0:1-Niederlage bei Lazio Bayer glaubt noch dran
Die Verbreitung größtmöglicher Zuversicht gehört traditionell zu den fundamentalen Fähigkeiten, die Fußballspieler, Trainer und Funktionäre beherrschen müssen, und auch die Männer von Bayer Leverkusen sind Meister in der Kunst, Optimismus zu erzeugen. Nichts war zu spüren von Frust oder gar von Selbstzweifeln nach der ärgerlichen 0:1-Niederlage bei Lazio Rom, ganz im Gegenteil.
Trainer Roger Schmidt erklärte lächelnd, er glaube fest daran, dass der Werksklub "auch diese Saison wieder Champions League spielen" werde, und Karim Bellarabi bezifferte die Chancen auf ein Weiterkommen exakt auf 51:49 Prozent.
Dabei ist die Ausgangslage keineswegs günstig. Lazio ist ein gut besetzter Gegner, beherrscht überdies eine ausgefeilte Konterstrategie, und Leverkusen muss etwas riskieren im Rückspiel am kommenden Mittwoch (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE). Doch selbst ein Gegentreffer würde Schmidt nicht ängstigen. "Dann müssen wir eben drei Tore schießen, ich traue uns das zu", sagte der Trainer.
Innenverteidigung macht Sorgen
Dieser Optimismus ist bemerkenswert, denn Bayer Leverkusen wirkt längst nicht so stabil wie in den besten Phasen des Vorjahres. Zwar funktioniert der spezielle Stil dieser Mannschaft weiterhin ganz gut, die Rheinländer haben die Partie in vielen Phasen dominiert, sie hatten gute Chancen. Und mit Admir Mehmedi, der in der zweiten Halbzeit für den schwachen Heung-Min Son zum Einsatz kam, wurde ein Fußballer hinzugewonnen, der das Ballbesitzspiel deutlich verbessern kann. Aber Bayer tritt derzeit mit einer Abwehr an, die anfällig für Fehler ist. Das war schon in der Bundesliga beim 2:1 gegen 1899 Hoffenheim erkennbar.
Im vorigen Jahr spielte dort der im Moment verletzte Ömer Toprak und der nach einer Prügelei mit einem Ordner entlassene Emir Spahic. Robuste Arbeiter, die Ruhe, Souveränität und eine eiserne Unbeugsamkeit ausstrahlten. Derzeit besteht die Innenverteidigung nun aus dem erst 19-jährigen Jonathan Tah, der an der Seite von Kyriakos Papadopoulos, 23, spielt. Dieses Duo ist zwar schnell, dynamisch und wuchtig, aber eben auch jung und mitunter etwas übermütig. Die beiden machten vieles richtig, aber ihnen unterliefen im römischen Angriffswirbel auch Fehler. Einer davon führte zum Tor des Abends.
Papadopoulos missglückte eine Ballannahme, und Tah räumte nach der Partie ein, dass er das Missgeschick vielleicht sogar hätte ausbügeln können. "Da hätte ich früher dran sein müssen", sagte er, doch der agile Keita Baldé, der nach der Pause für den mit einer Muskelverletzung im Oberschenkel ausgewechselten Miroslav Klose spielte, sprintete davon und erzielte das 1:0 (77.). Genau in einer Phase, in der eigentlich Leverkusen das bessere Team gewesen ist.
Diskussionen über rassistische Zwischenrufe
Torhüter Bernd Leno behauptete hinterher dennoch, dass sich aus seiner Sicht "nicht viel verändert" habe in der Viererkette gegenüber der Vorsaison, "Papa und Jona haben das sehr gut gemacht", fand der Torhüter. Aber sie haben eben den einen Fehler zu viel gemacht. Neu ist die Innenverteidigerproblematik im Übrigen nicht, der Klub sondiert den Markt, seit eine Sehne in Topraks Oberschenkel gerissen ist. Aber bisher wurden sie nicht fündig.
In Zentrum der Debatten nach dem Spiel stand dann allerdings schnell nicht mehr das Geschehen auf dem Platz, sondern eine Durchsage in der 15. Minute. Da hatte der Stadionsprecher mit einem Spielabbruch gedroht, weil Zuschauer in der Kurve mit den Fans von Lazio Rom Affenlaute von sich gegeben hatten, wenn Leverkusens schwarzer Außenverteidiger Wendell am Ball war. "Wir haben davon nichts mitbekommen", sagte Kapitän Lars Bender später, weder die Durchsage, noch das rassistische Verhalten. Und auch alle anderen Spieler wirkten überrascht, als sie von den Vorfällen hörten.
Im Stadion hieß es zunächst, die Schiedsrichter hätten die Durchsage veranlasst, nach dem Spiel sagte dann aber ein Sprecher des Kontinentalverbandes Uefa, die Abbruchdrohung sei ein "polizeilicher Fehler" gewesen. Offenbar sollte die Angelegenheit heruntergespielt werden, die laut Klose eher "harmlos" gewesen sei, "wenn man sieht, was vorher alles passiert ist". Was das Verhalten natürlich nicht besser macht.
Im Umfeld von Lazio Rom gibt es seit Jahren Gruppierungen, die mit rassistischen Aktionen in Erscheinung getreten sind. In der Saison 2012/13 musste der Hauptstadtklub nach Entgleisungen im Zwischenrunden-Duell mit Borussia Mönchengladbach (2:0) in der Europa League zwei Heimspiele ohne Publikum bestreiten, darunter die Achtelfinalpartie gegen den VfB Stuttgart. Und im Herbst 2013 war der Klub erneut zu einem Heimspiel ohne Publikum verurteilt worden. Zuletzt war weniger vorgefallen - aber das Grundproblem scheinen die Römer nicht unter Kontrolle zu bekommen.