Strafverfahren gegen Fifa-Boss Blatter Das Präsidentenbeben

Fifa-Präsident Blatter, Uefa-Boss Platini: Die Statik ist gefährdet
Foto: AFPPressekonferenzen haben im Funktionärsleben des Joseph S. Blatter immer eine große Rolle gespielt, und man tut dem 79-Jährigen sicher kein Unrecht, wenn man annimmt: Er mag sie ganz gern. Oder besser: mochte.
Der beispiellose Abstieg, den der Fifa-Präsident und sein Verband in den vergangenen Monaten genommen haben, wurde auch immer hervorragend symbolisiert durch die öffentlichen Auftritte des Bosses. Im Juni musste Blatter ankündigen, er werde im Zuge der Fifa-Krise sein Amt zur Verfügung stellen. Im Juli wurde er vor einer Pressekonferenz mit Geldscheinen beworfen. Und heute, an diesem 25. September 2015? Kam er einfach gar nicht mehr.
Wahrscheinlich muss, sollte oder darf sich die Fußballwelt an dieses Bild gewöhnen: Blatter ist weg, dieses Szenario ist nach den Ereignissen des für die Zukunft des Weltfußball einschneidenden Freitags so wahrscheinlich wie nie zuvor. Die Schweizer Bundesanwaltschaft teilte mit, dass offiziell gegen Blatter ermittelt werde. Es geht um den Verdacht der "ungetreuen Geschäftsbesorgung" und möglicherweise auch der Veruntreuung.
Konnte sich Blatter bisher immer noch mit Verweis auf die eigene angeblich so weiße Weste auf seinem Posten halten, so ist ein Rücktritt nach den massiven Verdachtsmomenten nun alternativlos. Auch wenn für Blatter selbstverständlich die Unschuldsvermutung gelten muss und er über seinen Anwalt dementieren lässt ("Es hat zweifellos kein Missmanagement gegeben"): Allein ein Präsident im Visier der Staatsanwaltschaft ist nicht mehr tragbar.

Blatters Fifa-Karriere: Entwicklungshelfer, Generalsekretär, Big Boss
Überraschend kam die Nachricht von den Ermittlungen gegen den mächtigsten Mann des Planeten Fußball nicht mehr. Die Einschläge waren ja zuletzt so nahe gekommen, dass man sich Blatter unweigerlich kauernd in einem Keller vorstellen musste. Und doch hatte sich in der Mitteilung der Schweizer Bundesanwaltschaft durchaus Sensationelles versteckt.
"Zudem wird Joseph Blatter eine treuwidrige Zahlung von zwei Millionen Schweizer Franken im Februar 2011 an Michel Platini, Präsident der Union of European Football Associations (Uefa), zu Lasten der Fifa vorgeworfen, angeblich für die zwischen Januar 1999 und Juni 2002 geleisteten Dienste."
Das ist ein Satz, der die Statik nicht nur der Fifa gefährdet, sondern die des Europäischen Fußballverbandes Uefa gleich mit. Denn er rückt expressis verbis auch Michel Platini ins Zwielicht, den nicht weniger mächtigen und dem Fifa-Boss in herzlicher Abneigung verbundenen Uefa-Boss. Platini, so heißt es in der Mitteilung der Schweizer, "wurde an diesem Freitag als Auskunftsperson (Art. 178 StPO) von Vertretern der Bundesanwaltschaft einvernommen."
Der gefährliche Satz sagt: Es gibt den Verdacht, dass Joseph Blatter 2011 zwei Millionen Schweizer Franken an Michel Platini gezahlt haben soll. Für Dienste, die angeblich zwischen zwölf und neun Jahren zurückliegen. Und genau dort liegt das Problem. Zum einen für Blatter, der große Schwierigkeiten haben wird, eine Zahlung mit diesem gigantischen zeitlichen Abstand zu begründen.
Zum anderen aber auch für Platini, der im Februar 2016 (oder früher) am liebsten Blatters Nachfolger als Fifa-Boss werden will. Denn natürlich steht nun unausgesprochen auch der Verdacht im Raum, der Franzose mit den guten Verbindungen nach Katar könnte die Millionen 2011 nicht für vergangene Dienste bekommen haben (bis 2002 war er Blatters Berater), sondern für Tätigkeiten mit deutlich näherem zeitlichen Bezug.
Michel Platini stehen spannende Wochen bevor, größtmögliche Transparenz in eigener Sache wird gefragt sein. Kann er das? Will er das? Kann er das wollen?
Der Fifa-Präsident ist spätestens seit diesem Freitag ausgezählt. Aber auch der Mann, der Fifa-Präsident werden will, ist nun mindestens angezählt.