Rauchbomben, Schlägereien, Attacken auf gegnerische Anhänger: Als Köln vor zwei Jahren abstieg, hatte der Verein ein massives Fanproblem. Jetzt ist der FC zurück in der Bundesliga - und die Fans bekommen Lob von Polizei und Politik.
Am 5. Mai 2012 verschwand der 1. FC Köln in einer schwarzen Wolke. Durch ein 1:4 gegen den FC Bayern im eigenen Stadion stieg die Mannschaft aus der Bundesliga ab, zum fünften Mal. Einige Fans auf den Stehplätzen der Südkurve zündeten in den letzten Minuten des Spiels Bengalische Fackeln und ließen Rauch aufsteigen, der schließlich die komplette Tribüne einschloss. Nach dem Abpfiff wollten ein paar Dutzend Zuschauer den Platz stürmen. Polizisten in schwerer Montur drängten sie unter Einsatz von Pfefferspray zurück.
Die Szenerie war ein passender Abschluss einer Saison, in der von der Mannschaft bis zum Vorstand auf allen Ebenen des 1. FC Köln Chaos herrschte - und in der einige Fans des Vereins, vor allem Mitglieder der Ultra-Szene, mehrfach durch kriminelle Akte auffielen. Sie attackierten an Karneval Polizisten, sie griffen einen Fanbus des rheinischen Rivalen Borussia Mönchengladbach mit Pflastersteinen an, sie verprügelten vor einer Disco in der Kölner Innenstadt den Leverkusener Spieler Michal Kadlec.
Im Spätsommer 2014 ist der Verein nicht nur sportlich konsolidiert durch die Rückkehr in die Bundesliga. Auch das Fanproblem ist kleiner geworden, wie von höchster Stelle bestätigt wird: "Ich freue mich sehr darüber, dass die Gewalt in der Kölner Fanszene in den vergangenen zwei Jahren deutlich zurückgegangen ist", sagt Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger.
Auch aus Sicht der Polizei hat sich die Lage entschärft. Volker Lange, der seit 2010 für die Einsätze bei den Heimspielen des 1. FC Köln verantwortlich ist, sagt vor dem Bundesligastart gegen den Hamburger SV am Samstag (15.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE): "Ich sehe der neuen Saison gespannt entgegen, aber nicht im negativen Sinne."
Und das, obwohl die Rückkehr ins Fußball-Oberhaus Konfliktpotenzial und Unwägbarkeiten mit sich bringt. Am vierten Spieltag kommt es zum Derby gegen Mönchengladbach. Außerdem will die Polizei in Nordrhein-Westfalen bei einigen Spielen weniger Beamte einsetzen. Das setzt Vertrauen in die Anhängerschaft der Bundesligisten voraus.
Hat der 1. FC Köln seine Fans in den Griff bekommen?
Im ersten Stock der Vereinszentrale "Geißbockheim" protestieren Werner Spinner, Rainer Mendel und Thomas Schönig gegen die Wortwahl. In den Griff bekommen - das passe nicht. "Unsere Fanszene ist laut, sie ist bunt, sie ist kreativ und provokativ. Sie ist ein Sack Flöhe", sagt Schönig. "Wir können sie nicht in den Griff kriegen, das wollen wir auch nicht." Doch dass sich das Verhalten der Fans gebessert hat, darin sind sich die drei Männer einig. Sie loben sich eigentlich selbst, denn das ist maßgeblich ihr Verdienst.
Misstrauen bei den ersten Treffen
Spinner ist seit 2012 Präsident des 1. FC Köln, er hat die Befriedung der Fanszene zu einem seiner Kernthemen gemacht. Sein Werkzeug ist der Dialog. Nach wenigen Monaten im Amt gründete Spinner die sogenannte AG Fankultur, einen Diskussionskreis mit Fanvertretern unter der Leitung von Strafrichter Schönig und Mendel, dem Fanbeauftragten des 1. FC Köln. Moderiert von unabhängigen Fachleuten. Etwa 30 Leute sind bei den regelmäßig stattfindenden Versammlungen dabei. Sitzplatzfans ebenso wie Mitglieder der Ultragruppen "Wilde Horde", "Boyz" und "Coloniacs".
Zu Beginn war die Stimmung schlecht. Die Ultras betrachteten die gemäßigten Fans mit einer gewissen Arroganz, die gemäßigten Fans hatten Angst vor den Ultras. Den Vereinsvertretern gegenüber waren beide Gruppen skeptisch, denn unter Spinners Vorgänger Wolfgang Overath hatte so gut wie kein Austausch stattgefunden.
Doch das anfängliche Misstrauen ist gewichen. "Wir teilen den Fans mit, was uns wichtig ist. Sie teilen uns mit, was ihnen wichtig ist. Die Fans diskutieren untereinander. Wir haben eine gewisse Normalität im Dialog erreicht. Die Etablierung der Kommunikation ist Tagesgeschäft geworden", sagt Spinner. Spötter würden ihn einen Fanversteher nennen, berichtet er, aber mit seiner Strategie hat er offenbar weite Teile der Fankurve für sich gewonnen.
