

"Wir waren über 90 Minuten die bessere Mannschaft, aber wir laden den Gegner durch unsere Fehler immer wieder ein", klagte Philipp Lahm. Seine Mannschaft hatte gerade zum fünften Mal hintereinander gegen den BVB verloren, 2:5 hieß es an jenem Mai-Abend im DFB-Pokalfinale 2012. Was der Münchner Kapitän meinte: Bayern hatte das Spiel kontrolliert, Bayern hatte offensiv gute Phasen. Aber Bayern hatte keinen Defensivplan gegen den BVB, insbesondere nicht nach eigenem Ballverlust. Dortmund konterte gnadenlos.
Ziemlich genau drei Jahre ist es her, dass Bayern letztmals Dortmund besiegt hat, 3:1 gewannen die Münchner zu Hause. In sechs Pflichtspielen gab es seitdem keinen Erfolg mehr. Am Mittwoch, wenn die Münchner im DFB-Pokal-Viertelfinale den BVB empfangen (20.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE), wird diese Negativserie wohl enden, denn die Bayern sind gegen den Erzrivalen eindeutiger Favorit.
Der Grund dafür liegt in einer taktischen Neuerung im Spiel gegen den Ball: dem Gegenpressing. Vor allem für diese Umstellung hat der Club vor dieser Saison gezielt Spieler verpflichtet. Neu ist das Gegenpressing in Perfektion aber nur im Spiel der Bayern, zu beobachten war es in der Bundesliga vorher schon anderswo: in Dortmund.
Offensives Verteidigen nahe an der Perfektion
Vor dieser Spielzeit hat auch Bayern-Trainer Jupp Heynckes die Defensivausrichtung seines Teams neu justiert. Wo im Pokalfinale 2012 Abstimmung und Balance fehlten, weiß nun jeder Münchner exakt, was zu tun ist: Überzahl in Ballnähe schaffen, Druck auf den Ballführenden erzeugen, Fehler erzwingen und dann sofort wieder das Tor attackieren. Es ist offensives Verteidigen nahe an der Perfektion.
Das Resultat sind acht Gegentore in 23 Spielen, nur eines im Jahr 2013. So effizient verteidigt sonst keiner in Europas großen Ligen, nicht Barcelona, nicht Madrid, nicht Turin und auch nicht der BVB, dessen Spiel gegen den Ball einer der Hauptgründe für die Erfolge in den vergangenen zwei Jahren war.
Für das Gegenpressing à la Bayern München kaufte der Rekordmeister ein. Dante, Mario Mandzukic, Javi Martínez - es sind drei Spieler, die den FC Bayern 2.0 prägen, der eigentlich - in München werden sie es ungern hören - vor allem eine taktische Kopie von Borussia Dortmund ist.
Der Schlüssel gegen Dortmund
Schon im letzten Aufeinandertreffen profitierte Bayern von den drei Neuen. Zwar gewann man abermals nicht, doch es gab einen gravierenden Unterschied zum Pokalfinale 2012: Bayern ließ dank der neuen Spielweise kaum Chancen zu (Hier finden Sie die grafische Analyse des Spiels). Gut möglich, dass Klopp seine Elf am Mittwochabend wieder so spielen lässt wie zuletzt in der Bundesliga: Dass der BVB den Bayern den Ball überlässt, nicht aber das Mittelfeld; ihnen Pässe zurück zu Manuel Neuer gestattet, nicht aber nach vorne. Aus Bayern-Sicht daher elementar: Die Dortmunder Pressing-Phalanx durchbrechen, den Ball nach vorne bringen und abschließen oder, nach Ballverlust, selbst gegenpressen. Und hier kommen die Neuen ins Spiel.
Das zeigte das Finale 2012, als der BVB Bastian Schweinsteiger nur zustellte, Gustavo gezielt unter Druck setzte. Im Ligaspiel blieben schmerzhafte Ballverluste dann bereits aus. Schon da, am 15. Spieltag, waren die Bayern dem Sieg sehr nah; Roman Weidenfeller verhinderte ihn in der Schlussphase gleich mehrfach.
