich sein Team heraus und war 60 Prozent des Spiels in Ballbesitz. "Wenn wir die Chancen, die wir uns erarbeitet haben, auch genutzt hätten, könnten wir jetzt vielleicht von einer argentinischen Glanzvorstellung sprechen", sagte Maradona. Aber angesichts des knappen Ergebnisses gab er zu bedenken: "Wir haben viele Fehler gemacht, und das müssen wir korrigieren. Denn in der Regel ist es so, dass man für solche Fehler am Ende die Quittung bekommt, auch wenn wir von unserem heutigen Gegner dafür nicht bestraft wurden."
Schlechte Karten für den Schwiegersohn und das Maskottchen
Schon während des Spiels hatte Maradona gezeigt, dass ihm ein Tor zu wenig war: Elf Minuten vor dem Ende wechselte er Diego Milito ein, der an dem Tag seinen 31. Geburtstag feierte. Ein Stürmer, der wohl in allen anderen Mannschaften der Welt einen Stammplatz sicher hätte - zumal nach einer Saison wie der vergangenen: 22 Liga-Tore in 35 Spielen, dazu sechs Treffer in der Champions League. Im Alleingang schoss Milito, genannt "Der Prinz", den FC Bayern im Finale in Madrid beim 2:0 von Inter Mailand ab. Direkt nach dem Schlusspfiff forderte Milito damals: "Ich reise nun nach Argentinien und sage Maradona, dass er mich aufstellen soll." Mehr als die Jokerrolle scheint für Milito aber unter seinem eigenwilligen Trainer nicht drin zu sein.
Zwei weitere Angreifer durften erst gar nicht ins Spiel eingreifen: Sergio Agüero ist ein dribbelstarker Konterstürmer - und Maradonas Schwiegersohn. Dank einer guten Saion bei Atlético Madrid hatte sich Agüero Hoffnungen auf einen Platz in der Startelf gemacht, doch ihm droht während des Turniers die Bank. Das gleiche Schicksal teilt der 36-Jährige Martín Palermo (Boca Juniors). Als Schütze des entscheidenden Qualifikationstores durfte er zwar mit nach Südafrika reisen, dort wird ihm allerdings eher die Rolle des Maskottchens zukommen.
Schon vor der Weltmeisterschaft hatte Bayerns Martín Demichelis davor gewarnt, die Defensive zu vernachlässigen: "Jeder spricht von Messi, Higuaín, Milito oder Tévez, aber damit sie gut spielen, müssen wir hinten sicher stehen."
Das einzige Tor gegen Nigeria erzielte übrigens keiner der Torjäger, sondern Gabriel Heinze: ein Verteidiger.