Rückschlag in der Innenstadt
Die Fankurve bestätigt das. "Die Fans sehen, dass der Verein in vielen Punkten an einer gemeinsamen Lösung interessiert ist", sagt Eike, Mitglied der Coloniacs und eine Art Pressesprecher der Ultraszene. Dass der als radikal angesehene Teil der Fans mittlerweile Interviews gibt, anstatt sich als Untergrundbewegung zu inszenieren, wertet die Führung des 1. FC Köln als Erfolg.
Auch Kritik von Seiten des Vereins lassen die Ultras neuerdings zu: "Wir können unseren Fans mittlerweile klar und deutlich die Meinung sagen, ohne dass beim nächsten Spiel 50 Spruchbänder in der Kurve hängen, wie unfähig die Vereinsführung ist", sagt Fanbeauftragter Mendel. Der sportliche Aufschwung beim 1. FC Köln trägt zur Entspannung der Fanproblematik bei.
Trotzdem gibt es immer wieder Rückschläge, den heftigsten im Januar dieses Jahres. Vor einem Freundschaftsspiel gegen den FC Schalke 04 prügelten sich in der Kölner Innenstadt Kölner, Schalker und Dortmunder Hooligans, einer von ihnen wäre beinahe gestorben.
Präsident Spinner will nicht, dass dieser Fall zu einem Problem des 1. FC Köln erklärt wird: "Ich übernehme nicht für jeden Verantwortung, der mit einem FC-Schal rumläuft. Wir können uns nur ein begrenztes Feld vornehmen. Wir sind ein Fußballverein!" Keine pädagogische Einrichtung für Gewalttäter. So meint er das. Die meisten Beteiligten an der Schlägerei hätten mit dem Verein nichts zu tun gehabt.
Doch auch Fans, mit denen der 1. FC Köln im Dialog steht, benehmen sich gelegentlich daneben. Einige Ultras stehen Gewalt offen gegenüber, um es mal vorsichtig auszudrücken, außerdem sehen sie Pyrotechnik als Teil ihrer Kultur. Der DFB hat den Verein deshalb mehrmals mit Geldstrafen belegt. Für den vom eigenen Anhang verursachten Schaden will der Verein nicht aufkommen. Er reicht die Kosten an identifizierte Gewalttäter und Feuerwerker in Form von Regressforderungen in insgesamt sechsstelliger Höhe weiter. An den Gesprächen mit den Fans halten die Verantwortlichen dennoch fest.
Und die Strategie mit Dialog und Sanktionen könnte Nachahmer finden. "Es haben schon Vereine aus der Bundesliga bei uns angefragt, was wir machen und wie wir das machen", sagt Fanbeauftragter Mendel. Dass der 1. FC Köln eines Tages zum Vorbild in Sachen Fanpolitk werden würde, war am 5. Mai 2012 nicht zu erwarten gewesen.
Abstieg mit Knall und Rauch: Als sich der 1. FC Köln im Mai 2012 durch eine 1:4-Niederlage gegen den FC Bayern München aus der Bundesliga verabschiedete, schufen die Fans auf der Südtribüne eine bedrohliche Szenerie.
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Bengalische Feuer brannten, eine schwarze Wand stieg auf. Nach Abpfiff stürmten einige Fans den Rasen, die Polizei setzte Pfefferspray ein. In der ganzen Saison war es immer wieder zu Verfehlungen der Kölner Fans gekommen.
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Präsident Werner Spinner hat die Fanproblematik zu einem seiner Hauptthemen gemacht: Er hat den Dialog mit den Anhängern eröffnet - auch mit den Ultras, die immer wieder Ärger machen.
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Regelmäßig trifft sich der Verein mit Fanvertretern. Die sogenannte AG Fankultur wird geleitet von dem Strafrichter Thomas Schönig und dem Kölner Fanbeauftragten Rainer Mendel (Bild).
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Bilder aus der Abstiegssaison: Kölner Ultras wollen nach dem Spiel gegen den FC Bayern den Platz stürmen. Die Polizei drängt sie zurück. Präsident Spinner sagt, mittlerweile sei der Dialog mit den Fans Tagesgeschäft geworden.
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Neben dem Austausch setzt der Verein aber auch auf konsequente Sanktionierung: Vom DFB verhängte Geldstrafen für das Fehlverhalten der eigenen Fans - hier ein Bild vom Derby in Düsseldorf in der abgelaufenen Zweitliga-Saison - legt der Verein auf identifizierte Straftäter um.
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Polizei im Kölner Stadion: In der neuen Bundesliga-Saison will das Land Nordrhein-Westfalen bei bestimmten Spielen weniger Beamte einsetzen. Volke Lange von der Kölner Polizei sagt, er sehe der Saison gespannt entgegen - aber nicht im negativen Sinne.
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Die Kölner Strategie könnte Nachahmer finden. Mehrere Bundesliga-Klubs haben sich nach dem Umgang des Vereins mit seinen (Problem-)Fans erkundigt.