Nun, da sie nicht mehr zu Fehlern einladen, sondern selbst welche erzwingen; nun, da sie nicht mehr nur das Spiel kontrollieren, sondern auch den Gegner - nun wird er gelingen, der Erfolg gegen Dortmund nach dreijähriger Durststrecke. Bedanken dürfen sich Bayerns Fans bei Jupp Heynckes und seinen taktischen Anpassungen. Beim Vorstand und dessen Transferpolitik. Und bei Jürgen Klopp.
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Die Bayern haben gegen Dortmund nicht nur das Heimspiel, sondern gehen auch als Favorit in die Partie. Das liegt nicht zuletzt an ihrer Defensiv-Ordnung. Ein ballsicherer Innenverteidiger, ein Überall-Spanier und ein verteidigender Torjäger sind die Schlüsselspieler.
Dante
Position: Innenverteidiger
Der Brasilianer kam erst im Sommer aus Gladbach und hat sich im Abwehrbund sofort behauptet. Er ist der gesetzte Mann in der Innenverteidigung. Dante überzeugt vor allem durch seine Ballsicherheit. Selbst unter Druck gelingt es ihm, saubere Pässe zu spielen. Außerdem ist der Abwehrspieler durch seine Kopfballstärke bei Standardsituationen im Angriff torgefährlich und in der Verteidigung ein sicherer Rückhalt.
Javi Martínez
Position: Defensives Mittelfeld
Der spanische Neuzugang hat wohl den größten Einfluss auf den neuen FC Bayern. Er ist noch zweikampfstärker als Luiz Gustavo, doch seine wahre Klasse zeigt er im Spiel ohne Ball. Direkter Zweikampf oder den angreifenden Kollegen absichern? Die unauffällige Arbeit ist es, hier die richtige Entscheidung zu treffen. Das gelingt ihm nahezu immer. Im Spielaufbau verliert er kaum Bälle, die Abwehr wird daher sehr selten durch plötzliche Angriffe überrascht.
Mario Mandzukic
Position: Mittelstürmer
In der Spitze wird er vermutlich den Vorzug vor seinem Kollegen Mario Gomez erhalten. Mandzukic ist derjenige, der von der Ballsicherheit eines Javi Martínez mit am meisten profitiert. Doch der Kroate ist nicht nur torgefährlich, er zeichnet sich vor allem auch durch sein intelligentes Spiel gegen den Ball aus. Er stellt Passwege zu und eilt zur Hilfe, wenn ein Mitspieler den Ball verliert. Bayerns Angriff beginnt somit beim offensivsten Mann. Damit passt er perfekt ins neue Bayern-System.
Selbst wenn er diesmal eher als Außenseiter ins Spiel geht: Auch der BVB steht nicht still, er entwickelt sich. Genauer: Er entwickelt seine Spieler. 70 Millionen Euro für Neuzugänge? Unmöglich. Stattdessen verbessert das Trainerteam die Etablierten. Vor allem die folgenden drei.
Neven Subotic
Position: Innenverteidiger
Bekannt als verlässlicher Zweikämpfer, der immer etwas im Schatten seines spielstarken Partners Mats Hummels steht. Weil Hummels von den meisten Stürmern mittlerweile eine Sonderbewachung erhält, sind die Ansprüche an Subotic in der Spieleröffnung gewachsen. Längst spielt er anspruchsvolle Pässe, die Dortmunder Angriffe initiieren.
Ilkay Gündogan
Position: Defensives Mittelfeld
Den vielleicht größten Entwicklungsschritt hat Gündogan genommen. Gegen schwächere Gegner ist er als abkippender Sechser Dortmunds Spielmacher. Gegen die Bayern sind andere Qualitäten gefragt: Seine Intelligenz im Spiel gegen den Ball macht ihn zum perfekten Pressingspieler, der schnell schalten kann, Bälle erobert und zugleich Passwege versperrt. Der Prototyp eines modernen Sechsers.
Mario Götze
Position: Offensives Mittelfeld
Vergangene Saison noch lange verletzt, wurde er beim 5:2-Pokalsieg nicht benötigt. Heute ist er unverzichtbar, weil er sich perfekt in freie Räume bewegen kann und schon vor Ballannahme registriert, wohin sich Mit- und Gegenspieler orientieren. Resultat sind 27 Scorerpunkte in 30 Pflichtspielen für die Borussia in dieser Saison. Besonders seine Bewegungen müssen die Bayern im Auge behalten.
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