Fankongress in Berlin "Für uns ist das der GAU"

Die Fanlandschaft in Deutschland ist gespalten: Während in Berlin über Sicherheitsfragen diskutiert wird, gibt es in Köln heftige Ausschreitungen von Hooligans. Für die Bemühungen des Fankongresses ist das fatal, Unterstützung gibt es immerhin von der DFL.
Polizisten mit festgenommener Person in Köln: Gespaltene Fanszene

Polizisten mit festgenommener Person in Köln: Gespaltene Fanszene

Foto: Costa Belibasakis/ dpa

Mitten in der Podiumsdiskussion verließ Bernd Heinen die Bühne. Als er wenige Minuten später zurückkam, musste sich der Leiter des Nationalen Ausschusses Sport und Sicherheit einen süffisanten Kommentar von Thomas Feltes ("schön, dass sie wieder da sind") anhören. Dem Bochumer Kriminologen dürfte das kurz darauf leidgetan haben, denn Heinen hatte eine Erklärung parat, die für Entsetzen sorgte: "Mir wurde gerade mitgeteilt, dass bei einer Auseinandersetzung zwischen Kölner, Schalker und Dortmunder Fans eine Person schwer verletzt wurde. Sie wird die Nacht vielleicht nicht überleben."

Auch wenn mittlerweile keine unmittelbare Lebensgefahr mehr besteht - die Podiumsdiskussion über das gestörte Verhältnis zwischen Polizei und Fans war nach dieser Nachricht zur Nebensache geworden. Die gut 700 Zuhörer steckten die Köpfe zusammen, die Betroffenheit war mit Händen zu greifen. "Wir sind schockiert", sagte ProFans-Sprecher Alex Schulz: "Das Problem ist, dass das Leute sind, die wir nicht erreichen."

17 Stunden später sprang ihm DFL-Generalsekretär Andreas Rettig zur Seite: "Schade, dass die Veranstaltung hier so überschattet wird. Weder Sie als Fans noch wir als Verbände kommen an diese Leute heran." So ist es. Köln und Berlin zeigen die beiden Gesichter einer Fanlandschaft, die gespalten ist.

Sippenhaft für Teilnehmer des Fankongresses

Es gibt viele hundert Fanvertreter, die als Delegierte von vielen tausend aktiven Fans demokratisch ihre Interessen artikulieren wollen. Und es gibt die andere Seite. Eine kleine, aber nicht zu unterschätzende Szene, die sich zu Kämpfen im Wald oder in abgelegenen Industriegebieten verabredet. Am Samstag war sie sich ihrer Sache so sicher, dass sie das "Match" mitten in die City einer Millionenstadt verlegte. Angehörige von Ultragruppen aus Köln und Dortmund sollen sich dabei mit Schalker Ultras und Alt-Hools der "Gelsen-Szene" geprügelt haben. Die Teilnehmer des Fankongresses fühlen sich in Sippenhaft genommen und weisen ebenso wie die Vereins- und Verbandsvertreter immer wieder darauf hin, dass in den Stadien selbst nichts passiere und dass die überwiegende Mehrheit der Fans von Szenen wie in Köln genauso angewidert ist wie der Rest der Republik.

Doch können sie damit durchdringen? Eher nein, meint Sig Zelt, Fan von Union Berlin und einer der Organisatoren: "Seit dem 11. September 2001 ist Sicherheit das beherrschende Thema. Bei vielen Innenpolitikern gibt es die Tendenz, wenn nicht viel passiert, sich die Erfolge selbst zu schaffen."

Mehrheit gehen die Argumente aus

Auch die Frage, wie Fans die Geschicke ihres Vereins mitbestimmen können, steht auf der Agenda, nicht nur die zahlreichen HSV-Fans beobachten mit Spannung, ob die Mitgliederversammlung am Sonntag die Ausgliederung der Profiabteilung beschließt. Die Idealvorstellung der Fans ist das Gegenteil: Der klassische Fußball-Verein, in dem die Mitglieder das Präsidium wählen und ein Aufsichtsrat dessen Arbeit kontrolliert.

Als die zehn Workshops am Samstag vorbei sind und die Fans über sechs Stunden diskutiert haben, kommt erneut das Thema Polizei zur Sprache. "Wenn ich so behandelt würde wie in meiner Heimstadt Freiburg Gästefans behandelt werden, hätte ich auch kein Interesse an einem Dialog", sagt der Soziologieprofessor Albert Scherr. Ein Teilnehmer hat auf Basis der offiziellen Polizeizahlen errechnet, dass die Chance, bei einem Fußballspiel verletzt zu werden, bei 1:20.000 liege. "Und trotzdem macht sich meine Mutter immer Sorgen, wenn das Wochenende naht." Auch sie sei eben ein Opfer von verzerrter Medienberichterstattung und Politikern, die sich als Hardliner zu profilieren versuchten.

Selbst wenn das stimmen mag - hier in Berlin weiß jeder, dass der Mehrheit der Fans die Argumente ausgehen, wenn am anderen Ende der Republik der Stumpfsinn fröhliche Urstände feiert: "Für unsere Veranstaltung", ahnt Sprecher Alex Schulz, "war das der GAU."

Ein hartes Vorgehen gegen die Szene, die sich am Samstag am Kölner Rudolfplatz austobte? Hier hätte wohl kaum einer etwas dagegen. Zumindest dann nicht, wenn die Öffentlichkeit das verinnerlicht, was DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig in seiner Begrüßungsrede am Sonntag sagte: "Sie, die hier sind, sind doch nicht unser Problem. Was in Köln passiert ist, darf uns nicht daran hindern, weiter unseren Weg des Dialogs zu gehen."

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