Fifa nach Valcke-Entlassung Der Mann neben Blatter

Fifa-Größen Valcke (l.) und Blatter: Vorerst getrennt
Foto: Ennio Leanza/ dpaDie Entwicklungen im Fußball-Weltverband bleiben ein Krimi. Die Fifa verkündete in dürren Zeilen die Entlassung ihres Generalsekretärs Jérôme Valcke, der zurzeit auf Inspektionsreise beim WM-Gastgeber Russland weilt. Die Fifa habe "von einer Reihe von Vorwürfen Kenntnis erhalten, die den Generalsekretär betreffen, und hat eine formelle Untersuchung durch die Fifa-Ethikkommission in Auftrag gegeben", heißt es.
Es ist bereits die zweite Entlassung von Valcke, er war im Dezember 2006 bereits als Chef der damaligen Fifa Marketing AG gefeuert worden, weil er in der Affäre um die Sponsoren Visa und Mastercard am Ende einen Schaden von etwa 100 Millionen Schweizer Franken hinterlassen hatte. Ein halbes Jahr später, Mitte 2007, hatte Präsident Joseph Blatter Valcke dennoch zurückgeholt und als Generalsekretär verpflichtet. Nun wurden Valcke, der zahlreiche Skandale erfolgreich ausgesessen hat, neue Vorwürfe zum Verhängnis, wonach er eigenmächtig Pakete von WM-Tickets der Turniere 2010, 2014, 2018 und 2022 verkauft haben soll.
Die mafiösen Strukturen und Usancen im Reich der Fifa werden also in dieser Woche weiter eindrücklich belegt, die mit einer gemeinsamen Pressekonferenz der US-Justizministerin Loretta Lynch und des Schweizer Bundesanwalts Michael Lauber begann. Am Donnerstag erklärte die Bundesanwaltschaft nach eingehender Prüfung der Sachverhalte, den seit 27. Mai 2015 in Zürich in Untersuchungshaft befindlichen ehemaligen Fifa-Vizepräsidenten Eugenio Figueredo an die USA auszuliefern.
"Wirre, konfuse Präsentation"
Für die meisten Schlagzeilen sorgte aber eine bizarre Pressekonferenz in Zürich, auf der Vertreter der in Pfäffikon im Kanton Schwyz ansässigen Agentur JB Sports Marketing AG schwere Vorwürfe gegen den noch amtierenden Fifa-Präsidenten Blatter und eben Valcke erhoben.
Es geht um den lukrativen Handel mit Tickets, Hotel- und VIP-Paketen bei Fußball-Weltmeisterschaften von 2006 bis 2022. In diesem Metier haben Fifa-Exekutivmitglieder wie Jack Warner (Trinidad und Tobago), dessen Auslieferung die US-Justiz ebenfalls verlangt, nachweislich viele Millionen Dollar verdient. JB Sports Marketing hatte über eine Anwaltskanzlei ausgewählte Journalisten in ein Zürcher Restaurant geladen und den Reportern USB-Sticks mit Dokumenten übergeben: Verträge zum WM-Tickethandel, E-Mails und anderes mehr.
Ein teilnehmender Journalist berichtet von einer "wirren, konfusen Präsentation", doch die Beschuldigungen gingen um die Welt. So behauptet der JB-Mitarbeiter Benny Alon, im Zusammenhang mit WM-Tickets sei für Blatter mehrfach eine Bestechungszahlung von zwei Millionen Dollar verlangt worden. Alon hat diese Behauptung bereits 2005 an Eides statt gemacht. Damals führte er gemeinsam mit dem Japaner Haruyuki Takahashi die Agentur ISE, die für die WM 2006 in Deutschland die Hospitality-Rechte vermittelte.
Takahashi ist ein Gigant des weltweiten Sportmarketings. Er arbeitete in führenden Positionen für Dentsu, eine der größten Werbeagenturen der Welt. Dentsu gehörte zu den Mitinhabern und Gründern der Marketingagentur ISL, die den Weltsport mit einem gigantischen Korruptionssystem überzog und, durch ein Gericht bestätigt, mindestens 142 Millionen Schweizer Franken Schmiergeld vor allem an Fifa-Funktionäre zahlte. Takahashi war in all den Jahren an vorderster Front dabei und zählt zu Blatters Freunden. Er soll die "Gratifikation" für Blatter gefordert haben - als Gegenleistung dafür, dass ISE die Pakete für das Turnier 2006 handeln durfte.
Steckt Platini hinter der Pressekonferenz?
Alon hatte das Geld nicht freigegeben. Takahashi, der heute im Vorstand des olympischen Organisationskomitees für Tokio 2020 sitzt, und Blatter haben gegenüber verschiedenen Medien die Vorwürfe zurückgewiesen. Blatter ließ mitteilen, die Vorwürfe seien "falsch, boshaft und verleumderisch", er behalte sich Klagen vor.
Alon, auch das ist pikant, zählt zu den guten Freunden des Blatter-Feindes und Uefa-Präsidenten Michel Platini, mit dem er regelmäßig Golf spielt. Schon machten erste Gerüchte die Runde, wonach die für Platini tätigen Helfer hinter der Pressekonferenz in Zürich stecken könnten - Belege dafür gibt es bislang nicht. Dass andererseits Blatter Material gegen Platini produzieren ließ, dessen Fifa-Präsidentschaft er unbedingt verhindern will, hatten die Zeitungen "Die Welt" und "Tages-Anzeiger" kürzlich enthüllt.
Ein Geldkoffer in Valcke-Optik
Valcke wiederum soll, so legt es ein E-Mail-Verkehr nah, den Alon und Co. in Zürich präsentierten, der Firma JB am offiziellen Fifa-Tickethändler Match AG vorbei für die WM-Turniere 2010, 2014, 2018 und 2022 je 8.700 Tickets zugesichert haben. Den Profit aus dem Geschäft wollten sich JB und Valcke teilen, wurde behauptet. Valcke soll sogar noch vor der WM-Vergabe an Katar erklärt haben, dass Katar die WM erhalte.
In Zürich präsentierten die JB-Manager Heinz Schild und Alon einen Koffer, der für die Geldübergabe an Valcke vorgesehen gewesen sein soll. Der Geldkoffer ist in den französischen Nationalfarben gehalten und mit dem Bild eines Oldtimer-Ferrari geschmückt - Valcke ist Franzose und liebt seine Ferraris.
Abenteuerlich, das Ganze. Valcke ließ umgehend dementieren. Aufklärung dürfte nur im Rahmen der groß angelegten Strafverfahren in der Schweiz und den USA zu erwarten sein, die neue spektakuläre Nahrung erhielten. Valcke ist nun also entlassen. Blatter aber bleibt in seinem Büro im "Home of Fifa", obwohl er schon lange nicht mehr tragbar ist. Die Einschläge kommen näher.